Beschwerdefähigkeit von Ausländern bei Deutschengrundrechten


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Austauschstudent A (US-amerikanischer Staatsbürger) sieht sich durch die im Rahmen der Corona Pandemie erlassenen Versammlungsverbote in seiner Freiheit bedroht. Er beschließt, Verfassungsbeschwerde zu erheben.

Einordnung des Falls

Beschwerdefähigkeit von Ausländern bei Deutschengrundrechten

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Verfassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn A beschwerdefähig ist (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG).

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Ja!

Fähig, eine Beschwerde zum BVerfG zu erheben (Beschwerdefähigkeit) ist Jedermann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte verletzt worden zu sein (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG). Beschwerdefähig sind alle Personen, die Träger eines der als verletzt gerügten Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte sein können. Auf die tatsächliche Trägerschaft des gerügten Rechts kommt es nicht an.

2. A ist beschwerdefähig, Verfassungsbeschwerde gegen das Versammlungsverbot zu erheben.

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Genau, so ist das!

Beschwerdefähig sind alle Personen, die Träger eines der als verletzt gerügten Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte sein können. A rügt die Verletzung seiner Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG). Es handelt sich bei Art. 8 Abs. 1 GG um ein Deutschen-Grundrecht, worauf sich nur Deutsche berufen können. Deutscher im Sinne des GG ist insbesondere, wer die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt (Art. 116 Abs. 1 GG). Als US-Staatsbürger ist A nicht Träger der Versammlungsfreiheit. A kann sich jedoch auf das sog. Jedermann-Grundrecht der Allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) berufen. Es ist anerkannt, dass dieses als Auffang-Grundrecht die Freiheit allgemein, also stets dann schützt, wenn kein spezielles Freiheitsgrundrecht einschlägig ist. Art. 2 Abs. 1 GG kann damit ausländischen Staatsbürgern eingeschränkt die Schutzwirkungen der Deutschen-Grundrechte vermitteln (freilich nicht mit demselben Schutzniveau).

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CANDM

CanDMRCV

8.5.2020, 13:02:43

Irreführend - nicht?

DC20

dC20

20.5.2020, 21:29:09

Ja, sehr ich auch so. A ist doch in letzten Fall "nur" beschwerdefähig beglich der allgemeinen Handungsfreiheit. Klar das eine ist eine Frage der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde und das andere eine Frage der Begründetheit der VB, aber zu sagen, A ist beschwerdefähig bzgl. des Versammlungsverbots ist wirklich irreführend.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

12.7.2020, 10:42:38

Hallo ihr beiden, danke für eure Kommentare. Diese Aufgaben sollen auch gerade dazu dienen, sorgfältig zwischen Zulässigkeit und Begründetheit zu unterscheiden. In der Zulässigkeit reicht es eben unproblematisch, dass der Beschwerdeführer beschwerdefähig hinsichtlich der allgemeinen Handlungsfreiheit ist, sofern diese einschlägig ist (Auffanggrundrecht bei Ausländern). In der Begründet Zeitsprüfung kommt es dann gerade auf das niedrigere Schutzniveau an.

QUIG

QuiGonTim

27.3.2022, 17:34:14

Also reicht es aus, dass der Beschwerdeführer Träger irgendeines Grundrechts, das auf den in Frage stehenden Sachverhalt anwendbar sein könnte, sein könnte? Sind natürliche Personen dann mit Blick auf die allgemeine Handlungsfreiheit stets beschwerdefähig?

<I

<isa_hh>

27.4.2023, 08:29:24

Ich finde es auch irreführend hier von einer Beschwerdefähigkeit hinsichtlich des Versammlungsverbots zu sprechen. mE müsste man das ablehnen und dann noch eine Frage stellen, dass er sich dennoch auf die allg. Handlungsfreiheit berufen könnte und er deshalb beschwerdefähig ist.

Lea_6.9

Lea_6.9

27.3.2024, 10:37:55

Also ich finde, dass gerade durch dieses Durcheinander eine sorgfältige Unterscheidung zwischen Zulässigkeit und Begründetheit nicht mehr möglich ist. Die Beschwerdefähigkeit wird im Rahmen der Zulässigkeit geprüft und dabei spielt es doch erstmal noch gar keine Rolle, ob der Beschwerdeführer Deutscher oder US-Amerikaner ist. Denn „jedermann“ kann eine Verfassungsbeschwerde zum BVerfG erheben. Erst wenn ein konkretes Grundrecht geprüft wird, nämlich im Rahmen der Begründetheit, dann muss beim persönlichen Schutzbereich darauf eingegangen werden, ob sich der US-Amerikaner auf die Versammlungsfreiheit als Deutschen-Grundrecht berufen kann. Und erst wenn ich dies verneint habe und somit im Schutzbereich des Art. 8 I GG rausfliege, kann ich das Auffanggrundrecht prüfen. Bitte formuliert die Erklärungen sauber und vermischt keine Prüfungspunkte der Begründetheit mit denen der Zulässigkeit. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer eine Verfassungsbeschwerde erheben kann gem. Art. 93 I Nr. 4a GG, § 90 I BVerfGG, mit dem Hinweis, dass die Thematik mit der Staatsangehörigkeit erst bei dem SB des jeweiligen Grundrechts geprüft werden muss, würde mMn ausreichen, um eine klare Differenzierung zu ermöglichen..

BEN

benjaminmeister

6.4.2024, 09:42:53

@[Lea_6.9](72776) kann hier nur zustimmen

🦊²

🦊²

16.10.2020, 11:19:12

Wofür soll die Klarstellung sein, dass es auf die tatsächliche Trägerschaft nicht ankommt? Ist dies nicht eher die Kategorie der Beschwerdebefugnis, wonach ich zunächst alle in Betracht kommende GR „in den Ring“ werfe (möglichkeitstheorie), ehe dann in der Begründetheit „Butter bei die Fische“ angesagt ist?

SIEC

siechtum_jura

16.2.2024, 16:45:25

Also erst einmal wird festgestellt, dass alle Personen beschwerdefähig sind, die Träger eines der als verletzt gerügten Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte sein können. So weit, so gut. Anschließend wird dann allerdings erklärt, dass es auf die tatsächliche Trägerschaft des Art. 8 I GG garnicht ankommt. Bei der Begründung für die Bejahung der Beschwerdefähigkeit heißt es dann aber, dass der US-Bürger nicht Träger des Grundrechts aus Art. 8 I GG sein kann, weil es sich hierbei um ein Deutschengrundrecht handelt, er sich aber mangels Trägerschaft auf Art. 2 I GG als Auffanggrundrecht berufen kann. Ich dachte jedoch, dass die Begründung sei, es käme auf die Trägerschaft garnicht an, und dass prinzipiell erstmal „Jeder“ (mithin jede natürliche Person) zunächst beschwerdefähig ist. Bei dem französischen Staatsbürger eine Frage weiter, heißt es dann, dass ein näheres Eingehen auf Art. 18 AEUV garnicht nötig sei, da auf jeden Fall EU-Ausländer subsidiär durch Art. 2 I GG geschützt seien. Das alles erscheint mir etwas unsauber und verwirrend aufbereitet zu sein. Zudem ist mir immer noch nicht ersichtlich, wo man das Problem von Ausländern, die eine Verfassungsbeschwerde beruhend auf Art 8 I GG einreichen, anspricht. Bei der Beschwerdefähigkeit? Oder doch eher der Befugnis? Warum nicht erst im persönlichen Schutzbereich im Rahmen der Begründetheitsprüfung?


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