Pflichten des Bestellers: 2. Abnahmepflicht, Grundfall


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Bräutigam B bestellt bei Konditorin U eine riesige Hochzeitstorte. Als die Hochzeit platzt, holt B die Torte weder ab noch bezahlt er. U möchte ihr Kunstwerk nicht wegwerfen, braucht aber den Platz im Kühlschrank.

Einordnung des Falls

Pflichten des Bestellers: 2. Abnahmepflicht, Grundfall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B muss die vereinbarte Vergütung bezahlen.

Genau, so ist das!

Der Besteller eines Werkvertrags hat die vereinbarte Vergütung zu entrichten (§ 631 Abs. 1 BGB). Die Herstellung der Hochzeitstorte ist ein geschuldeter Erfolg. Ein Werkvertrag liegt daher vor. B ist Besteller des Werkvertrags.

2. Die Vergütung ist fällig.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Vergütung ist bei Abnahme des Werks fällig (§ 641 Abs. 1 S. 1 BGB). Abnahme ist die körperliche Entgegennahme des Werkes unter Billigung als im Wesentlichen vertragsgemäß. Die Erklärung kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen. Wenn die Abnahme aufgrund der Beschaffenheit des Werks ausgeschlossen ist, tritt an die Stelle die Vollendung des Werkes, etwa bei Taxifahrten oder Kunstaufführungen (§ 646 BGB). B hat die Torte weder körperlich entgegengenommen noch als vertragsmäßig gebilligt.

3. Der Besteller einer Werkleistung hat die Pflicht, die Sache abzunehmen.

Ja!

Der Besteller einer Werkleistung ist verpflichtet, das vertragsgemäß hergestellte Werk abzunehmen, sofern nicht nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme ausgeschlossen ist (§ 640 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Abnahmeverpflichtung ist nicht nur eine Obliegenheit, sondern eine Hauptleistungspflicht. Der Besteller kann sich dabei auch nicht auf unwesentliche Mängel berufen (§ 640 Abs. 1 S. 2 BGB).

4. B ist verpflichtet, die Torte bei U abzuholen.

Genau, so ist das!

Der Besteller einer Werkleistung ist verpflichtet, das vertragsgemäß hergestellte Werk abzunehmen, sofern nicht nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme ausgeschlossen ist (§ 640 Abs. 1 S. 1 BGB). B kann die Abnahme auch nicht wegen unwesentlicher Mängel verweigern (§ 640 Abs. 1 S. 2 BGB).

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TeamRahad 🧞

TeamRahad 🧞

29.4.2021, 08:10:23

Das Ergebnis, dass die Zahlungsverpflichtung noch nicht fällig ist, kommt mir irgendwie unbillig vor... Wenn U die Torte nun wegwerfen muss, kann diese ja nicht mehr abgenommen werden, sodass keine Fälligkeit eintritt. Um eine Fiktion der Abnahme herbeizuführen, müsste U dem B nach 640 II eine Frist zur Abnahme setzen und ihn in Textform auf die Folgen hinweisen, die Frist kann aber bei schon zerstörtem Werk wohl kaum erfolglos ablaufen. Also sehe ich keine Möglichkeit für U, die Fälligkeit noch erreichen (ohne eine neue Torte herstellen zu müssen).

TeamRahad 🧞

TeamRahad 🧞

29.4.2021, 08:12:34

Unbillig finde ich das aus folgenden Gründen: Bei einer Hochzeitstorte ist ein konkreter Termin (der Tag der Hochzeit) zur Abholung vereinbart und die Konditorin muss nicht damit rechnen, dass die Torte erst nach diesem Termin geholt wird (niemand braucht nach dem Tag der Hochzeit noch eine Hochzeitstorte). D.h. es kann ihr auch nicht angelastet werden, dass sie im Kühlschrank keinen Platz für die weitere Aufbewahrung mehr hatte.

TeamRahad 🧞

TeamRahad 🧞

29.4.2021, 08:21:19

Hat U jetzt Pech gehabt, weil sie B nicht von vorneherein eine Frist mit Hinweis nach 640 II gesetzt hat, obwohl allen Beteiligten und dem Rechtsverkehr klar ist, dass Hochzeitstorten nur an einem bestimmten Tag gebraucht werden, viel Platz einnehmen und leicht verderblich sind? Eine Entbehrlichkeit der Fristsetzung kommt nach dem Palandt (640 Rn 15) nur in Frage, wenn die Abnahme (ernsthaft und endgültig) verweigert wurde, also nicht wenn B einfach gar nichts sagt. Kann man die Grundsätze des absoluten Fixgeschäfts hier vllt umdrehen und sagen, U kann nach dem Termin keine "Hochzeits"torte mehr herstellen sondern höchstens noch eine Torte, wird also nach 275 I von ihrer Leistungspflicht frei, und hat wegen 326 II 1 trotzdem Anspruch auf die Vergütung?

TeamRahad 🧞

TeamRahad 🧞

29.4.2021, 08:22:45

Ansonsten fällt mir nur noch eine Lösung über 242 ein... Vllt übersehe ich auch irgendwas und es ist eigentlich total einfach 😂

Irina95

Irina95

14.3.2022, 17:45:10

Die Frage von @[TeamRahad 🧞](30535) find ich extrem interessant, ich sehe es ziemlich ähnlich und hätte eine fällige Zahlung bei dem vorliegenden Fixgeschäft bejaht. Gibt es da mittlerweile eine Erklärung/Antwort?

TeamRahad 🧞

TeamRahad 🧞

6.5.2021, 19:41:20

Neuer Versuch, diesmal knapper 😅: Und wie kommt U jetzt doch noch an ihr Geld?

Tigerwitsch

Tigerwitsch

6.5.2021, 23:56:23

B hat zwar die Torte nicht nach § 640 BGB tatsächlich abgenommen, sodass man a priori denken könnte, dass im Ergebnis U keine Vergütung verlangen könnte (vgl. § 641 Abs. 1 Satz 1 BGB). B ist jedoch verpflichtet, die Torte abzunehmen. Die Abnahme ist eine Hauptleistungspflicht des Bestellers. Nach der Rechtsprechung des BGH besteht ein Anspruch auf Vergütung ohne Abnahme auch dann, wenn der Besteller grundlos und endgültig erforderliche Mitwirkungshandlungen verweigert oder sich sonst treuwidrig verhält. Zwar lässt sich argumentieren, dass bei einer unberechtigten Nicht-Abnahme des Bestellers, der Unternehmer zunächst die Fälligkeit durch Fristsetzung herbeizuführen habe (§ 640 Abs. 2 BGB). Die Fristsetzung ist jedoch dann eine überflüssige Förmlichkeit, wenn die Abnahme ausdrücklich und endgültig verweigert (BGH, U. v. 08.11.2007 - AZ.: VII ZR 183/05; Palandt/Sprau, 78. Aufl. 2019, § 641 Rn. 5). Insofern kommt U an ihr Geld bzw. ihr steht ein Anspruch aus § 632 BGB zu. Diesen kann sie einklagen.

Tigerwitsch

Tigerwitsch

6.5.2021, 23:59:36

Der BGH (U. v. 08.11.2007 - AZ.: VII ZR 183/05) führt anschaulich aus: „Die Werklohnforderung wird fällig, wenn der [Besteller] die Abnahme der Werkleistung erklärt hat, § 641 Abs. 1 BGB. Sie wird aber auch dann fällig, wenn der [Besteller] die Abnahme zu Unrecht endgültig verweigert (BGH, Urteil vom 25. Januar 1996 - VII ZR 26/95, BauR 1996, 390, 391 = ZfBR 1996, 156). Das gilt ungeachtet der Regelung des § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB grundsätzlich auch dann, wenn der Unternehmer dem Besteller keine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat. Wenn der Besteller die Abnahme endgültig verweigert, so ist die Fristsetzung entbehrlich.“ https://openjur.de/u/77732.html

Tigerwitsch

Tigerwitsch

7.5.2021, 00:08:12

Beachte: In der zitierten Entscheidung ist mit § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB a. F. (!) der jetzige § 640 Abs. 2 BGB gemeint.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

7.5.2021, 08:23:49

Hallo TeamRahad, vielen Dank, dass Du am Ball geblieben bist! Wie Tigerwitsch ausgeführt hat und von Dir auch im anderen Thread angesprochen wurde, käme hier sicherlich eine Abnahmefiktion nach § 640 Abs. 2 BGB in Betracht. Allerdings fehlen uns hierfür noch einige Sachverhaltsangaben. Die Situation ist ja die folgende: Die Hochzeit platzt, am Hochzeitstag steht U mit der Torte bereit und B stellt sich "tot". Allein in dem Nicht-Erscheinen schon eine endgültige Verweigerung zu sehen, würde mir zu weit gehen. U müsste nach mE also tatsächlich eine angemessene Frist setzen, was formlos möglich ist. Da wir hier über eine leicht verderbliche Torte reden, dürfte hier auch eine Frist von wenigen Stunden als "angemessen" iSv § 640 Abs. 2 BGB gelten.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

7.5.2021, 08:29:24

Lehnt B ab, so haben wir die von Tigerwitsch beschriebene Konstellation. Ein anderer Aspekt ist der Umstand, dass U eigentlich den Platz im Kühlschrank braucht. Hier kommt ein Schadensersatzanspruch wegen Verzug nach § 280 I, II, 286 BGB in Betracht. B war zur Abnahme verpflichtet und hat diese Pflicht verletzt. Eine Mahnung (§ 286 I BGB) war entbehrlich, da eine Zeit nach dem Kalender bestimmt war (§ 286 II Nr. 1 BGB). Im Hinblick auf den Schaden käme es nun natürlich darauf an, was für Schäden entstanden sind (zB Miete für einen Ersatzkühlschrank, entgangener Gewinn, Beschädigung anderer Lebensmittel....).

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

7.5.2021, 08:34:38

Eine "Umkehr" des absoluten Fixgeschäftes käme mir in diesem Kontext dagegen ebenfalls unbillig vor. Denn es steht mir als Kunde natürlich frei eine Hochzeitstorte zu bestellen und zu essen, auch wenn ich nicht heirate. Für U ist diese Leistung insofern nicht unmöglich geworden. Das absolute Fixgeschäft sollte insoweit wirklich als absoluter Ausnahmefall behandelt werden. Da B aber über den Schadensersatzanspruch wegen Nichtabnahme ausreichend geschützt ist, bedarf es einer Anwendung hier nach mE eigentlich nicht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs Team :)

TeamRahad 🧞

TeamRahad 🧞

7.5.2021, 08:43:19

Vielen Dank euch für eure ausführlichen Antworten! :) @Tigerwitsch Das mit der endgültigen und ernsthaften Verweigerung der Abnahme hatte ich im Palandt auch gefunden, liegt aber bei bloßer fehlender Reaktion ja leider nicht vor, wie auch Tr(u)mpeltweet angemerkt hat ;) @Tr(u)mpeltweet Dass wenige Stunden als Frist angemessen sind und U ggf Schadenersatz wegen des fehlenden Platzes im Kühlschrank verlangen kann, finde ich beides überzeugend 👍 Was mir noch nicht ganz einleuchtet ist, dass die Fristsetzung formlos erfolgen kann, 640 II 2 sagt mE das Gegenteil... Da würde aber ja z.B. eine E-Mail reichen, die auch sehr zeitnah möglich ist :)

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

7.5.2021, 09:34:20

@team Rahad: das war in der Tat etwas ungenau mit der Formlosigkeit :D. Grundsätzlich ist die Fristsetzung nach § 640 Abs. 2 S. 1 BGB formlos (BeckOGK/Kögl, 1.1.2021, BGB § 640 Rn. 137). Etwas anderes gilt bei einem Vertrag mit einem Verbraucher, wo auf die Rechtsfolgen in Textform hinzuweisen ist (§ 640 Abs. 2 S. 2 BGB). Tatsächlich dürfte B hier als Verbraucher iSd § 13 BGB die Torte bestellt haben, weswegen der entsprechende Hinweis erfolgen müsste. Aber wie Du ebenfalls angemerkt hast, ist die Textform nach § 127b BGB recht weit, sodass u.a. eine E-Mail genügt :) Beste Grüße, Lukas

EVA

evanici

1.9.2023, 17:53:54

Könnte man nicht auch über § 642 I gehen und in der unterbliebenen Abholung eine fehlende Mitwirkungshandlung des B sehen oder wäre das zu abwegig? Voraussetzung hierfür wäre ja, dass B in Annahmeverzug gekommen ist: B hatte (I.) einen erfüllbaren Anspruch gegen B (=Torte), U müsste (II.) dem B die Leistung auch angeboten haben bzw. das Angebot müsste entbehrlich gewesen sein §§ 294 ff. (hier wohl kalendarisch bestimmte Zeit i.S.d. § 296), B müsste (III.) die Leistung nicht angenommen haben und dies trotz (IV.) Leistungsvermögens des Schuldners § 297 und es lag (V.) auch kein Fall der vorübergehenden Annahmeverhinderung des B gem. § 299 vor. Da B mit dem Unterlassen dieser Mitwirkungshandlung somit in Annahmeverzug gekommen ist, könnte U doch auch darüber an eine Entschädigung kommen?


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