Öffentliches Recht
Polizei- und Ordnungsrecht
Gefahr für polizeiliche Schutzgüter
Abgrenzung abstrakte Gefahr/Risiko
Abgrenzung abstrakte Gefahr/Risiko
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Aufgrund wiederholter Auseinandersetzungen im städtischen Vergnügungsviertel, die durch den Gebrauch von Glasflaschen als Schlagmittel schwerste Verletzungen hervorriefen, erlässt die Landesregierung ein Glasflaschenverbot im Bereich des Viertels durch Verordnung.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Abgrenzung abstrakte Gefahr/Risiko
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Erlass einer Verordnung zur Gefahrenabwehr setzt das Vorliegen einer abstrakten Gefahr voraus.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Das Mitführen von Glasflaschen im Vergnügungsviertel stellt eine abstrakte Gefahr dar.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Mangels abstrakter Gefahr besteht keine Möglichkeit ein Glasflaschenverbot im Vergnügungsviertel zu erlassen.
Nein, das trifft nicht zu!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Blackpanther
11.1.2023, 13:19:08
Worin genau liegt der Unterschied zum Paternoster-Fall? Auch dort ist doch davon auszugehen, dass er von der Mehrheit der Nutzer ordnungsgemäß verwendet wird und es nicht zu Schäden kommt.
Nora Mommsen
11.1.2023, 13:49:08
Hallo Blackpanther, diese Entscheidungen erfolgen immer im Rahmen einer Abwägung. Beim Paternoster ist z.B. die Wahrscheinlichkeit gering, dass unbeteiligte Dritte zu Schaden kommen, die Art der Verletzung ist vielleicht eine andere. Die Häufigkeit von Paternostern hat sehr abgenommen. All dies führt dazu, dass es zu einer anderen Gefahrenprognose kommt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Blackpanther
11.1.2023, 17:00:03
In Paternoster-Fall wurde, wenn ich mich richtig erinnere, aber eine
abstrakte Gefahrangenommen, während sie im Glasflaschen-Fall abgelehnt wurde 🤔
GingerCharme
28.7.2023, 12:22:18
@[Blackpanther](163646) Genau es wurde im Pater-Nosterfall angenommen, dass eine abstrakte Gefährlichkeit besteht, im Glasflaschen-Verbotsfall aber nicht. Wieso? mMn, weil: Der Pater-Noster-Fall spielte in einem Wohnhaus, dort gehen Kinder ein und aus, diese könnten sich sicherlich verletzen, da sie tendenziell sorgloser Gebrauch von Fahrstühlen machen. Zudem ist eine Vielzahl von Menschen tagtäglich bedroht, sich "ausversehen" zu verletzen. Im Glasflaschenfall jedoch, müsste das Glas als Waffe eingesetzt werden, wenn wir Mal davon ausgehen, dass Verbot solle nicht versehentliches hineintreten in achtsam rumliegendes gesplittertes Glas verhüten. Wenn man nun vergleicht: Pater-Nosterfall mit Kindern, die sich sicherlich ausversehen verletzten könnten auf der einen Seite und auf der anderen Seite, nur die Möglichkeit, dass Horden von wütenden Menschen Glasflaschen als Waffen gebrauchen, so ist die Gefährlichkeit vom Pater-Noster mMn schon als gewichtiger einzustufen. Alleine schon weil es keines
Vorsatzes zu Straftaten oder zu atypischen Verläufen bedarf, damit ein Schaden eintritt.
Anastasia
29.7.2023, 21:42:04
Im Paternoster-Fall besteht die Gefahr sofort und typischerweise für alle Nutzer + keine politische Rechte sind betroffen, nur das Eigentum wenigen Hausbesitzer. Daher eine durch Executive schnell erlassene Verordnung als zulässig gesehen wurde. Im Glasflaschen-Fall sind dagegen nur einzelne Personen und nur ausnahmsweise betroffen, plus es geht um Handlungsfreiheit - deshalb Gesetz statt Verordnung.
Aleks_is_Y
18.4.2024, 16:30:10
Ich finde in der Gesamtschau der beiden Aufgaben sollte entweder der Unterschied deutlicher herausgearbeitet werden; dieser wird auch in meinen Augen nicht ganz deutlich. Oder aber darauf hingewiesen werden, dass es sich jeweils um "Einzelfall-Entscheidungen" handelt, die in ihrem jeweiliegen zeitlich, politisch, kulturellem Kontext gesehen werden müssen.
Matschegenga
9.1.2024, 00:01:14
Wenn die folgenreiche Abgrenzung zwischen Gefahr und Risiko anhand des Merkmals der "hinreichenden Wahrscheinlichkeit" des Schadenseintritts getroffen wird, dann müsste es doch möglich sein, sich UNGEFÄHR festzulegen, wie hoch eine solche "hinreichende" Wahrscheinlichkeit sein muss. Muss die Verhaltensweise eher in ca. 50%, 5%, 0,5%, 0,05% oder 0,05% der Fälle zum Schadenseintritt führen? Dazwischen liegen Welten! Wenn jeder Richter seine Wahrscheinlichkeitsschwelle völlig frei nach Bauchgefühl festlegen kann, braucht es auch keine smart klingenden Abgrenzungsformeln um eine Objektivierbarkeit vorzutäuschen.