Zivilrecht
Schuldrecht Allgemeiner Teil
Verbraucherverträge über digitale Produkte (§ 327 ff. BGB)
Sache mit digitalen Produkten
Sache mit digitalen Produkten
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Nach einem Zahnarztbesuch ist Verbraucherin K motiviert, endlich ihre Zahnpflege in Angriff zu nehmen. Deswegen kauft sie im Laden der Unternehmerin V eine elektrische Zahnbürste inklusive App für ihr Handy. Die App zeigt an, wie sie ihre Zähne putzen soll und speichert die Daten anschließend.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Sache mit digitalen Produkten
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Handelt es sich bei der App um einen digitalen Inhalt (§ 327 Abs. 2 S. 1 BGB)?
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die App ist mit der Zahnbürste verbunden (§ 327a Abs. 2 S. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
3. Die Zahnbürste wird im Rahmen eines Kaufvertrags bereitgestellt (vertragliches Kriterium, § 327a Abs. 3 BGB).
4. Die Zahnbürste kann ohne die App ihre Funktion nicht erfüllen (funktionales Kriterium, § 327a Abs. 3 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Auf die App und die mit ihr verbundene Zahnbüste sind jeweils die §§ 327 ff. BGB anwendbar (§ 327a Abs. 2 S. 2 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
InDubioProsecco
7.6.2023, 16:04:20
Wie steht es im Falle einer Aufspaltung der rechtlichen Behandlung um den Maßstab des kaufrechtlichen Mangelbegriffs? Kann man etwaige Mängel der App unter
§ 434 BGB, insbesondere Abs. 3 subsumieren? Oder muss man diese kommplett unbeachtet lassen? Ich frage mich dies, weil im Falle der Beachtlichkeit dann ein Rücktritt vom Kaufvertrag (inklusive der App) möglich wäre, ohne dass die Sache selbst (also die Zahnbürste) mangelhaft ist. Alles sehr verwirrend und gesetzgeberisch keine gute Lösung, wie ich finde.
Lukas_Mengestu
8.6.2023, 09:09:51
Hallo InDubioProsecco, sehr berechtigte Frage. Im Grundsatz findet erst einmal eine völlige Trennung statt. Die App wird also nach den § 327ff. BGB bewertet, die Zahnbürste nach den §§ 434 ff. BGB. Inhaltlich ergeben sich wenig Unterschiede, da der Mangelbegriff des § 327e BGB weitgehend parallel zu
§ 434 BGBgestaltet ist. Wie ist es aber nun bei einem Rücktritt wegen Mangelhaftigkeit der App? Muss ich die Zahnbürste behalten? Die notwendige Verbindung schafft § 327m Abs. 5 BGB. Sofern sich die Zahnbürste ebenfalls nicht zur gewöhnlichen Verwendung eignet, dann ist ein Rücktritt vom gesamten Vertrag möglich. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
QuiGonTim
16.4.2024, 12:09:51
Viel intressanter ist doch der umgekehrte Fall. Eine mangelfreie App, aber eine mangelhafte Zahnbürste. Die Zahnbürste mag sich noch ohne die App benutzen lassen. Die App hingegen ist ohne die Zahnbürste völlig nutzlos. Wir wird in einem solchen Fall die Verbindung zwischen Kaufrecht und dem Recht der digitalen Produkte hergestellt?
David.
24.9.2023, 13:32:30
Bei einer App werden die Inhalte ja auch in digitaler Form erstellt und auch in digitaler Form bereitgestellt. Also sollte die App doch zumindest auch ein digitaler Inhalt sein. Mir fällt es auf jeden Fall schwer, eine App nicht unter die Definition des digitalen Inhalts zu subsumieren. Letztendlich ist die Differenzierung ja auch nur für die Bereitstellung nach § 327b relevant. Würde es nicht ausreichen, die Einordnung vorerst offen zu lassen, erstmal nur festzustellen, dass auf jeden Fall ein digitales Produkt vorliegt und im Rahmen der Bereitstellung dann eine Zuordnung anhand des Schwerpunktes vorzunehmen?
MagicMarv
3.10.2023, 15:49:08
Ich hätte die App auch als digitalen Inhalt bewertet. Damit sind wir nicht alleine: Auch im Grüneberg, § 327 Rn. 4 werden Apps als Beispiele für digitale Inhalte genannt.
paulmachtexamen
16.6.2024, 17:52:36
Liebe Jurafüchse, kurz zum Verständnis: Warum handelt es sich hierbei nicht um einen
PaketvertragiSd
327aI? Bei welchem Tatbestandsmerkmal fliege ich da raus?
Marco
22.7.2024, 17:22:09
Es geht ja in diesem Übungsfall nur um den Anwendungsbereich der §§ 327 ff. BGB. Ob ein
Paketvertragvorliegt oder nicht, spielt hierfür keine Rolle. Relevant wird das erst im Rahmen der Vertragsbeendigung, vgl. § 327m Abs.4 und 5 BGB. Da §
327aAbs. 2 das Spiegelbild zu § 475a Abs. 2 BGB bildet, spricht vieles dafür dass §
327aAbs. 2 ggü Abs. 1 (
Paketvertrag) spezieller ist, wenn es sich - wie hier - um einen Kaufvertrag über Sachen mit verbundenen digitalen Produkten handelt.