Strafrecht
Strafprozessrecht
Die Verfahrensbeteiligten
Verteidiger 1 – Wahrheits-, Fürsprache- und Verschwiegenheitspflicht
Verteidiger 1 – Wahrheits-, Fürsprache- und Verschwiegenheitspflicht
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T wird wegen Totschlags angeklagt. Er trifft sich mit dem Verteidiger V, beginnt das Gespräch mit den Worten: „Ich hab Mist gebaut.“ und erzählt V jedes Detail von der begangenen Tat. In der Hauptverhandlung sagt ein vom Gericht geladener Zeuge zur Überraschung des V falsch aus und verschafft dem T ein Alibi. Das Gericht gibt zu erkennen, dass es seine Zweifel an der Schuld des T nicht überwinden kann.
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Einordnung des Falls
Verteidiger 1 – Wahrheits-, Fürsprache- und Verschwiegenheitspflicht
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V muss im Strafverfahren die Wahrheit sagen.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. V muss wegen seiner Wahrheitspflicht in der Hauptverhandlung eine Verurteilung des T beantragen.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. V muss in der Hauptverhandlung nicht von sich aus den wahren Sachverhalt vortragen.
Ja, in der Tat!
4. V muss intervenieren, wenn der Zeuge T ein falsches Alibi verschafft.
Nein!
5. V dürfte selbst keinen Zeugen benennen, von dem er weiß, dass er dem Angeklagten ein falsches Alibi verschaffen wird.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
gelöscht
10.6.2021, 01:19:16
Ich hab zur Wahrheitspflicht ne Gedanke. Abgesehen von theoretisches Wissen. Wie prüft dann das Gericht, ob V gegen der Wahrheitspflicht verstoßen hätte? Was wenn sich Verteidiger mit Angeklagten (und Zeugen) darauf einigen würden, dass sie gemeinsam Beweisen oder Aussagen verfälschen würden und niemand von Gerichtsumgebung dies bemerken würde? Oder V würde sagen, er hätte gar nichts darüber gewusst? Also konkret: woraus besteht (in der Praxis)die Kontrolle, ob V seine Pflichten nachgeht? LG
Der BGBoss
10.6.2021, 07:56:27
Eine Verletzung der Wahrheitspflicht ist unter den von dir beschriebenen klandestinen Umständen natürlich schwierig zu erkennen. Jedoch hat m.E. Die Wahrheit kommt immer ans Licht einen vielleicht nicht ganz so apodiktischen aber trotzdem wahren Kern. Was wäre, wenn im vorliegenden Fall, Kenntnis des V von der Lüge vorab unterstellt, der Zeuge seine Lüge enttarnt. Hier ist es ähnlich wie bei den Aussagedelikten. Ermittlungen können dann aufgenommen werden, wenn etwas evident nicht zusammenpasst. Als Beispiel aus der Realität kann ich dich z.B. auf den Prozess wegen des Mordes an Walter Lübcke. Hier hat der Angeklgate Stephan E. Im Januar 2020 plötzlich völlig anders ausgesagt, als in allen anderen Verhören. Später im Prozess hat er hierzu gesagt, dass sein Anwalt auf die neue Geschichte hingewirkt hat. Hier wurde mW. zumindest wegen einer Verletzung der Wahrheitspflicht ermittelt.
Isabell
10.6.2021, 08:03:46
Ich kann aus eigener Erfahrung von meinem Sitzungsdienst vorm
Strafrichtersagen, dass sich die allermeisten Leute verraten. Entweder sie verplapplern sich oder benehmen sich sonst bei ihrer Aussage seltsam. Ich hatte auch mal eine Verhandlung, da wurde so eine schräge Geschichte erzählt, dass die Richterin im Folgetermin eine riesige Beweisaufnahme gemacht hat, obwohl es eigentlich um nichts Besonderes ging. Ende vom Lied: Schuldspruch und Ermittlungsverfahren gegen den Anwalt. Der darf nämlich auch nicht lügen oder irgendwen dazu anstiften.
Theo
18.3.2023, 14:49:50
Würde sich der Verteidiger bei Benennung eines lügenden Zeugen (was der Verteidiger auch weiß) einer Strafvereitelung strafbar machen?
Nora Mommsen
20.3.2023, 14:17:17
Hallo Theo, Danke für deine Frage, wie bereits dargestellt kommt es darauf an ob die Verteidigungshandlung die Grenzen des prozessual zulässigen überschreitet, mithin rechtsmissbräuchlich ist. Rechtsmissbräuchlich und damit als taugliche Tathandlug anzusehen ist deshalb beispielsweise, wenn der Verteidiger zur Verhinderung oder zur Erschwerung der Wahrheitserforschung (etwa mittels Vereitelung einer Beschlagnahme) wider besseres Wissen unzutreffende Sachverhalte vorträgt, als Verteidiger wider besseres Wissen zur Zerstörung der Glaubwürdigkeit einer Aussageperson (zumal unter Beifügung einer vorgefertigten schriftlichen Aussage Meineidzeugen zu benennen oder im Entschluss zur Falschaussage zu bestärken. Die Präsentation eines zum Meineid entschlossenen Zeugen ist mithin eine taugliche Handlung.Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team