Zivilrecht

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)

Die echte GoA – Sonderfälle

Fremdheit des Geschäfts – Auch-fremdes Geschäft - Selbsthilfeaufwendung I

Fremdheit des Geschäfts – Auch-fremdes Geschäft - Selbsthilfeaufwendung I

13. Juni 2025

22 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

A stellt sein Fahrzeug unbefugt auf den Privatparkplatz des S. Damit versperrt er die Einfahrt zum Grundstück des S. S lässt das Fahrzeug kostenpflichtig abschleppen. Die Abschleppkosten sind ortsüblich.

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Einordnung des Falls

Fremdheit des Geschäfts – Auch-fremdes Geschäft - Selbsthilfeaufwendung I

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S kann von A Ersatz für die Abschleppkosten verlangen, wenn er einen Anspruch auf Aufwendungsersatz nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB hat.

Ja, in der Tat!

Voraussetzung für einen Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB ist, dass S (1) ein fremdes Geschäft (2) mit Fremdgeschäftsführungswillen, (3) ohne Auftrag oder einer sonstigen Berechtigung geführt hat und die (4) Geschäftsführung berechtigt war.
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2. Indem S das Fahrzeug abschleppen ließ, hat er „ein Geschäft besorgt“ (§ 677 BGB).

Ja!

Geschäftsbesorgung ist wie im Auftragsrecht (§ 662 BGB) weit zu verstehen und umfasst jede tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Tätigkeit, auch von kurzer Dauer. Die Beauftragung eines Abschleppunternehmens ein Fahrzeug abschleppen zu lassen, ist eine tatsächliche Tätigkeit. S hat ein Geschäft besorgt.

3. Hat S, indem er das Fahrzeug des A abschleppen ließ, ein objektiv fremdes Geschäft besorgt, sodass der Fremdgeschäftsführungswille vermutet wird?

Nein, das ist nicht der Fall!

Unter objektiv fremde Geschäfte fallen Tätigkeiten, die schon ihrem äußeren Erscheinungsbild nach in einen anderen Rechts- und Interessenkreis fallen.. Hier lag das Abschleppen des Fahrzeugs auch im Interesse des S, da er nur so auf sein Grundstück gelangen konnte.

4. Hat S, als er das Auto des A abschleppen ließ, ein auch- fremdes Geschäft besorgt, sodass der Fremdgeschäftsführungswille vermutet wird (BGH)?

Ja, in der Tat!

Unter auch-fremde Geschäfte fallen Tätigkeiten, die ihrer äußeren Erscheinung nach nicht nur in den Interessenkreis des Geschäftsführers fallen, sondern auch einem Dritten zugute kommen (Handeln im Doppelinteresse). BGH: das Abschleppenlassen ist auch im Interesse des Falschparkers, da er von seiner Pflicht zur Entfernung des Autos nach § 862 Abs. 1 BGB befreit wird. Durch das unbefugte Abstellen eines Fahrzeugs auf einem Privatgrundstück, begeht A nämlich verbotene Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB). S hat somit ein auch-fremdes Geschäft besorgt, sodass der Fremdgeschäftsführungswille nach Ansicht des BGH vermutet wird.

5. Das Abschleppen des Fahrzeugs entsprach dem Interesse und dem wirklichen Willen des A (§ 683 S. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Das Abschleppen entsprach dem Interesse des A. Sein wirklicher Wille ist jedoch nicht feststellbar. Die Übernahme einer Geschäftsführung liegt im Interesse des Geschäftsherrn, wenn sie ihm objektiv vorteilhaft und nützlich ist. BGH: Durch das Abschleppenlassen des Fahrzeug werde der Falschparkers von seiner Beseitigungspflicht nach § 862 BGB befreit. Dies sei für ihn grundsätzlich vorteilhaft und damit in seinem Interesse. Da der Grundstücksbesitzer von dem Falschparker die sofortige Beseitigung der Störung verlangen und den Anspruch auch im Wege der Selbsthilfe durchsetzen kann, konnte S das Fahrzeug abschleppen lassen, ohne abzuwarten, dass A das Fahrzeug selbst entfernt. Der wirkliche Wille des A lässt sich hier nicht feststellen. A hat ihn weder ausdrücklich, noch konkludent geäußert.

6. Das Abschleppen des Fahrzeugs entsprach aber dem Interesse und dem mutmaßlichen Willen des A (§ 683 S. 1 BGB).

Ja!

Da der wirkliche Wille des A nicht festzustellen ist, kommt es entscheidend auf seinen mutmaßlichen Willen an. Das ist derjenige Wille, den der Geschäftsherr bei objektiver Beurteilung aller Umstände im Zeitpunkt der Übernahme geäußert haben würde. Oft wird der mutmaßlicher Wille durch das objektive Interesse des Geschäftsherrn indiziert. Doch sind die Gewohnheiten des Geschäftsherrn auch dann zu berücksichtigen, wenn sie interessewidrig sind. BGH: Da die Entfernung des Fahrzeuges im objektiven Interesse der Beklagten lag, entspreche dies auch dem mutmaßlichem Willen des A.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

TRUD

Trude

23.11.2020, 11:31:59

Ich kenne es aus dem Studium so, dass es nicht dem mutmaßlichen Willen des Abgeschleppten entspricht. Denn er hat kein Willen am Abschleppen, für ihn wird es nur teuer. Der Wille wurde nur dann bejaht, wenn die sonst entstehenden Kosten höher wäre als die des Abschleppens. Interesse in diesem Fall also (+) und mutmaßlicher Wille (-)

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

24.11.2020, 18:20:08

Hallo Trude, das lässt sich hören, wird auch vertreten, (vgl. nur die Anmerkung von Prof. Stephan Lorenz zu der BGH Entscheidung http://lorenz.userweb.mwn.de/urteile/vzr102_15.htm): "Interessant ist, dass der Senat den mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn schlicht aus dem Interesse folgert, besser: diesen vermutet. Das entspricht zwar als solches der ganz hM, es stellt sich aber doch die Frage, ob man wirklich einem

Fahrzeug

halter unterstellen kann, dass er (mutmaßlich) will, dass sein Kfz abgeschleppt wird. Der BGH stellt hier pauschal auf den Willen eines "rechtstreuen" Halters ab. Wenn das mal nicht eher eine Fiktion ist ...."

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

24.11.2020, 23:55:57

Haben es jetzt auch nochmal in die Fundstellen aufgenommen!

Simon

Simon

6.5.2022, 13:33:34

Angenommen man würde die Berechtigung der GoA hier ablehnen: Könnte man einen Ersatz der Abschleppkosten aus § 823 I BGB bejahen? Rechtsgutverletzung (Beeinträchtigung des berechtigten Besitzes und Eigentums des B) durch kausale Handlung des A (+);

Rechtswidrigkeit

nach der

Lehre vom Erfolgsunrecht

indiziert. Zudem handelte A

vorsätzlich

, da er wohl wusste, dort nicht parken zu dürfen. Beim Schaden wird es mE etwas problematisch. Dieser ist prinzipiell ja in der Besitzbeeinträchtigung zu sehen; das Abschleppen diente also nur der Schadensbeseitigung. Aufgrund des § 859 I BGB ist es B aber gestattet, selbst tätig werden, sodass man auch die Abschleppkosten noch als

adäquat kausal

en Schaden der Besitzstörung ansehen könnte.

Simon

Simon

6.5.2022, 13:35:31

* B muss in meiner Frage natürlich S heißen :)

Edward Hopper

Edward Hopper

17.6.2022, 21:46:50

Ja Simon bei der unberechtigten Goa sind die 823 nicht gesperrt das heißt ganz normal anwendbar da du hier eine Besitzstörung hast wie Du richtig festgestellt hast ist das hier einfach der Schaden der dadurch entsteht dass man den ursprünglichen Zustand wieder herstellt, also abschlrppkosten

Sambajamba10

Sambajamba10

10.5.2024, 19:11:10

Zunächst wäre noch die

unberechtigte GoA

abzulehnen, da man annehmen kann, dass der Besitzstörer keinen Vermögenswerten Vorteil durch das Abschleppen erlangt hat. Dann wäre auf § 823 I abzustellen. Hier ist aber weniger der Schaden das Problem (Schaden sind die aufgewendeten Abschleppkosten), sondern, wie du schon etwas anklingen lassen hast, die

Haftungsausfüllende Kausalität

. Hier ist zu fragen, ob der

Schutzzweckzusammenhang

gegeben ist. Dann kann man mit deinen Erwägungen sehr gut vertreten, dass sich der Eigentümer o. berechtigter Besitzer herausgefordert fühlen durfte. Anschließend kann auch ein Anspruch aus

§ 823 II

iVm § 858 angenommen werden

Falsus Prokuristor

Falsus Prokuristor

1.6.2024, 17:55:22

Hinsichtlich der Haftung ausfüllen Kausalität im Rahmen eines Anspruchs aus § 823 I Ist sicher auch eine

psychisch vermittelte Kausalität

sehr gut vertretbar. Der Anspruchsteller durfte sich zur Vorname seiner Handlung herausgefordert fühlen. Problematischer halte ich eher bereits die Rechtsgutsverletzung, da der BGH für die Beeinträchtigung des Gebrauches eine gewisse Erheblichkeit fordert, auch in zeitlicher Hinsicht. Zeitlich könnte dies je nach Sachverhalt schon schwierig sein. Bei einem einzigen und zwingend notwendigen Parkplatz könnte die völlige Aufhebung der Nutzbarkeit durch das Blockieren aber auch erheblich sein. Wenn aber auch andere Parkplätze zur Verfügung stehen oder nur eine Einfahrt blockiert ist, ist das für kurze Zeit eher unerheblich. Im Fall der für eine ganze Nacht vom Strom abgeschnittenen Druckerei, in der die Produktion vollständig zum Erliegen gekommen ist, wurde der Eingriff ins Eigentum zum Beispiel verneint. Die Rechtsprechung ist hinsichtlich Erheblichkeit leider ziemlich inkonsistent.

Vica

Vica

15.2.2021, 19:49:47

Also ich hätte es bejaht, dass es sich um ein objektives fremdes Geschäft handelt. Es war klar erkennbar, dass S ein fremdes Auto abschleppen ließ und nicht sein eigenes. Das subjektive fremde Geschäft muss der Wille positiv festgestellt sein, was hier nicht der Fall war. Entweder bin ich dumm oder ahnungslos. 😂

Speetzchen

Speetzchen

15.2.2021, 21:29:05

Hey ! Es liegt hier doch kein subjektives fremdes Geschäft vor, sondern ein

auch fremdes Geschäft

. Der Abschleppvorgang lag im Interesse des A und des S. Steht alles in der Antwort von der dritten Frage ;)

Blan

Blan

8.9.2023, 06:46:43

Das ganze könnte sich doch auch über den §

679 BGB

argumentieren lassen, soweit es sich um einen öffentlichen Parkplatz handeln würde - oder?

LELEE

Leo Lee

8.9.2023, 11:34:17

Hallo Blan, in der Tat könnte man auch hier den

§ 679 BGB

Andenken. Beachte jedoch, dass diese Norm im Wortlaut voraussetzt, dass ein entgegenstehender Wille vorhanden sein muss. Hier lässt sich ein solcher nicht feststellen. Wenn im Sachverhalt stünde, dass A dem S ggü. von vornherein geschildert hat, dass er keineswegs sein Auto abgeschleppt sehen möchte, dann wäre hier

§ 679 BGB

tatsächlich einschlägig. Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, F. Schäfer § 679 Rn. 1 empfehlen :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

MAG

Magnum

20.11.2024, 10:21:52

Wenn ich die vorherigen Aufgaben richtig verstanden habe, verlangt die hL, dass der

Fremdgeschäftsführungswille

n beim auch fremden Geschäft positiv festgestellt werden muss. Das dürfte ja bei solchen Abschleppfällen idR. schwer fallen, da der GF vor allem seinen Parkplatz wieder frei machen möchte. Ist es vertretbar es daran hier scheitern zu lassen oder wie löst die Literatur das?

NC

nondum conceptus

23.4.2025, 15:15:23

Das frage ich mich auch die ganze Zeit. Und wenn man dem BGH folgt, dann ist der FGFW doch trotzdem widerlegbar

BAP

Bastian P.

26.11.2024, 18:43:31

Guten Tag, das mag vielleicht eine dumme Frage sein, aber könnte das Abschleppen des

Fahrzeug

s nicht selbst

verbotene Eigenmacht

darstellen, wodurch sich Ansprüche des A ergeben könnten? bspw aus §§ 859, 861, 862? oder stellt die GoA eine Art „Rechtfertigung“ dar, wodurch die für die

verbotene Eigenmacht

notwendige Widerrechtlichkeit entfällt. Danke im voraus🙋🏼‍♂️

NI

Niro95

7.4.2025, 21:30:04

Hätte er nicht auch einen Anspruch aus 989, 990, oder stehe ich auf dem Schlauch?

PK

P K

8.4.2025, 11:49:34

Hat sich der Parkplatz, wie §

989 BGB

das fordert, "verschlechtert" oder ist er "untergegangen" oder kann "aus einem anderen Grund nicht herausgegeben werden""?

NI

Niro95

8.4.2025, 11:50:46

In der Tat, das wird es sein, warum 989, 990 nicht klappt. Danke!

MARC

Marc

27.5.2025, 10:23:20

Im Hinblick auf den Willen des GH: Dieser kann ja audrücklich oder

konkludent

geäußert werden. Beinhaltet nicht schon die Tatsache, dass der GH an dieser Stelle geparkt hat, die

konkludent

e Äußerung, dass das

Fahrzeug

da auch stehen bleiben soll? Ich denke, man kann annehmen, dass der GH das

Fahrzeug

bewusst dort abgestellt hat. Nun einen Willen bzgl. der Abschleppung zu fingieren klingt für mich ziemlich absurd... Ist nicht vielleicht eine Analogie über § 679 oder § 242 etc. möglich?

Nadim Sarfraz

Nadim Sarfraz

30.5.2025, 12:13:55

Lieber @[Marc](260401), danke für Deine Nachfrage. :) Ich halte es für etwas schwierig, in dem Parkvorgang selbst, der den Inbegriff eines

Realakt

s darstellt, einen

konkludent

en Willen hineinzuinterpretieren - vielmehr liegt gerade keine Willensäußerung vor, weshalb man auf den objektivierten, mutmaßlichen Willen abstellt (was nicht bedeutet, dass man einen Willen "fingiert", sondern einen hypothetischen Willen untersucht und diesen der Subsumtion zu Grunde legt). Bei der Ermittlung dieses hypothetischen Willens ließe sich dann tatsächlich mit Deinen Argumenten auch in die Richtung argumentieren, dass der Geschäftsherr aufgrund der zuvor bewusst getroffenen Entscheidung, das Auto gerade dort zu parken, mit dem Abschleppvorgang nichteinverstanden wäre. Dann könnte man - wie Du richtig andeutest - den Weg über

§ 679 BGB

gehen, der den entgegenstehenden Willen unbeachtlich werden lässt, wenn die Geschäftsführung im öffentlichen Interesse liegt. Das weicht dann zwar von der Linie des BGH ab, Du hättest aber Prof. Lorenz auf Deiner Seite ;) (NJW 2009, 1025, 1027). Liebe Grüße, Nadim für das Jurafuchs-Team


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