Jungbullenfall
9. Mai 2023
13 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
D stiehlt dem Bauern K zwei Jungbullen und veräußert diese für €1000 an den gutgläubigen B. Dies entspricht dem Wert der Bullen. B schlachtet die Tiere und verarbeitet das Fleisch zu Wurst im Wert von €2000. Welche Ansprüche hat K gegen B?
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Einordnung des Falls
Der Jungbullen-Fall ist seit der Entscheidung des BGH im Jahr 1971 ein absoluter Klausur- und Examensklassiker, der jedem bekannt sein muss. Ein Dieb stiehlt einem Bauern zwei Jungbullen und verkauft sie an einen gutgläubigen Fleischfabrikanten, der die Jungbullen zu Dosenfleisch verarbeitet. Der Bauer will nun gegen den Fleischfabrikanten Ansprüche geltend machen. Die Entscheidung befasst sich zentral mit Rechtsproblemen des Sachenrechts und des Bereicherungsrechts. Insbesondere geht es um den sogenannten Vorrang der Leistungsbeziehungen im Rahmen der Kondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 BGB).
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 14 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K könnte gegen B ein Schadensersatzanspruch aus §§ 989, 990 Abs. 1 BGB zustehen.
Ja, in der Tat!
2. Lag zwischen K und B eine Vindikationslage zur Zeit des schädigenden Ereignisses vor?
Ja!
3. Liegen die übrigen Voraussetzungen des Anspruchs aus §§ 989, 990 Abs. 1 BGB vor?
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Sind neben den EBV-Ansprüchen Schadensersatzansprüche aus §§ 823ff. BGB anwendbar?
Nein, das trifft nicht zu!
5. Könnte K ein Wertersatzanspruch gegen B zustehen (§§ 951 Abs. 1 S. 1, 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, 818 Abs. 2 BGB)?
Ja!
6. Ist dieser Wertersatzanspruch trotz der Sperrwirkung des EBV (§ 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB) anwendbar?
Genau, so ist das!
7. Hat K das Eigentum an den Bullen durch Verarbeitung des B verloren (§ 950 BGB)?
Ja, in der Tat!
8. Handelt es sich bei § 951 Abs. 1 S. 1 BGB nur um einen Rechtsfolgenverweis auf das Bereicherungsrecht?
Nein!
9. Müssten für einen Wertersatzanspruch daher zusätzlich die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB vorliegen?
Genau, so ist das!
10. Hat B das Eigentum an der Wurst in sonstiger Weise erlangt?
Ja, in der Tat!
11. Hat B die Bullen auch auf Kosten des K verwertet?
Ja!
12. Bestand für den Eigentumserwerb des B ein Rechtsgrund?
Nein, das ist nicht der Fall!
13. Kann K von B Wertersatz verlangen?
Ja, in der Tat!
14. Kann B sich gegenüber K im Rahmen der Entreicherung auf die an D gezahlten €1.000 berufen (§ 818 Abs. 3 BGB)?
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
DominickKantor
16.2.2023, 17:46:38
Interessant wäre in diesem Fall die Behandlung einer Abhandlung, in der Ansprüche gegen den Dieb geprüft werden können. Macht dieser einen Gewinn mit dem Verkauf an den Fabrikanten, wäre die
Erlösherausgabenach
§ 816Abs. 1 S. 1 und die Wirkung einer nachträglichen Genehmigung der Verfügung nach § 185 Abs. 2 gut zu erklären.

Lukas_Mengestu
17.2.2023, 10:23:41
Hallo Dominick, in die
examensrelevante Rechtsprechunghaben wir nur den Ausgangsfall aufgenommen. Da der Dieb häufig nicht mehr auffindbar ist, sind die Ansprüche gegen ihn in der Praxis regelmäßig wertlos. Die entsprechende Abwandlung mit Ansprüchen gegen den Dieb findest Du aber bereits jetzt in unserem systematischen Kurs zum Sachenrecht: https://applink.jurafuchs.de/Sdm9iwnluxb Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team

kaan00
16.1.2024, 14:45:21
Kann man bei der Web Anwendung keine Links anklicken, oder liegt das an mir? =)

CR7
16.8.2024, 21:40:48
@[kaan00](224294) also bei mir funktioniert es :)

Nocebo
24.7.2024, 18:39:48
Ich denke es wäre didaktisch sinnvoll, hier noch etwas genauer zu der vorliegenden Ausnahme vom Vorrang der Leistungsbeziehung auszuführen :) Das wäre in der Klausurbearbeitung sicher etwas, worauf ein Schwerpunkt durch die Korrektoren gelegt werden würde. Ein Argument ist es zu sagen, dass der Dieb schon gar kein Eigentum verschaffen konnte und dsbzgl. deshalb gar keine Leistung vorliegt. Anders beim Besitz. Ein anderes ist, dass aus Wertungsgesichtspunkten eine Ausnahme vorliegt.
Erik_1995
23.5.2025, 00:48:05
Schade, dass nach knapp einem Jahr eine solch wichtiger Hinweis unbeantwortet bleibt. Der Falllösung fehlt es an der Stelle wirklich an examensgerechter Tiefe.
Mandy
12.6.2025, 12:46:07
Hallöchen, also mittlerweile steht doch in den Antworten, dass der B lediglich den Besitz durch Leistung des D erlangt hat, nicht aber das Eigentum. Und es wird auch entsprechend darauf hingewiesen, dass es dabei nicht auf die Sicht des B ankommt, der ja schließlich denkt, er habe Eigentum an den Jungbulllen durch Leistung des D erlangt. Auf den Empfänger kommt es ja nur bei Dreipersonenverhältnissen, also bei den
Anweisungsfällen an, soweit ich weiß. Inwiefern könnten noch weitere Vertiefung hinzugefügt werden? Die würde ich gerne dann auch mit ein eine Lösung einbauen können 😊
okalinkk
16.3.2025, 20:59:43
nur zum Verstaendnis: der
Kaufvertragist kein Rechtsgrund, weil er nur relativ zwischen B und D wirkt?
okalinkk
16.3.2025, 20:59:43
Meisterr
28.3.2025, 09:52:22
Ich würde vielleicht die Bezeichnungen von K und B ändern, in der Konzentration ist es deutlich einfacher sich den Bauern als B zu merken und den Käufer als K, anstatt andersherum :)

ollewah
14.4.2025, 16:42:40
Warum kommt es hier (im Gegensatz zum Fall mit der aus geklauten Steinen erbauten Mauer) lediglich zum Ausgleich des Wertverlustes in Höhe von 1.000 €, anstatt der Herausgabe der 2.000 €? Allein aufgrund der Gutgläubigkeit des Verarbeitenden? Danke und VG
LennyBocek
11.6.2025, 16:17:23
Da es in der Falllösung leider unbeantwortet bleibt hier einmal der Grund dafür, warum im
Jungbullenfallder Vorrang der Leistungsbeziehung nicht anzuwenden (aber in jedem Fall anzusprechen!) ist: Würde die Leistungsbeziehung zwischen dem Dieb (D) und dem Empfänger (B) vorrangig sein, würden die Wertungen des § 935 I 1 i.R.d. gesetzlichen Eigentumserwerbes der §§ 946 ff- BGB umgangen, wonach B rechtsegschäftlich kein Eigentum hätte erwerben können. Mithin ist eine Wertungskorrektur im Falle des nicht möglichen
rechtsgeschäftlichen Erwerbes nach § 935 I 1 (und auch § 932 II) notwendig. Daher ist in den Fällen der §§ 932 II und 935 I 1 BGB die
Nichtleistungskondiktionnicht subsidiär (bzw die
Leistungskondiktionnicht vorrangig).