Verzugseintritt beim gegenseitigen Vetrag

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Klassisches Klausurproblem

K kauft am 6.12 von V einen Glühweintopf, der am selben Tag geliefert werden soll. Als V den Topf vorbeibringt, kann K nicht zahlen. V nimmt die Maschine wieder mit. K entgehen an dem Tag €800 Einnahmen.

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Einordnung des Falls

Verzugseintritt beim gegenseitigen Vetrag

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K könnte gegen V einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung haben (§§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB).

Ja, in der Tat!

Ein Schadensersatzanspruch wegen verzögerter Leistung (§§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB) besteht, sofern (1) ein Schuldverhältnis vorliegt, (2) der Schuldner sich im Schuldnerverzug befindet (§ 286 BGB) und (3) ein Schaden des Gläubigers besteht.
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2. Zwischen K und V besteht ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis in Form eines Kaufvertrages (§ 433 BGB).

Ja!

Zur Begründung eines rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisses ist grundsätzlich ein Vertrag zwischen den Beteiligten notwendig (§ 311 Abs. 1 BGB). K und V haben einen Kaufvertrag über den Glühweintopf geschlossen (§ 433 BGB).

3. V müsste sich im Schuldnerverzug befinden.

Genau, so ist das!

Schadensersatz wegen verzögerter Leistung setzt Schuldnerverzug voraus (§ 280 Abs. 2 BGB). Der Schuldner gerät in Verzug, wenn er zu einem Zeitpunkt nicht erfüllt, in dem (a) die Forderung wirksam, durchsetzbar und fällig ist, (b)angemahnt (sofern eine Mahnung nicht entbehrlich ist (§ 286 Abs. 2 BGB)) und (c)noch möglich (nachholbar) ist und (d)er die Verzögerung zu vertreten hat (§ 286 Abs. 4 BGB). Bei einer Entgeltforderung tritt der Verzug zudem auch ohne Mahnung spätestens 30 Tage nach Rechnungsstellung ein (§ 286 Abs. 3 BGB)

4. Ks Forderung war fällig und wirksam.

Ja, in der Tat!

Ks Kaufvertrag mit V ist wirksam und begründet einen Anspruch auf Lieferung des Glühweintopfes (§ 433 Abs. 1 BGB). Als Leistungszeit war derselbe Tag (06.12) vereinbart, somit war die Forderung auch fällig.

5. Der Schuldnerverzug ist grundsätzlich ausgeschlossen, solange die Forderung des Gläubigers mit einer Einrede behaftet ist.

Ja!

Der Schuldner einer einredebehafteten Forderung kommt nicht grundsätzlich nicht in Verzug, weil und solange die Einrede als Gegenrecht die Durchsetzung des Anspruchs dauernd oder vorübergehend hindert und dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht zubilligt.

6. V ist verpflichtet, K den Glühweintopf auch ohne Zahlung des Kaufpreises zu übergeben und übereignen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Wer aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei denn, dass er vorzuleisten verpflichtet ist (§ 320 Abs. 1 BGB).Vs Pflicht zur Lieferung und Übereignung (§ 433 Abs. 1 BGB) des Topfes und Ks Pflicht zur Zahlung des Kaufpreises (§ 433 Abs. 2 BGB) stehen in einem unmittelbaren Gegenseitigkeitsverhältnis (Synallagma). V ist also nur verpflichtet, den Topf Zug-um-Zug gegen Erhalt des Kaufpreises an K zu übereignen.

7. Da V ein Zurückbehaltungsrecht (§ 320 Abs. 1 BGB) zustand, konnte er nicht in Schuldnerverzug geraten.

Ja, in der Tat!

Bei der Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 Abs. 1 BGB) genügt das bloße Bestehen der Einrede, um den Eintritt des Verzuges zu verhindern (anders als bei § 273 Abs. 1 BGB). Da K die Zahlung des Kaufpreises nicht anbieten konnte, steht ihrer Forderung die Einrede des nicht erfüllten Vertrages entgegen.

8. K kann den entgangenen Gewinn als Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung fordern (§§ 280 Abs. 1, 2, 286).

Nein!

Ein Schadensersatzanspruch wegen verzögerter Leistung (§§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB) besteht, sofern (1) ein Schuldverhältnis vorliegt, (2) der Schuldner sich im Schuldnerverzug befindet (§ 286 BGB) und (3) ein Schaden des Gläubigers besteht.Aufgrund der Einrede des nicht erfüllten Vertrages liegen die Voraussetzungen des Schuldnerverzuges nicht vor. K steht somit kein Schadensersatzanspruch zu.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

QUIG

QuiGonTim

26.7.2022, 00:11:16

Inwiefern unterscheidet sich dieser Fall vom vorangegangenen? Dort wurde § 320 Abs. 1 S. 1 BGB nicht geprüft.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

27.7.2022, 16:00:03

Hi QuiGonTim, vielen Dank für die Frage. Im vorliegenden Beispiel geht es um die unmittelbar miteinander verknüpften gegenseitigen (=synallagmatischen) Leistungen. Kaufpreis für den Glühweintopf vs. Übergabe und

Übereignung

des Topfes. Deswegen ist hier § 320 BGB einschlägig. Im vorangegangenen Beispiel geht es dagegen nicht um den Kaufpreis für den aktuell bestellten Habersack, sondern noch um Forderungen aus vorangegangen Geschäften, die nicht direkt im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Übergabe und

Übereignung

des Habersacks stehen (auch wenn es sich dabei auch um Kaufpreisforderungen handelt). Da es sich aber aufgrund der laufenden Geschäftsbeziehung zumindest um konnexe Forderungen handelt, kam hier ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB in Betracht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

QUIG

QuiGonTim

26.7.2022, 00:11:48

Übrigens: Mal wieder eine coole Illustration. :)

Juramaus

Juramaus

10.5.2023, 12:57:32

Wird aber nicht bei der Einrede nach § 320 vorausgesetzt, dass die Leistung wenigstens Angeboten wird?

Carl Wagner

Carl Wagner

10.5.2023, 23:20:44

Vielen Dank für deine Frage, Juramaus! (1) Beim Schuldnerverzug (§ 286 BGB) reicht nach BGH-Rechtsprechung bereits das Bestehen der Einrede aus. Es kommt nicht darauf an, dass sie tatsächlich erhoben wird. Die bloße Bereitschaft, selbst die Leistung zu erbringen, genügt für § 320 I 1 BGB nicht ("bis zur Bewirkung der Leistung"). (BeckOK BGB/Lorenz, 65. Ed. 1.2.2023, BGB § 286 Rn. 14; MüKoBGB/Ernst, 9. Aufl. 2022, BGB § 286 Rn. 33) (2) Vielleicht meinst du bei § 320 BGB die sog. "eigene Vertragstreue" (MüKoBGB/Emmerich, 9. Aufl. 2022, BGB § 320 Rn. 42). Das gilt dann aber erst für die tatsächliche Erhebung der Einrede und wirkt sich noch nicht aufs Bestehen aus. Viele Grüße - Carl für das Jurafuchs-Team

REUS04

Reus04

23.6.2023, 16:16:10

Könnte hier auch Schadensersatz statt der Leistung gem. §281 BGB in Betracht kommen?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

27.6.2023, 12:40:34

Hallo Reus04, danke für deine Frage. Dies ist hier fernliegend. Es müsste wirklich eine Nichtleistung oder Schlechtleistung vorliegen und das ist hier ja gerade nicht der Fall. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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