Öffentliches Recht
Examensrelevante Rechtsprechung ÖR
VwGO
Einordnung von Bericht in AStA-Zeitung unter öffentliches Recht - Pick-Up-Artists (BGH, Urt. v. 08.11.2022 – VI ZR 65/21)
Einordnung von Bericht in AStA-Zeitung unter öffentliches Recht - Pick-Up-Artists (BGH, Urt. v. 08.11.2022 – VI ZR 65/21)
31. Mai 2025
20 Kommentare
4,7 ★ (35.687 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K ist Student der Universität F. Über ihn bzw. seine Tätigkeit als sog. „Pick-Up-Artist“ wird in einer vom Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) herausgegebenen Zeitschrift in Wort und Bild negativ berichtet. K klagt auf Unterlassung.
Diesen Fall lösen 79,7 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Einordnung von Bericht in AStA-Zeitung unter öffentliches Recht - Pick-Up-Artists (BGH, Urt. v. 08.11.2022 – VI ZR 65/21)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 17 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Für Ks Anspruch wäre der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, wenn es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art handelt (§ 40 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Eine hoheitliche Tätigkeit liegt schon deshalb nicht vor, weil die beklagte Studierendenschaft (B) bei der Berichterstattung selbst in Ausübung ihrer grundrechtlichen Freiheit handelte.
Nein!
3. Bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist anerkannt, dass sich die Grenze ihrer Berichterstattung trotz öffentlicher Aufgabenwahrnehmung nach dem Privatrecht bestimmt. Ist die Situation vergleichbar?
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Die Berichterstattung durch den AStA erfolgte somit im Rahmen der Wahrnehmung hoheitlicher Tätigkeit.
Ja, in der Tat!
5. Da die Berichterstattung in Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben erfolgte, ist für Ks Begehren der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch einschlägig.
Ja!
6. Ist der öffentlich-rechtliche Abwehr- und Unterlassungsanspruch gesetzlich normiert?
Nein, das ist nicht der Fall!
7. Materiell-rechtlich könnte K hier der öffentlich-rechtliche Abwehr- und Unterlassungsanspruch zustehen. Setzt dieser Anspruch einen rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht des Betroffenen voraus?
Ja, in der Tat!
8. Die Berichterstattung in der AStA-Zeitschrift stellt einen Grundrechtseingriff im klassischen Sinne dar.
Nein!
9. In den Artikeln werden Ks Dating-Strategien als „Pick-Up-Artist“ als frauenfeindlich und in ihrer belästigenden Art als eine Form von Gewalt bezeichnet. Liegt ein Eingriff in Ks Persönlichkeitsrecht vor?
Genau, so ist das!
10. Der Eingriff wäre aber nicht rechtswidrig, wenn ein rechtfertigender Grund vorliegt.
Ja, in der Tat!
11. Aus der Aufgabe der Studierendenschaft, die politische Bildung der Studierenden zu fördern (§ 84 Abs. 2 Nr. 5 HessHG), folgt eine Befugnis zur Erörterung allgemeiner politischer Fragen.
Nein!
12. Die von den Pick-Up-Artists propagierten Verführungstechniken wurden an der Uni beobachtet. Handelt es sich um hochschulpolitische Fragen, sodass die Artikel nach § 84 Abs. 2 Nr. 5 HessHG gerechtfertigt sind?
Nein, das ist nicht der Fall!
13. Aus § 84 Abs. 2 Nr. 3 HessHG folgt eine Ermächtigung zur Informationstätigkeit im Rahmen der Wahrnehmung der der Studierendenschaft durch diese Norm übertragenen Aufgaben.
Ja, in der Tat!
14. Damit der Eingriff gerechtfertigt ist, muss er zudem verhältnismäßig sein.
Ja!
15. Für die Frage, ob die Berichterstattung angemessen war, ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich.
Genau, so ist das!
16. K hat sich bereits in identifizierbarer Weise in einem ARD-Fernsehbeitrag in einem Interview zu seiner Tätigkeit als Pick-Up Coach geäußert. Ist er somit weniger schutzwürdig?
Ja, in der Tat!
17. War der Eingriff in Ks allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) durch den AStA-Beitrag rechtswidrig?
Nein!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Timurso
23.7.2024, 11:38:06
Wie kann hier eine BGH-Entscheidung zugrunde liegen, aber der Verwaltungsgerichtsweg eröffnet sein? Dann hätte der BGH ja gar nicht entscheiden dürfen.

DDoubleYou
23.7.2024, 11:58:25
Dies wurde im Fall sogar erklärt. Die Zivilgerichte haben den Fall angenommen und wegen § 17a V GVG darf der BGH nicht prüfen, ob der bestrittene Rechtsweg zulässig war. Die Instanzgerichte gingen wahrscheinlich – anders als hier – davon aus, dass keine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorlag.
Aleks_is_Y
23.7.2024, 12:08:46
Was ich tatsächlich sehr beruhigend finde (lol). Interessant, dass solche basalen Fragen auch in der Praxis "falsch" beantwortet werden

CR7
5.8.2024, 14:41:09
Und trotzdem dürfen genau solche Leute uns prüfen und würden schreiben "Grundlagenfehler", zack 3 Punkte, durchgefallen.

Гизтохоп
24.7.2024, 11:27:44
Prüft der BGH das dann ganz normal öffentlich-rechtlich durch, genauso wie es auch das BVerfG machen würde?

Гизтохоп
24.7.2024, 11:31:59
Ich meine natürlich das BVerwG

Nora Mommsen
24.7.2024, 18:26:08
Hallo, der BGH hat hier einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch geprüft. Inhaltlich ist es also dasselbe, was wohl auch das BVerwG geprüft hätte. Wenn du jetzt den Prüfungsaufbau meinst, dann ist es in diesem Urteil tatsächlich geradezu lehrbuchartig. Generell ist es aber so, dass man oft
Prüfungsschematanicht an BGH Urteile anlegen kann. Ein bisschen kann der doch machen was er will... Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Bienenschwarmvereinigung 🐝🐝🐝
29.7.2024, 12:19:58
hey, vielleicht stehe ich gerade auf dem Schlauch, aber würde man eine
vorbeugende Unterlassungsklagegegen den Asta annehmen, wer ist denn der richtige Beklagte, also der Rechtsträger des Asta?
jurafuchsles
14.10.2024, 10:53:47
Vermutlich das Land schätze ich, bin mir aber auch unsicher.

Sebastian Schmitt
17.4.2025, 10:14:37
Hallo @[Bienenschwarm
vereinigung🐝🐝🐝](190386), das ist eine ziemlich spezielle Frage, die tief in die organisatorischen Einzelheiten des Hochschulrechts geht. Das Land dürfte es jedenfalls nicht sein, @[jurafuchsles](108594). Vielmehr sind die Universitäten selbst grds schon Körperschaften des öffentlichen Rechts iSd § 78 I Nr 1 VwGO (§ 58 I 1 HRG), können aber auch anders verfasst sein (§ 58 I 2 HRG). Die entsprechenden Landesgesetze enthalten hierzu teils Abweichungen, zB § 1 I HessHG (wo der unserer Aufgabe zugrunde liegende Fall spielt). Wir müssen aber noch genauer hinschauen, weil die "verfasste Studierendenschaft" oder sogar der Asta selbst in vielen Bundesländern eigene (Teil-)Körperschaften des öffentlichen Rechts sind und als solche verklagt werden könn(t)en. Das geht aber schon sehr in die Details. Sollte es darauf in einer Prüfungsaufgabe wirklich einmal ankommen, würdet Ihr (hoffentlich!) nähere Hinweise bekommen und müsstet das nicht auswendig wissen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Geldhatmanzuhaben
30.8.2024, 14:01:18
Inwiefern würde sich die Rspr. des (ich meine BVerwG) zum staatlichen Informationshandeln (Stichwort: Schluss von Aufgabe auf Befugnis Art. 65 GG) auf vorliegende Konstellation übertragen lassen? Könnte man auch hier von der Aufgabe auf die Befugnis schließen? (
mittelbarer Eingriff, komplexe Regelung)
Leo Lee
1.9.2024, 13:26:54
Hallo
Geldhtmanzuhaben, vielen Dank für diese sehr gute Frage! Zunächst mal: Sehr gute Beobachtung! Wie du völlig zurecht anmerkst, kann man zwar nicht 1:1 alle Erwägungen des 65 GG (schon aufgrund verschiedener systematischer Stellung) übertragen. Allerdings sind die wesentlichen Grundsätze gleich, und zwar insofern, als die "wirtschaftlichen und sozialen Belange" - die zu einer Informationstätigkeit ermächtigen - etwa mit der Befugnis des Innenministers, über gesundheitsschädlichen Glykolwein zu informieren, deckungsgleich sind. Insofern kann man in der Tat sagen, dass auch hier der "Schluss von Aufgabe auf Befugnis" wie bei 65 GG gegeben ist :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Aleton
29.5.2025, 23:45:48
Also hab ich es so richtig verstanden.... wenn es informationshandeln geht dann gilt grds. dass die Behörde/Verwaltungsträger sich nur im Rahmen ihrer zugeteilten Aufgaben zu einem Thema äußern dürfen. Wenn die Aussage über das hinausgeht was eigentlich von ihrer Aufgabe umfasst ist, dann dürfen diese im Rahmen des Neutralitätsgebots nur neutrale Aussagen treffen. Hab ich das so richtig verstanden?