Beschädigung eines Autos durch Luft-Ablassen der Reifen?


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T will sich bei P rächen. Er will sich aber nicht strafbar machen wegen Sachbeschädigung. Statt dem P die Reifen aufzustechen, öffnet T stattdessen die Ventile und lässt die Luft ab.

Einordnung des Falls

Beschädigung eines Autos durch Luft-Ablassen der Reifen?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Nach § 303 Abs. 1 StGB ist es strafbar, wenn man eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, es sei denn man ist dazu berechtigt (z.B. als Eigentümer der Sache).

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Genau, so ist das!

Richtig! Im Strafgesetzbuch steht: "Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." (§ 303 Abs. 1 StGB).

2. Indem T die Luft aus den Autoreifen gelassen hat, hat er das Auto des P "beschädigt" (§ 303 Abs. 1 StGB).

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Ja, in der Tat!

Was man unter dem Begriff "beschädigen" genau versteht, steht nicht im Gesetz. Die Gerichte haben in zahlreichen Entscheidungen aber eine Definition entwickelt: Beschädigen ist jede Einwirkung auf eine Sache, durch die ihre stoffliche Unversehrtheit nicht unerheblich verletzt (Substanzverletzung) oder ihre bestimmungsgemäße Brauchbarkeit nicht unerheblich beeinträchtigt wird (Brauchbarkeitsminderung). T hat die Brauchbarkeit des Autos erheblich gemindert. Ohne Luft in den Reifen ist das Auto nicht fahrtüchtig. Die Reifen kann man zwar aufpumpen, aber nicht ohne wesentlichen Zeitaufwand und Mühe.

3. T dachte, das Luft-Ablassen sei nicht strafbar. Er hat deshalb ohne Vorsatz gehandelt.

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Nein!

Sachbeschädigung ist nur strafbar, wenn der Täter mit Vorsatz handelt (§ 15 StGB). Was genau "Vorsatz" bedeutet, steht nicht im Gesetz. Die Gerichte haben aber in zahlreichen Entscheidungen eine Definition entwickelt: Vorsatz ist das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung. T muss gewusst und gewollt haben, dass er das Auto "beschädigt". Er muss dafür nicht die strafrechtliche Definition kennen. Es genügt, wenn er den vom Gesetzgeber unter Strafe gestellten Sachverhalt in seiner sozialen Sinnbedeutung erkennt (sog. Parallelwertung in der Laiensphäre. T wusste, dass er durch das Herauslassen der Luft die Brauchbarkeit des PKW aufhebt. Er kannte die rechtlich-soziale Bedeutung seines Verhaltens.

4. Für eine Sachbeschädigung erhält der Täter eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis maximal zwei Jahre.

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Genau, so ist das!

Richtig! Das ist der im Gesetz (§ 303 Abs. 1 StGB) vorgesehene Strafrahmen für eine materielle Tat.Das OLG Karlsruhe (Beschl. v. 5.9.2005 – 1 Ws 169/05, NStZ-RR 2006, 57) hat z.B. einen Täter für das Zerstechen von Autoreifen in 11 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe (§§ 53 Abs. 1 StGB, 54 Abs. 1 StGB) von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Eine Gesamtstrafe wird verhängt, wenn jemand mehrere selbständige Straftaten begangen hat, die gleichzeitig abgeurteilt werden. Sie wird gebildet, indem die schwerste Einzelstrafe erhöht wird, darf aber nicht die Summe der Einzelstrafen erreichen.

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