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Strafrecht
Beziehung & Familie
Strafbarkeit des sog. Stealthings (heimliches Abstreifen des Kondoms beim Geschlechtsverkehr)
Strafbarkeit des sog. Stealthings (heimliches Abstreifen des Kondoms beim Geschlechtsverkehr)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Als T (38) und O (20) Geschlechtsverkehr haben, streift T sein Kondom heimlich ab („Stealthing“). Dann ejakuliert er in die Vagina der O. Vor dem Geschlechtsverkehr hatte O deutlich und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie keinen Sex ohne Kondom haben wolle.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Strafbarkeit des sog. Stealthings (heimliches Abstreifen des Kondoms beim Geschlechtsverkehr)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Da keine Nötigungshandlung vorliegt, scheidet eine Strafbarkeit nach § 177 Abs. 1 StGB (Sexueller Übergriff) von vorneherein aus.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Da der Geschlechtsverkehr an sich einvernehmlich erfolgte, ist umstritten, ob allein die vom Opfer unbemerkte Missachtung des Kondomwunsches zur Tatbestandserfüllung ausreicht.
Ja!
3. Nach Ansicht des KG Berlin unterfällt das sog. Stealthing jedenfalls dann § 177 Abs. 1 StGB, wenn in den Körper des Opfers ejakuliert wird.
Genau, so ist das!
4. T hat das Regelbeispiel des § 177 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 StGB (Vergewaltigung) verwirklicht.
Ja, in der Tat!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Pilea
3.1.2023, 11:15:31
Danke für das Aufgreifen dieses wichtigen Themas. Zur rechtlich anderen Qualität finde ich wichtig auszuführen, dass sowohl das Risiko einer Schwangerschaft, die mit erheblichen körperlichen, auch bleibenden Schäden, einhergehen kann, als auch das Risiko einer sexuell übertragbaren Krankheit besteht. Oft wird der Vergleich zum heimlichen Absetzen der Pille durch die Frau gezogen. Auch wenn dies mMn ein schlimmes Handeln ist, ist die Qualität der Rechtsgutsverletzung eine gänzlich andere, da das Risiko einer Krankheitsübertragung ohnehin bestand und der Mann nicht selber das "Körperverletzungsrisiko" (unjuristisch gesprochen) einer Schwangerschaft, sondern lediglich das "Unterhaltsrisiko" tragen muss. Eine Frage: wo kommt die Beleidigung, §185 StGB, her?
Lukas_Mengestu
3.1.2023, 11:56:56
Hallo Pilea, vielen Dank für Deine guten Hinweise! Zu deiner Frage: In der Tat stellt nicht jedes Sexualdelikt einen Angriff auf die persönliche
Ehredar. Vielmehr sind maßgebend für das Vorliegen einer
Ehrenkränkung in diesem Bereich die Gesamtumstände des Einzelfalles. Zu berücksichtigen sind ua Alter, Bildungsgrad und Stellung des Täters, etwaige persönliche Beziehungen zwischen den Beteiligten, der Umgangston in den betreffenden Kreisen, die Ortsüblichkeit bestimmter Ausdrücke und das Gewicht, das dem Vorgang beizumessen ist. (MüKoStGB/Regge/Pegel, 4. Aufl. 2021, StGB § 185 RdNr. 17). Insoweit dürfte es vorliegend an entsprechenden Hinweisen im Sachverhalt fehlen, dass tateinheitlich auch eine Beleidigung verwirklicht ist. Auch das KG hat dies im zugrunde liegenden Fall nicht bejaht. Den entsprechenden Passus haben wir deshalb entfernt. Grundsätzlich solltest Du dies aber zumindest gedanklich kurz prüfen, ob dies in Betracht zu ziehen ist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Alfonso_Nitti
2.3.2024, 13:42:44
Liebes Jurafuchs-Team, tolle Aufgabe, wichtiges Thema. Meiner Meinung nach ist die Ansicht des Kammergerichts zu locker. Der Partner hat klar verständlich zum Ausdruck gebracht, er wolle, wenn Geschlechtverkehr, dann mit Verhütungsmittel (hier: in Form eines Kondoms). Wenn der Partner, diese Vereinbarung missachtet, indem er heimlich das Kondom abnimmt, liegen mE die Voraussetzungen des § 177 Abs. 1 StGB mE bereits vor.