+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Im kleinen thüringischen Dorf D gibt es zwei Polizeibeamte: Den Polizeihauptkommissar K und den jungen Polizeimeisteranwärter A. Der zuständige Staatsanwalt S wendet sich an die beiden, um eine Durchsuchung durchführen zu lassen.

Einordnung des Falls

Polizei als Ermittlungsperson der StA

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Staatsanwaltschaft kann der Polizei im Bereich der Strafverfolgung Weisungen erteilen.

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Ja!

Im Rahmen ihrer repressiven Tätigkeit fungiert die Polizei als verlängerter Arm der Staatsanwaltschaft (§ 161 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StPO). Die Polizei ist dabei verpflichtet, nach den Weisungen der Staatsanwaltschaft vorzugehen (§ 161 Abs. 1 S. 2 StPO). Die Staatsanwaltschaft hat die Wahl zwischen zwei Wegen: (1) Sie kann sich mit einem „Ersuchen“ an die Polizeibehörde wenden. Deren Leiter bestimmt dann, welcher Polizeibeamte die Ermittlungstätigkeit vornimmt. (2) Sie kann sich an Polizisten, die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sind, direkt und unmittelbar mit einem „Auftrag“ wenden (§ 152 Abs. 1 GVG).

2. S könnte A direkt beauftragen, die Durchsuchung (§ 105 I StPO) durchzuführen.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Bestimmte Polizeibeamte sind zugleich Ermittlungspersonen der StA. In dieser Eigenschaft (1) haben sie besondere Kompetenzen insbesondere bei der Anordnung von Zwangsmaßnahmen und (2) können sie unmittelbar von der Staatsanwaltschaft beauftragt werden (§ 152 Abs. 1 GVG). Welche Polizeibeamten dies sind, wird in der jeweiligen Landes-VO geregelt (§ 152 Abs. 2 GVG). Um in Thüringen Ermittlungsperson sein zu können, muss der Polizeibeamte mindestens Polizeimeister sein. A ist nur Polizeimeisteranwärter.

3. Bei Gefahr im Verzug könnte K eigenmächtig eine Durchsuchung (§ 105 Abs. 1 StPO) anordnen.

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Ja, in der Tat!

Ermittlungspersonen der StA sind vor allem mit speziellen Anordnungsbefugnissen bei Gefahr im Verzug ausgestattet. Gefahr im Verzug liegt vor, wenn die richterliche Anordnung nicht mehr eingeholt werden kann, ohne dass der Zweck der Maßnahme (regelmäßig die Sicherstellung von Beweismitteln) gefährdet wird. Dies ist nur sehr restriktiv anzunehmen (Grundsatz: Richtervorbehalt). Solche Befugnisse haben Ermittlungspersonen unter anderem bei der Entnahme von Blutproben (§ 81a Abs. 2 StPO), der Anordnung von Beschlagnahmen (§§ 98 Abs. 1, 111j Abs. 1 S. 3 StPO) und Durchsuchungen (§ 105 Abs. 1 StPO). K ist als Polizeihauptkommissar Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft (§ 152 Abs. 1 GVG) und gem. § 105 Abs. 1 StPO im Eilfall anordnungsbefugt.

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LU

LucaN

17.4.2021, 11:20:27

In NRW gibt es aber schon lange keinen mittleren Dienst mehr 😜

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

19.4.2021, 08:52:04

Hallo Luca, erst einmal herzlich willkommen bei Jurafuchs und vielen Dank für deinen klasse Hinweis! Du hast völlig Recht, 2001 war die letzte Einstellungsrunde in den mittleren Dienst bei der Polizei in NRW. Wir haben den Fall deshalb jetzt nach Thüringen verlagert, dort gibt es ihn noch :) Viel Spaß weiterhin mit Jurafuchs! Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

LI

lililaw

4.6.2022, 10:54:02

Wenn man nicht in Thüringen studiert kann man bei der zweiten Frage nur raten. Das ist schade.

ER

Eric

24.11.2022, 12:29:52

@[lililaw ](151652) Selbst mit dem Würfel zu den Landesgesetzen kann man nur raten oder googeln, weil die VO-Ermittlungspersonen der StA im jeweiligen Ergänzungsband zum Landesgesetz stehen. M. E. hätten die drei Seiten hinter der JAPO auch noch Platz gehabt 🤷. Sobald aber PM - PHK (Bereitschaftspolizei) bzw. KM - KHK (Kripo) im Sachverhalt/Aktenstück auftauchen, hast Du Ermittlungspersonen der StA am Start. „Exoten“ gibt es dann noch in der Forst-und Jagdverwaltung, dem Zoll und der Bergverwaltung


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