Zivilrecht

Werkrecht

Gefahrtragungsregeln

Vergütungsgefahr bei Untergang aufgrund des vom Besteller gelieferten Stoffs, Teilvergütung, § 645 I, Höhe der Teilvergütung

Vergütungsgefahr bei Untergang aufgrund des vom Besteller gelieferten Stoffs, Teilvergütung, § 645 I, Höhe der Teilvergütung

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

U soll Bs Boot mit einer wasserfesten Soundanlage aufrüsten. Das Boot sinkt bereits vor der Abnahme, da es mangelhaft abgedichtet ist. Zu diesem Zeitpunkt hatte U bereits 80% der Arbeiten erledigt und spezielle Halterungen bestellt, die noch nicht eingebaut waren und die U nicht mehr gebrauchen kann.

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Einordnung des Falls

Vergütungsgefahr bei Untergang aufgrund des vom Besteller gelieferten Stoffs, Teilvergütung, § 645 I, Höhe der Teilvergütung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. U hat Anspruch auf einen Teil der Vergütung (§ 645 Abs. 1 BGB).

Ja!

Der Werkunternehmer hat Anspruch auf einen Teil der Vergütung, wenn das Werk durch einen Mangel des vom Besteller gelieferten Stoffs oder infolge einer vom Besteller erteilten Anweisung untergeht und der Unternehmer dies nicht zu vertreten hat (§ 645 Abs. 1 S. 1 BGB). Stoff sind dabei alle Sachen, an und mit denen das Werk hergestellt wird. Die Soundanlage ist am Boot zu installieren. Sie ist auch wegen des mangelhaften Boots untergegangen. U hat die mangelhafte Abdichtung des Boots nicht zu vertreten.
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2. Die Höhe der Vergütung bemisst sich dabei nach dem bereits geleisteten Teil der Arbeit und den nicht in der Vergütung inbegriffenen Auslagen (§ 645 Abs. 1 S. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Die Höhe der Vergütung bemisst sich zunächst nach dem bereits geleisteten Teil der Arbeit. Demnach bekommt der Werkunternehmer für den nicht ausgeführten Teil auch keinen Gewinn. Auslagen sind die Kosten, die der Besteller zur Vorbereitung des noch ausstehenden Teils der Werkleistung getätigt hat und nicht anderweitig verwenden kann. Sind diese nicht bereits in der (Teil-)Vergütung inbegriffen, werden die Auslagen zusätzlich ersetzt. Auslagen sind etwa Kosten für beschafftes Material, Maschinen oder Transportkosten; nicht jedoch die Kosten der Entsorgung des untergegangenen Werks.

3. Als Teil der Vergütung erhält U 80% der Vergütung zuzüglich der Kosten für die Halterung.

Ja, in der Tat!

U hat bereits 80% der Arbeit geleistet, entsprechend bekommt er zunächst 80% der Vergütung. Auslagen sind die Kosten, die der Besteller zur Vorbereitung des noch ausstehenden Teils der Werkleistung getätigt hat und nicht anderweitig verwenden kann. U hat spezielle Halterungen für die Anlage bestellt, die er nicht mehr verbauen konnte. Er kann sie auch nicht anderweitig verwenden. Diese Kosten werden als noch nicht in der Vergütung inbegriffene Auslagen hinzugefügt.

4. Ist das Werk unmöglich geworden und der Besteller hierfür verantwortlich, erhält der Unternehmer die volle Vergütung.

Ja!

Ist der Gläubiger (= hier Besteller) für den Umstand, aufgrund dessen der Schuldner (= hier Werkunternehmer) nach § 275 BGB nicht zu leisten braucht, alleine oder weit überwiegend verantwortlich oder dabei im Annahmeverzug, so behält der Schuldner den Anspruch auf die Gegenleistung (§ 326 Abs. 2 S. 1 BGB). Der § 326 Abs. 2 S. 1 BGB ist spezieller und deshalb vorrangig. Er setzt gegenüber dem § 645 BGB zusätzlich (1.) Unmöglichkeit der Werkleistung und (2.) Vertretenmüssen oder Annahmeverzug des Bestellers voraus.

5. Das Werk ist unmöglich geworden und B hierfür verantwortlich. U erhält deshalb die volle Vergütung.

Nein, das ist nicht der Fall!

U schuldet B die Installation der Soundanlage auf dem Boot. Durch dessen Untergang ist objektive Unmöglichkeit eingetreten (=Untergang des Leistungssubstrats) (§ 275 Abs. 1 Alt. 2 BGB). B müsste hierfür verantwortlich sein; dabei hat er Vorsatz oder Fahrlässigkeit zu vertreten (§ 276 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Beschädigung und der Untergang waren zufällig. B hat die Unmöglichkeit der Werkleistung nicht zu vertreten.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Tino

Tino

30.9.2021, 09:33:18

Sehr schöne Aufgaben, schön auch der kleine Tippfehler / Autokorrektur für die Kosten der „Haltung“. Bei dem mittleren Teil habt ihr mich erwischt bei den Unterschied „Untergang“ und „Beschädigung“. Allerdings kommt wird im Text auch manchmal von Untergang gesprochen. Macht weiter so!

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

1.10.2021, 17:54:05

Lieben Dank für deine Anmerkungen, Tino! Den Tippfehler haben wir nunmehr korrigiert :) Beste Grüße Lukas - für das Jurafuchs-Team

NO

notwesanderson

14.1.2022, 15:44:25

Ich sehe noch wo hier der Tatbestand von 645 erfüllt ist? Wo ist der Mangel bzw. die Anweisung?

Amelie

Amelie

30.5.2023, 23:13:35

Ich verstehe nicht genau wieso der Untergang hier zufällig ist…ist es nicht fahrlässig von dem Bootsbesitzer das Boot nicht abzudichten (ein Boot soll ja schwimmen, da ist das Abdichten ja das A und O, oder?)? Oder was verstehe ich hier falsch? Danke!

SE.

se.si.sc

31.5.2023, 08:05:45

Du denkst im Prinzip völlig richtig, wir wissen hier nur schlicht nicht, ob es wirklich der Bootseigentümer B war, der die mangelhafte Abdichtung zu vertreten hat. Rein theoretisch hätte ja B kurz vorher einen anderen Handwerker mit der Erneuerung der Abdichtung beauftragen können, der seine Arbeit nicht ordentlich gemacht hat, und deswegen sinkt das Boot (langsam) - dann wäre B nicht iSv § 326 II 1 BGB allein oder weit überwiegend verantwortlich. Im Sachverhalt steht eben nur, "da es mangelhaft abgedichtet ist". Warum das der Fall und wer dafür verantwortlich ist, wissen wir nicht.

Amelie

Amelie

31.5.2023, 08:37:38

Vielen Dank!!

EVA

evanici

1.9.2023, 18:26:28

Worüber könnte sich U denn dann die Entsorgungskosten holen? GoA?

LELEE

Leo Lee

2.9.2023, 20:07:12

Hallo evanici Für die Entsorgung (vorausgesetzt, dass sich die Sache bei U befindet) würde man zunächst auf die GoA (echt und berechtigt dann) zurückgreifen. Danach würde man schauen, ob vielleicht eine

Nichtleistungskondiktion

(in Gestalt der sog.

Verwendungskondiktion

) vorliegt, was jedoch aufgrund einer echten und berechtigten GoA (als Rechtsgrund dann) ausgeschlossen wäre :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Falsus Prokuristor

Falsus Prokuristor

23.9.2024, 15:15:14

Hallo, weshalb kommt hier nich die og Norm zur Anwendung? Was ist der Unterschied zum Fall des Friseurs und des verstorbenen Hundes? Ich stehe da etwas auf dem Schlauch. Danke für,die Hilfe!

Falsus Prokuristor

Falsus Prokuristor

23.9.2024, 15:29:09

Die Sachgefahr ist das Risiko des zufälligen Untergang und der zufälligen Verschlechterung des vom Besteller gelieferten Stoffs. Stoff sind dabei alle Sachen, an und mit denen das Werk hergestellt ist. Dazu zählen auch Gegenstände, die nur der Einwirkung des Unternehmers ausgesetzt sind, zum Beispiel eine Auffahrt, die mit einem Bagger befahren werden muss. Die Sachgefahr trägt immer der Besteller (§ 644 Abs. 1 S. 3 BGB). Sie stellt damit klar, dass der Unternehmer zwar die Gefahr für sein Werk trägt, nicht jedoch für den Gegenstand, an dem das Werk herzustellen ist. Dies ist die Erklärung im entsprechenden Fall.

LELEE

Leo Lee

28.9.2024, 07:09:41

Hallo Falsus Prokuristor, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Vorab: Du hast insofern Recht, dass hier auch die von dir genannten Norm einschlägig ist. Allerdings tangiert diese Norm den 645 insofern nicht, als 645 einen Anspruch im Falle des Untergangs, wofür der Unternehmer eben nicht verantwortlich ist, regelt. D.h., Der Anspruch des Unternehmers erlischt nicht gem. 644 (trotz Unmöglichkeit). Dann erst kommt 645 und konkretisiert dann diese Situation. Man kann also auch von einer Ergänzung des 644 durch 645 sprechen. Hierzu kann ichi .Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Busche § 645 Rn. 1 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Falsus Prokuristor

Falsus Prokuristor

30.9.2024, 12:10:41

Danke für die Antwort! Ganz verstanden habe ich das aber leider noch nicht. Wenn § 644 die Sachgefahr dem Besteller zuweist und sich gerade diese hier realisiert hat, weil ein „Stoff“ des Bestellers zur Unmöglichkeit für den U gesorgt hat, dann tritt behält der U seinen Anspruch auf die Gegenleistung. Wofür braucht es noch den Anspruch aus §645 auf einen Teil der Vergütung? Der Tod des Hundes wurde ja auch nicht durch das Herrchen verschuldet iSd 276, vielmehr war dieser ebenso Zufall wie der Untergang des Bootes.


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