Zivilrecht
Werkrecht
Gefahrtragungsregeln
Vergütungsgefahr nach § 645 analog; angelehnt an BGHZ 40, 71
Vergütungsgefahr nach § 645 analog; angelehnt an BGHZ 40, 71
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
U baut für den Landwirt B eine Scheune. B bringt noch vor der Abnahme Heu in der unfertigen Scheune ein. Das Heu entzündet sich von selbst und die Scheune brennt ab. Der Brand wäre genauso in einer fertig errichteten Scheune entstanden.
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Einordnung des Falls
Vergütungsgefahr nach § 645 analog; angelehnt an BGHZ 40, 71
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 10 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Werkunternehmer hat Anspruch auf einen Teil der Vergütung, wenn das Werk aufgrund des vom Besteller gelieferten Stoffes untergeht (§ 645 Abs. 1 S. 1 BGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Das Werk ist vor Abnahme untergegangen.
Ja, in der Tat!
3. U hat den Untergang des Werks zu vertreten.
Nein!
4. B hat den Untergang des Werks zu vertreten.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Die Scheune ist aufgrund des vom Besteller gelieferten Stoffs untergegangen.
Nein, das trifft nicht zu!
6. U hat Anspruch auf einen Teil der Vergütung nach § 645 Abs. 1 S. 1 BGB.
Nein!
7. U könnte Anspruch auf einen Teil der Vergütung nach § 645 Abs. 1 S. 1 BGB analog haben. Dies setzt eine planwidrige Regelungslücke und vergleichbare Interessenslagen voraus.
Genau, so ist das!
8. Für eine Analogie des § 645 Abs. 1 S. 1 BGB besteht eine planwidrige Regelungslücke.
Ja, in der Tat!
9. Die Einlagerung des Heus ist mit den Fällen des § 645 Abs. 1 S. 1 BGB vergleichbar.
Ja!
10. U hat nach der Rspr. einen Anspruch auf einen Teil der Vergütung nach § 645 Abs. 1 S. 1 BGB analog.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Juranus
14.7.2021, 17:28:04
Ich schließe mich dem Kommentar von Marius an. Zudem scheint es mir schlecht begründbar, dass B den Brand nicht zu vertreten hat. Eine Selbstentzündung tritt regelmäßig nur auf, wenn das Heu nich fachgerecht eingelagert wird, etwa weil es noch einen zu hohen Feuchtigkeitsgehalt aufweist, nicht richtig geschichtet wird und keine Temperaturkontrolle stattfindet. Gerade nach seinem subjektiven Vermögen als Landwirt kann B mMn zumindest Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden.
Der BGBoss
14.7.2021, 21:24:47
Würde ich dir recht geben, die Beweiserhebung wird es aber entweder nicht hergegeben haben oder das Gericht hat die Lage verkannt.
Isabell
23.10.2021, 13:10:31
Oder das ist nicht vorgetragenen worden. Manchmal wundert man sich, dass Offensichtlichkeiten im Parteivortrag nicht auftauchen.
Carolin Hartmann
5.1.2022, 19:21:29
Lukas_Mengestu
6.1.2022, 09:29:16
Hallo Carolin, wir werden auf jeden Fall auch noch Fälle zum
Werkunternehmerpfandrechtaufnehmen. Hier müssen wir Dich nur noch um etwas Geduld bitten. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Isabell
26.2.2022, 15:00:54
Lukas_Mengestu
28.2.2022, 10:35:50
Hallo Isabell, daran könnte man durchaus denken. Zur Klarstellung haben wir hier noch eingefügt, dass es sich hier um eine "unfertige" Scheune handelt. Zusammen mit dem Hinweis, dass die Einlagerung vor Abnahme erfolgte, sollte nun hinreichend klar sein, dass die Scheune weder ausdrücklich noch
konkludentabgenommen wurde. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
omnimodo facturus
7.9.2022, 09:45:27
Wenn Stoffe alle Sachen sind, aus, an oder mit denen das Werk vom Unternehmer hergestellt wird, dann müsste man in eurem Fall mit der unzureichenden Dichtung auf dem Boot, wo der Unternehmer nur eine Stereoanlage einbauen soll, auch eine analoge Anwendung vornehmen, oder?
Nora Mommsen
8.9.2022, 11:26:52
Hallo omnimodo facturus, im Fall des Bootes besteht keine Regelungslücke. Das Boot in dem die Soundanlage eingebaut werden soll ist mangelhaft und geht daher (zusammen mit einer noch nicht fertig eingebauten Soundanlage) unter. Vorliegend geht die Scheune unter wegen des brennenden Heus. Dies ist aber nicht Teil des herzustellenden Werks, sondern wird unabhängig davon in die Scheune gebracht und bringt diese dann zum brennen. Daher handelt es sich bei dem Heu nicht um einen "Stoff" i.S.d. § 645 Abs. 1 BGB, sodass eine Regelungslücke besteht. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Susanne
24.7.2023, 11:06:31
Tolle Frage! Jetzt wäre noch toll wenn ihr was einbauen könnt um zum Wissen wo man das an welcher Stelle der Klausur prüft!
Lukas_Mengestu
25.7.2023, 18:50:56
Vielen Dank, Susanne! In der Prüfung würdest Du zunächst den Vergütungsanspruch aus § 6
31 BGBprüfen, der aber mangels Abnahme ausscheidet. Auch ein Teil-Vergütungsanspruch aus § 645 Abs. 1 S. 1 BGB scheidet aus den genannten Gründen aus, sodass am Ende auf den Tei-Vergütungsanspruch analog § 645 Abs. 1 S. 1 BGB abgestellt werden muss. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Julius
15.11.2023, 20:08:13
Könnte man den Fall auch über § 326 II BGB lösen? Die Scheune brennt ab, die Herstellung genau dieser Scheune ist damit unmöglich 275 BGB; Der Anspruch auf die Gegenleistung bleibt jedoch bestehen, da der Besteller hier das ganze zu verantworten hat. Zwar nicht iSe Verschuldens, jedoch stammt die Ursache der Unmöglichkeit aus seiner Sphäre.
Leo Lee
18.11.2023, 19:48:56
Hallo Julius, rein rechtsdogmatisch spricht natürlich nichts dagegen, dass man das Problem über den § 326 II BGB löst, da auch diese Norm – wie 645 – die Aufrechterhaltung der Gegen
leistungspflichtbehandelt. Beachte jedoch, dass soweit eine spezieller Norm gegeben ist, die allgemeinere Norm zurücktritt. Genauso verhält es sich hier: § 326 II befindet sich im Schuldrecht AT und behandelt solche Fälle, wo es keine speziellere Norm für die Aufrechterhaltung der Gegen
leistungspflichtgibt. Beim Werkvertrag gibt es jedoch gerade ein solche Norm, und zwar den 645! Deshalb loten wir erstmal den 645 (ggf. auch analog) aus, weil diese Norm spezieller ist (was für die Analogie genauso gilt)! Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Ernst § 326 Rn. 51 und Busche § 645 Rn. 1 f. empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Petrus
29.1.2024, 16:00:25
Lieber Leo Lee, Im Fall vorher (Soundanlage und Boot geht unter) schreibt ihr aber, dass § 326 II 1 BGB insoweit lex specialis darstellt, weil er höhere Hürden zur Aufrechterhaltung der Gegen
leistungspflichtenthält als §
645 BGB. Außerdem sehe ich dann auch die planwidrige Regelungslücke nicht, wenn man diese Lücke einfach unter Rückgriff auf allgemeine Grundsätze schließen kann. Insoweit hat der Gesetzgeber dann ja nicht außerplanmäßig etwa übersehen zu regeln.
ahimes
23.8.2024, 17:21:43
Ich sehe das ähnlich wie Petrus. Das Ganze widerspricht sich hier im Vergleich zum Bootsfall total. Ich wäre auch auf die allgemeinen Grundsätze des § 326 II BGB gegangen. Das mit der möglichen Anologie beim §
645 BGBwar mir ehrlicherweise noch nicht mal bekannt. Aber eine kurze Aufklärung wäre jetzt trotzdem toll :)
Franzi Fuchs
16.9.2024, 18:45:31
Ich bin jetzt irgendwie auch verwirrt - §326 II behandelt doch nicht den zufälligen Untergang - in diesem Fall war es aber zufällig - also weder vom Besteller noch Unternehmer zu vertreten?
Franzi Fuchs
16.9.2024, 18:47:23
also wäre §326 II vor dem Hintergrund hier überhaupt anwendbar @[Leo Lee](213375) ?
Jakob G.
15.10.2024, 21:37:27
Das Heu hätte sich sowohl in einer fertigen als auch einer unfertigen Scheune entzündet, sodass der Untergang der Scheune von Besteller B nicht zu vertreten ist. Der Fall will meines Erachtens so verstanden werden, dass weder B, noch U ein Verschulden i.S. § 276 I 1 BGB trifft. Folglich ist § 326 II BGB nicht anwendbar, da dieser an ein Verschulden oder den Annahmeverzug der Gläubiger*in (also B) anknüpft. Folglich bedarf es in der Tat der Analogie zu § 645 1 BGB, da ein Rückgriff auf § 326 II BGB nicht möglich ist und auch die Voraussetzungen des § 645 1 BGB nicht vollständig vorliegen. (Die Scheune geht lediglich unter, aber nicht DURCH das Einlagern des Heus).
Schwanzanwaltschaft
6.2.2024, 13:49:32
Könnte man das Einlagern des Heues nicht unter § 645 I Alt.2 BGB ( infolge einer von dem Besteller für die Ausführung erteilten Anweisung untergegangen) subsumieren. So könnte man doch in der Einlagerung die Anweisung sehen, das U die Scheune mit dem eingelagerten Heu fertigstellen/errichten(als Ausführung i.S.d Norm) soll.
Jakob G.
15.10.2024, 21:39:07
Die Einlagerung ist ein
Realaktund nicht mit irgendeiner Kommunikation gegenüber U verbunden. Ob U Kenntnis von dem eingelagerten Heu hatte, ist zudem nicht dargetan.
Braemo16
26.8.2024, 13:38:04
Wurde denn im Originalfall dargelegt, ob der Landwirt bei der Einlagerung nicht fahrlässig verkannt hat, dass er das zu nasse Heu nicht hätte einlagern dürfen? Die dafür verantwortlichen Gärprozesse kommen schließlich nicht von ungefähr und so wäre zumindest an Fahrlässigkeit zu denken.
Jakob G.
15.10.2024, 22:11:49
"Das[S] eine planwidrige Regelungslücke besteht wird zudem in der Literatur und in der Rechtsprechung anerkannt" In Frage 8 :)
Linne_Karlotta_
17.10.2024, 16:31:06
Hallo Jakob G., vielen Dank für Deinen Hinweis! Wir haben den Fehler auf unsere Liste gesetzt und werden ihn im nächsten Korrekturgang beheben. Deine Aufmerksamkeit hilft uns, die Qualität unserer Inhalte hochzuhalten. Wir werden diesen Thread als erledigt markieren, sobald wir den Fehler behoben haben. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team