Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Täterschaft und Teilnahme

Deliktisches Minus auf Ebene der Tatbestandsmäßigkeit 3 – Das absichtslos handelnde dolose Werkzeug

Deliktisches Minus auf Ebene der Tatbestandsmäßigkeit 3 – Das absichtslos handelnde dolose Werkzeug

25. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

T hat es auf ein wertvolles Buch des B abgesehen. Er überredet den V, das Buch zu entwenden und an einer bestimmten Stelle zu verstecken. V führt die Tat aus, wobei er keinerlei Interesse an dem Buch hat und es ihm gleichgültig ist, was nach dem Verstecken mit diesem geschieht. Er will den B nur ärgern.

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Einordnung des Falls

Deliktisches Minus auf Ebene der Tatbestandsmäßigkeit 3 – Das absichtslos handelnde dolose Werkzeug

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V hat sich wegen Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht, indem er das Buch aus dem Zimmer des B entwendete und an der von T gewünschten Stelle versteckte.

Nein!

V hat eine fremde bewegliche Sache weggenommen und somit den objektiven Diebstahlstatbestand verwirklicht. Dies tat er auch vorsätzlich. Als Delikt mit überschießender Innentendenz erfordert § 242 Abs. 1 StGB jedoch Zueignungsabsicht. Diese liegt vor, wenn der Täter die Sache wegnimmt, um sie unter Anmaßung einer eigentümerähnlichen Stellung zumindest vorübergehend der eigenen oder einer dritten Vermögenssphäre einzuverleiben (Aneignungsabsicht) und sie der Verfügungsgewalt des Berechtigten dauerhaft zu entziehen (Enteignungsvorsatz). V wollte sich selbst aber nicht in die Position des Eigentümers setzen. Da ihm egal war, was nach dem Verstecken mit dem Buch passiert, kam es ihm auch nicht darauf an, dem T das Buch zuzueignen.
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2. T erfüllt den objektiven Tatbestand des Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Täter ist, „wer die Straftat selbst“ begeht (sog. Alleintäterschaft, § 25 Abs. 1 Var. 1 StGB). Relevante Handlung ist hier das Entwenden und Verstecken des Buches des B. Diese Handlung führte jedoch nicht T selbst, sondern V aus. Täter kann aber auch sein, wer die Straftat „durch einen anderen“ begeht (sog. mittelbare Täterschaft, § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB). Der mittelbare Täter verwirklicht die Tatbestandsmerkmale nicht eigenhändig, sondern bedient sich als „Hintermann“ eines „Werkzeugs“, das auch als „Vordermann“ bzw. „Tatmittler“ bezeichnet wird. Voraussetzung ist, dass die Tathandlung des „Vordermannes“ dem Hintermann zugerechnet werden kann.

3. Voraussetzungen für eine Zurechnung der Handlung (§ 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) sind (1) ein eigener Verursachungsbeitrag des Hintermannes, (2) eine unterlegene Stellung des Vordermannes und (3) eine überlegene Stellung des Hintermannes.

Ja, in der Tat!

Eine Tat „durch einen anderen“ begeht, wer die Tatbestandsverwirklichung durch tatbeherrschende Steuerung des Vordermannes zurechenbar verursacht. Der (1) Verursachungsbeitrag des Hintermannes ist die Einwirkungshandlung auf den Vordermann. Die (2) unterlegene Stellung des Vordermanns ergibt sich grundsätzlich aus dem Strafbarkeitsmangel (Ausnahme: Sonderfälle des „Täters hinter dem Täter“). Der Vordermann weist auf einer der drei Ebenen ein sog. deliktisches Minus auf, er ist nicht strafbar. Die (3) überlegene Stellung des Hintermannes setzt nach der Tatherrschaftslehre die Tatherrschaft über das Gesamtgeschehen, nach der subjektiven Lehre einen Täterwillen voraus.

4. Der erforderliche eigene Verursachungsbeitrag des T liegt vor.

Ja!

Indem T den V überredete, das Buch aus dessen Zimmer zu entfernen, wirkte er unmittelbar auf ihn ein.

5. V selbst erfüllt zwar alle objektiven Tatbestandsmerkmale und handelt vorsätzlich, jedoch absichtslos, sodass er das sog. deliktische Minus aufweist.

Genau, so ist das!

Mittelbare Täterschaft setzt weiter voraus, dass beim Vordermann auf der Tatbestands-, Rechtswidrigkeits- oder Schuldebene ein Strafbarkeitsmangel vorliegt, der seine Strafbarkeit ausschließt. Hier entfällt der subjektive Tatbestand, da der Diebstahl (§ 242 Abs. 1 StGB) zusätzlich neben dem Vorsatz die spezifische Absicht der rechtswidrigen Zueignung voraussetzt. V ist somit ein sog. absichtslos-doloses Werkzeug und weist ein deliktisches Minus auf.

6. Da V die volle Tragweite des Geschehens bewusst war und er eigenverantwortlich dasselbe leitete, fehlt dem T nach der Tatherrschaftslehre die für eine Zurechnung überlegene Stellung.

Nein, das trifft nicht zu!

Angesichts der aus der vorsätzlichen Tatbestandsverwirklichung resultierenden Handlungsherrschaft des Vordermannes lässt eine Literaturauffassung die Tatherrschaft des Hintermannes in diesen Fällen entfallen. Die überwiegende Meinung dagegen empfindet im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung die rechtliche Überlegenheit des Hintermannes für dessen Verantwortlichkeit als ausreichend. Im Sinne normativer Tatherrschaft sieht sie in der einzig in der Person des Hintermannes liegenden deliktspezifischen und damit besonders rechtsgutfeindlichen Absicht dessen beherrschenden Einfluss. Dieser gibt dem Hintermann eine überlegene Stellung. So werden insbesondere Strafbarkeitslücken vermieden, da anderenfalls auch eine Strafbarkeit des Hintermannes wegen Beihilfe (§ 27 StGB) bzw. Anstiftung (§ 26 StGB) zum Diebstahl mangels vorsätzlicher rechtswidriger Haupttat nicht möglich wäre.

7. T handelt zudem mit Vorsatz bezüglich der Begehung des Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB) sowie in Kenntnis der die mittelbare Täterschaft begründenden Umstände. Er hat sich gemäß §§ 242 Abs.1, 25 Abs. 1 Var. 2 StGB strafbar gemacht.

Ja!

T erfüllt somit auch den subjektiven Tatbestand. Weiterhin handelte er auch rechtswidrig und schuldhaft, sodass er sich wegen Diebstahls in mittelbarer Täterschaft (§§ 242 Abs. 1, 25 Abs. 1 Var. 2) strafbar gemacht hat.

8. T hatte nach der subjektiven Theorie eine überlegene Stellung (Täterwillen).

Ja!

Nach der subjektiven Lehre (animus-Theorie) wird bei der Abgrenzung an die Willensrichtung und an die innere Einstellung der Beteiligten zur Tat angeknüpft. Täter ist danach, wer mit Täterwillen (animus auctoris) handelt und die Tat als eigene will. Teilnehmer ist, wer mit Teilnehmerwillen (animus socii) handelt und die Tat als fremde veranlassen oder fördern will. Einzig T hatte ein Interesse an dem Buch. Er besitzt somit den nötigen Täterwillen.
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