Zivilrecht
Schuldrecht Allgemeiner Teil
Verbraucherverträge über digitale Produkte (§ 327 ff. BGB)
Fall: Subjektiver Mangel
Fall: Subjektiver Mangel
19. Februar 2025
10 Kommentare
4,8 ★ (9.651 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Verbraucherin V kauft bei Händlerin H einen 24h-Online-Zugang für ihren Lieblingsfilm in ultra-HD. Die Bildqualität lässt V extra in den Vertrag aufnehmen. Als V den Stream abspielen will, stellt sie erschrocken fest, dass das Bild völlig verpixelt ist.
Diesen Fall lösen 94,5 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Fall: Subjektiver Mangel
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Anwendungsbereich der §§ 327 ff. BGB ist eröffnet (§ 327 BGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Es fehlt bereits an einer Bereitstellung des digitalen Inhalts (§ 327b Abs. 3 BGB).
Nein!
3. Damit V Gewährleistungsrechte nach der Bereitstellung geltend machen kann, muss zunächst ein Mangel vorliegen (§ 327i BGB).
Genau, so ist das!
4. Die Film-Datei entspricht nicht der vereinbarten Beschaffenheit (§ 327e Abs. 1 S. 1 Var. 1, Abs. 2 Nr. 1 lit. a) BGB).
Ja, in der Tat!
5. V kann somit, gegebenenfalls unter weiteren Voraussetzungen, die Gewährleistungsrechte des § 327i BGB geltend machen.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
chu
19.8.2023, 15:36:19
Was für eine großartige Zeichnung! 🤣
Diaa
15.9.2023, 20:15:51
Ich stehe total auf dem Schlauch. Wieso ist ein Online-Fitness-Kurs eine digitale Dienstleistung und wieso ist ein Film ein digitaler Inhalt? Beider werden bereitgestellt und beide werden von anderen Nutzern benutzt?
David.
23.9.2023, 19:17:29
Ich denke mal, weil du den Online-Fitness Kurs mit einer Vielzahl von Dritten Personen teilst, während der Film nur für dich bereit gestellt wird und du diesen nicht gleichzeitig mit anderen Menschen konsumierst.

LS2024
30.5.2024, 07:18:38
Wie es hier dargestellt wird ist es falsch. Es handelt sich auch beim Streaming von Filmen um eine digitale Dienstleistung (§ 327 II 2 Nr. 1 BGB). Siehe dazu mein Beitrag im Forum zu dieser Aufgabe.
Florian
8.2.2025, 01:40:11
Push, bitte erläutern:)

LS2024
30.5.2024, 07:16:49
Mir ist nun erneut aufgefallen, dass die Abgrenzung zwischen digitaler Dienstleistung und digitalem Inhalt mMn falsch vorgenommen wird. Beim Streaming stellt der Streaminganbieter seine Cloud Infrastruktur (insbesondere die Speicherkapazität) für das gestreamte Medium zur Verfügung. Es handelt sich also um die Bereitstellung des "Zugangs zu solchen Daten" iSd § 327 II 2 Nr. 1 BGB und damit um eine digitale Dienstleistung.

LS2024
30.5.2024, 07:37:02
Wobei die Abgrenzung zwischen Dienstleistung und Inhalt umstritten ist (Siehe dazu etwa Pech in: MMR 2022, 348). Die Darstellung in der Aufgabe dürfte der in diesem Aufsatz vertretenen Ansicht entsprechen und ist damit jedenfalls nicht falsch.
Michael
7.10.2024, 14:31:55
Das streamen von Filmen fällt unter digitale Inhalte: "So ist beispielsweise die Definition des Begriffs „digitale Inhalte“ bewusst weit gefasst, um zukünftige technische Weiterentwicklungen zu berücksichtigen, Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und gleiche Ausgangsbedingungen zu schaffen. Sie erstreckt sich auf alle Arten von digitalen Inhalten, einschließlich heruntergeladener oder im Internet gestreamter Filme, Cloud-Speicherung, sozialer Medien oder Dateien für die visuelle Modellierung im Rahmen des 3D-Drucks." (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52015PC0634&from=DE) Ausserdem fällt "digitale Dienstleistung" unter den Begriff des digitalen Inhalts und kann in der Praxis meistens sowieso nicht voneinander abgetrennt werden (MüKoBGB/Metzger, 9. Aufl. 2022, BGB § 327 Rn. 8) Ich denke man kann in beide Richtungen argumentieren, insbes. aufgrund der inhaltlichen Nähe beider Begriffe.

paulmachtexamen
19.6.2024, 21:58:45
Liebe Jurafüchse, beim
Sachmangelist die Sache klar. In 434 III 1 steht „soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde, entspricht die Sache den objektiven Anforderungen…“. Hier steht fest, dass subj Anforderungen iE den Vorrang genießen. Eine solche Formulierung sehe ich aber beim Produktmangel in 327e nicht. Bedeutet das daher, dass ein
DigitalesProdukt trotz Vereinbarung mangelhaft sein kann, wenn es dadurch den obj. Anforderungrn nicht entspricht? Die ähnliche Formulierung in 327e III 1 Nr 6 bezieht sich mE nur auf die neuste Version. Ich bin über jede Hilfe dankbar!

Jakob G.
28.9.2024, 21:21:05
tl;dr: § 327h BGB. Wendehorst in NJW 2021, 2913 Rn. 26. Ein Mangel ergibt sich sowohl im Kaufrecht (§ 434 I 1 BGB), im Werkrecht (§ 633 II 1 BGB) als auch bei digitalen Produkten (§ 327e I 1 BGB) sowohl wenn ein subjektiver oder ein objektiver Mangel vorliegen. Im Kaufrecht wird ferner auf die Montageanleitung abgestellt, im Recht der digitalen Produkte auf die Integration. Die Mangelfreiheit setzt jeweils kumulativ die Abwesenheit dieser Mängel voraus. Im Werkvertrag hingegen findet sich noch die Hierarchisierung, die der
Beschaffenheitsvereinbarungdogmatisch das Primat einräumt, § 633 II 1 BGB. Im Kaufrecht ist - wie du zu Recht schreibst - der objektive Mangel u.a. subjektiv abdingbar, § 434 III 1 BGB. Teleologisch ergibt das ja auch durchaus Sinn - in Gegenüberstellung zum Werk- und Kaufrecht - im Recht der digitalen Produkte nicht rein subjektive Maßstäbe der Parteien (wohl gemerkt Verbraucher*in und Unternehmer*in!) anzulegen und auch die objektiven Mangelkriterien zu berücksichtigen um Käufer*innen bei subjektiven Vereinbarungen im krassesten Fall nicht um ihre Mängelrechte zu bringen. Dies wird in ErwG 49 der RL ausgedrückt, indem die Verbraucher*in ein "aktives, eindeutiges Verhalten" an den Tag legen muss, um etwa die objektive
Beschaffenheitabzubedingen.