Fall: Subjektiver Mangel

19. Februar 2025

10 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Verbraucherin V kauft bei Händlerin H einen 24h-Online-Zugang für ihren Lieblingsfilm in ultra-HD. Die Bildqualität lässt V extra in den Vertrag aufnehmen. Als V den Stream abspielen will, stellt sie erschrocken fest, dass das Bild völlig verpixelt ist.

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Einordnung des Falls

Fall: Subjektiver Mangel

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Anwendungsbereich der §§ 327 ff. BGB ist eröffnet (§ 327 BGB).

Ja, in der Tat!

Es muss der persönliche und sachliche Anwendungsbereich eröffnet sein. Der persönliche Anwendungsbereich setzt einen Verbrauchervertrag voraus (§ 327 Abs. 1 S. 1 BGB). Der sachliche Anwendungsbereich setzt voraus, dass der Unternehmer gegen Zahlung eines Preises ein digitales Produkt bereitstellt. V ist Verbraucherin (§ 13 BGB). Händlerin H ist Unternehmerin (§ 14 BGB). Es liegt ein Verbrauchervertrag vor (§ 310 Abs. 3 BGB). Der online abrufbare Film ist ein digitaler Inhalt i.S.d. § 327 Abs. 2 S. 1 BGB und damit ein digitales Produkt.
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2. Es fehlt bereits an einer Bereitstellung des digitalen Inhalts (§ 327b Abs. 3 BGB).

Nein!

Ein digitaler Inhalt ist bereitgestellt, sobald der digitale Inhalt oder die geeigneten Mittel für den Zugang zu diesem oder das Herunterladen des digitalen Inhalts dem Verbraucher unmittelbar oder mittels einer von ihm hierzu bestimmten Einrichtungen zur Verfügung gestellt oder zugänglich gemacht worden ist (§ 327b Abs. 3 BGB). V hat den Online-Zugang auf den Film erhalten. H hat V also das digitale Produkt bereitgestellt.

3. Damit V Gewährleistungsrechte nach der Bereitstellung geltend machen kann, muss zunächst ein Mangel vorliegen (§ 327i BGB).

Genau, so ist das!

Schon die Überschrift des § 327i BGB stellt klar, dass ein Mangel vorliegen muss. Wann ein solcher vorliegt, bestimmt § 327e BGB. Die Norm sieht einen Dreiklang vor: Das digitale Produkt hat (1) den subjektiven (§ 327e Abs. 1 S. 1 Var. 1, Abs. 2 BGB) und (2) den objektiven Anforderungen (§ 327e Abs. 1 S. 1 Var. 2, Abs. 3 BGB) zu genügen. Zusätzlich dazu hat das Produkt den (3) Anforderungen an die Integration (§ 327e Abs. 1 S. 1 Var. 3, Abs. 4 BGB) zu entsprechen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Bereitstellungszeitraum.

4. Die Film-Datei entspricht nicht der vereinbarten Beschaffenheit (§ 327e Abs. 1 S. 1 Var. 1, Abs. 2 Nr. 1 lit. a) BGB).

Ja, in der Tat!

Die Beschaffenheit ist die Summe der Merkmale des digitalen Produkts, die dem Produkt selbst anhaften oder sich aus seiner Beziehung zur Umwelt ergeben. Die Videoqualität ist Teil des Vertrags zwischen H und V geworden. Die Videoqualität entspricht nicht ultra-HD. Vielmehr ist der Film stark verpixelt. Es liegt somit eine Abweichung von der vertraglichen Beschaffenheit vor. Das digitale Produkt entspricht damit bereits nicht den subjektiven Anforderungen. Es liegt ein Mangel vor.

5. V kann somit, gegebenenfalls unter weiteren Voraussetzungen, die Gewährleistungsrechte des § 327i BGB geltend machen.

Ja!

Wie im Kaufrecht (§ 437 BGB) oder im Werkvertragsrecht (§ 634 BGB) erfolgt in § 327i BGB eine Aufzählung der Gewährleistungsrechte, die den Verbraucher bei Vorliegen eines Mangels zu Verfügung stehen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

CHU

chu

19.8.2023, 15:36:19

Was für eine großartige Zeichnung! 🤣

DIAA

Diaa

15.9.2023, 20:15:51

Ich stehe total auf dem Schlauch. Wieso ist ein Online-Fitness-Kurs eine digitale Dienstleistung und wieso ist ein Film ein digitaler Inhalt? Beider werden bereitgestellt und beide werden von anderen Nutzern benutzt?

DAV

David.

23.9.2023, 19:17:29

Ich denke mal, weil du den Online-Fitness Kurs mit einer Vielzahl von Dritten Personen teilst, während der Film nur für dich bereit gestellt wird und du diesen nicht gleichzeitig mit anderen Menschen konsumierst.

LS2024

LS2024

30.5.2024, 07:18:38

Wie es hier dargestellt wird ist es falsch. Es handelt sich auch beim Streaming von Filmen um eine digitale Dienstleistung (§ 327 II 2 Nr. 1 BGB). Siehe dazu mein Beitrag im Forum zu dieser Aufgabe.

FL

Florian

8.2.2025, 01:40:11

Push, bitte erläutern:)

LS2024

LS2024

30.5.2024, 07:16:49

Mir ist nun erneut aufgefallen, dass die Abgrenzung zwischen digitaler Dienstleistung und digitalem Inhalt mMn falsch vorgenommen wird. Beim Streaming stellt der Streaminganbieter seine Cloud Infrastruktur (insbesondere die Speicherkapazität) für das gestreamte Medium zur Verfügung. Es handelt sich also um die Bereitstellung des "Zugangs zu solchen Daten" iSd § 327 II 2 Nr. 1 BGB und damit um eine digitale Dienstleistung.

LS2024

LS2024

30.5.2024, 07:37:02

Wobei die Abgrenzung zwischen Dienstleistung und Inhalt umstritten ist (Siehe dazu etwa Pech in: MMR 2022, 348). Die Darstellung in der Aufgabe dürfte der in diesem Aufsatz vertretenen Ansicht entsprechen und ist damit jedenfalls nicht falsch.

MIC

Michael

7.10.2024, 14:31:55

Das streamen von Filmen fällt unter digitale Inhalte: "So ist beispielsweise die Definition des Begriffs „digitale Inhalte“ bewusst weit gefasst, um zukünftige technische Weiterentwicklungen zu berücksichtigen, Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und gleiche Ausgangsbedingungen zu schaffen. Sie erstreckt sich auf alle Arten von digitalen Inhalten, einschließlich heruntergeladener oder im Internet gestreamter Filme, Cloud-Speicherung, sozialer Medien oder Dateien für die visuelle Modellierung im Rahmen des 3D-Drucks." (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52015PC0634&from=DE) Ausserdem fällt "digitale Dienstleistung" unter den Begriff des digitalen Inhalts und kann in der Praxis meistens sowieso nicht voneinander abgetrennt werden (MüKoBGB/Metzger, 9. Aufl. 2022, BGB § 327 Rn. 8) Ich denke man kann in beide Richtungen argumentieren, insbes. aufgrund der inhaltlichen Nähe beider Begriffe.

paulmachtexamen

paulmachtexamen

19.6.2024, 21:58:45

Liebe Jurafüchse, beim

Sachmangel

ist die Sache klar. In 434 III 1 steht „soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde, entspricht die Sache den objektiven Anforderungen…“. Hier steht fest, dass subj Anforderungen iE den Vorrang genießen. Eine solche Formulierung sehe ich aber beim Produktmangel in 327e nicht. Bedeutet das daher, dass ein

Digitales

Produkt trotz Vereinbarung mangelhaft sein kann, wenn es dadurch den obj. Anforderungrn nicht entspricht? Die ähnliche Formulierung in 327e III 1 Nr 6 bezieht sich mE nur auf die neuste Version. Ich bin über jede Hilfe dankbar!

Jakob G.

Jakob G.

28.9.2024, 21:21:05

tl;dr: § 327h BGB. Wendehorst in NJW 2021, 2913 Rn. 26. Ein Mangel ergibt sich sowohl im Kaufrecht (§ 434 I 1 BGB), im Werkrecht (§ 633 II 1 BGB) als auch bei digitalen Produkten (§ 327e I 1 BGB) sowohl wenn ein subjektiver oder ein objektiver Mangel vorliegen. Im Kaufrecht wird ferner auf die Montageanleitung abgestellt, im Recht der digitalen Produkte auf die Integration. Die Mangelfreiheit setzt jeweils kumulativ die Abwesenheit dieser Mängel voraus. Im Werkvertrag hingegen findet sich noch die Hierarchisierung, die der

Beschaffenheitsvereinbarung

dogmatisch das Primat einräumt, § 633 II 1 BGB. Im Kaufrecht ist - wie du zu Recht schreibst - der objektive Mangel u.a. subjektiv abdingbar, § 434 III 1 BGB. Teleologisch ergibt das ja auch durchaus Sinn - in Gegenüberstellung zum Werk- und Kaufrecht - im Recht der digitalen Produkte nicht rein subjektive Maßstäbe der Parteien (wohl gemerkt Verbraucher*in und Unternehmer*in!) anzulegen und auch die objektiven Mangelkriterien zu berücksichtigen um Käufer*innen bei subjektiven Vereinbarungen im krassesten Fall nicht um ihre Mängelrechte zu bringen. Dies wird in ErwG 49 der RL ausgedrückt, indem die Verbraucher*in ein "aktives, eindeutiges Verhalten" an den Tag legen muss, um etwa die objektive

Beschaffenheit

abzubedingen.


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