Zivilrecht
Werkrecht
Gefahrtragungsregeln
Vergütungsgefahr bei Untergang aufgrund des vom Besteller gelieferten Stoffs, Teilvergütung, § 645 I, Höhe der Teilvergütung
Vergütungsgefahr bei Untergang aufgrund des vom Besteller gelieferten Stoffs, Teilvergütung, § 645 I, Höhe der Teilvergütung
19. Mai 2025
6 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
B beauftragt U, ihr Schlafzimmer neu zu tapezieren. Die geeigneten Materialien stellt sie bereit. Nachdem U die Arbeiten bereits zu 80% fertiggestellt hat, lösen sich die Tapeten nach und nach. Aufgrund eines nicht erkennbaren Produktionsfehlers haftet der Tapetenkleister nicht richtig.
Diesen Fall lösen 87,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Vergütungsgefahr bei Untergang aufgrund des vom Besteller gelieferten Stoffs, Teilvergütung, § 645 I, Höhe der Teilvergütung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Werkunternehmer hat Anspruch auf einen Teil der Vergütung, wenn das Werk aufgrund des vom Besteller gelieferten Stoffes untergeht (§ 645 Abs. 1 S. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Us Werk ist vor Abnahme untergegangen.
Ja!
3. Der Untergang des Werkes beruhte auf einem Mangel der Stoffe, die B bereitgestellt hat.
Genau, so ist das!
4. U hat den Untergang des Werks zu vertreten.
Nein, das trifft nicht zu!
5. U hat Anspruch nach § 645 Abs. 1 S. 1 BGB auf die gesamte Vergütung.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

paulmachtexamen
21.6.2024, 18:50:28
Liebe Jurafüche, in der Vertiefung heißt es: 645 I 1 lässt Us
Leistungspflichtunberührt. Tapeziert sie also erneut, so kann sie hierfür dann zusätzlich die volle Vergütung verlangen. Bekommt U dann 180% des vereinbarten Entgelts (80% zzgl den neuen 100% bei Fertigstellung) oder nur insgesamt 100%. Würde sie nämlich nur 100% bekommen, müsste die ja für die restlichen 20% überproportional viel arbeiten, da sie ja für die 20% mehr Entgelt alles von neu machen müsste.

Cocos.lawstudy
25.7.2024, 22:37:24
Ich verstehe den Erklärungstext auch so, dass sie dann 180 % Vergütung erhält.

ahimes
23.8.2024, 16:30:33
Würde mich auch interessieren....bitte um Stellungnahme von Jurafuchs

Sebastian Schmitt
21.9.2024, 09:33:13
Hallo @[paulmachtexamen](210803), in unserem Vertiefunghinweis steht ja, dass U für den Folgeauftrag die volle Vergütung verlangen kann (!). Er kann aber natürlich genau so gut die halbe oder gar keine Vergütung verlangen. Es handelt sich ja um einen komplett neuen Vertrag, nicht um eine Mängelbeseitigung iRd alten Vertrags - und die Höhe der Vergütung können die Parteien grds frei aushandeln. Komplizierter wird es dann, wenn man den Unternehmer mit einem TdL nach Treu und Glauben in einzelnen Fällen für verpflichtet dazu hält, das Werk fertigzustellen (so Staudinger/Peters, BGB, Neubearb 2019, § 645 Rn 30 mit Verweis auf § 644 Rn 11). Auch dann soll er dafür natürlich eine Vergütung erhalten. Die Höhe dieser zusätzlichen Vergütung sei dann nach Staudinger "nach den Maßstäben des [ursprünglichen] Vertrages" zu ermitteln (Staudinger/Peters, BGB, Neubearb 2019, § 644 Rn 11). Man wird in solchen Fällen mE zwar die ursprüngliche Kalkulation als Anhaltspunkt nehmen können, wird aber auch berücksichtigen müssen, ob zB aufgrund bestimmter Umstände der Gesamtaufwand für den Unternehmer davon abweicht (sei es nach oben oder nach unten). Ist zB iRv Fassadenarbeiten das Gerüst schon aufgebaut und viele der Materialien schon vor Ort, wird die Vergütung für das Fertigstellen der Arbeiten, also den Folgeauftrag, typischerweise geringer ausfallen müssen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
SimonH
1.5.2025, 13:19:55
Lieber @[Sebastian Schmitt](263562), ich verstehe deine Antwort leider nicht so ganz. Sofern vorliegend die Neutapezierung nicht unmöglich ist, bleibt doch der Unternehmer weiter nach allgemeinen Grundsätzen zur Herstellung verpflichtet (so auch BeckOK/Voith,
645 BGB, Rn.30 m.w.N.). Hier wird kein "neuer" Auftrag erteilt - so lese ich im übrigen auch nicht die entsprechende Formulierung in der Aufgabe. Ich wüsste auch nicht woher ansonsten eine Beendigung des ursprünglichen Werkvertrages genommen werden sollte. Insofern kann der Unternehmer bei erneuter Herstellung, dann auch vollständige Vergütung verlangen, sodass er insgesamt 180% bekommt. Das ist ja auch nur billig, weil er auch 180% der Arbeitskraft aufgewandt hat und 80% davon nur wegen des Bestellers umsonst
waren. D.h. die 80% werden durch den Entschädigungsanspruch aus 645 I BGB gedeckt und die 100% ganz normal durch 631 I BGB (sofern abgenommen).

Sebastian Schmitt
2.5.2025, 19:37:02
Hallo @[SimonH](230651), berechtigter Hinweis, danke dafür. Ich habe mir das gerade nochmal in Ruhe angeschaut. Ich habe damals einfach zum Staudinger gegriffen, um das Ganze inhaltlich nochmal zu checken - und der scheint in dieser Frage ziemliche MM zu sein. Die ganz hM dürfte das sein, was auch die von Dir zitierte Stelle im BeckOK sagt: Der Werkunternehmer ist grds weiterhin zur Herstellung verpflichtet (der dort ebenfalls enthaltene Verweis auf Staudinger/Peters zeigt schon dessen Zurückhaltung). Lediglich bei
Unmöglichkeitder Fertigstellung bzw erneuten Herstellung nach
§ 275 BGBscheidet die Herstellungspflicht aus. So steht es auch in der Tat auch in unserer Aufgabe ganz am Ende, die
Leistungspflichtbleibt grds unberührt. Tendenziell anders, aber eben ziemliche MM, Staudinger/Peters, der mit einer historischen Begründung in
§ 645 BGBwohl nicht nur eine Regelung der Vergütungsgefahr, sondern auch der
Leistungsgefahrsehen wollte. Seit meinem letzten Beitrag ist für §§ 644 f BGB sogar noch die Neubearb 2024 des Staudinger online gegangen, bei der ein Bearbeiterwechsel stattgefunden hat. Die neuen Bearbeiter stimmen Staudinger/Peters inhaltlich nur noch zum Teil zu. Ich würde definitiv empfehlen, sich für Klausuren und sonstige Prüfungsaufgaben an der ganz hM zu orientieren, die implizit auch unserer Aufgabe zugrunde liegt - sorry für die eventuelle Verwirrung! Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team