Zivilrecht

Werkrecht

Gefahrtragungsregeln

Vergütungsgefahr bei Untergang aufgrund des vom Besteller gelieferten Stoffs, Teilvergütung, § 645 I, Höhe der Teilvergütung

Vergütungsgefahr bei Untergang aufgrund des vom Besteller gelieferten Stoffs, Teilvergütung, § 645 I, Höhe der Teilvergütung

3. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B beauftragt U, ihr Schlafzimmer neu zu tapezieren. Die geeigneten Materialien stellt sie bereit. Nachdem U die Arbeiten bereits zu 80% fertiggestellt hat, lösen sich die Tapeten nach und nach. Aufgrund eines nicht erkennbaren Produktionsfehlers haftet der Tapetenkleister nicht richtig.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Vergütungsgefahr bei Untergang aufgrund des vom Besteller gelieferten Stoffs, Teilvergütung, § 645 I, Höhe der Teilvergütung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Werkunternehmer hat Anspruch auf einen Teil der Vergütung, wenn das Werk aufgrund des vom Besteller gelieferten Stoffes untergeht (§ 645 Abs. 1 S. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

§ 645 Abs. 1 S. 1 BGB modifiziert die allgemeinen Gefahrtragungsregeln im Werkvertragsrecht, indem er bereits vor Abnahme einen ein Teil der Vergütungsgefahr auf den Besteller überträgt. Dies setzt voraus, dass (1) vor Abnahme, (2) infolge eines Mangels des von dem Besteller gelieferten Stoffes oder einer von dem Besteller für die Ausführung erteilten Anweisung (3) das Werk des Unternehmers untergegangen, verschlechtert oder unausführbar geworden ist (4) ohne dass der Unternehmer dies zu vertreten hat. Der § 645 BGB basiert auf dem Prinzip der objektiven Verantwortlichkeit. Es ist deshalb nicht relevant, ob der Besteller den Untergang oder den Mangel des Stoffs zu vertreten hat oder nicht.
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2. Us Werk ist vor Abnahme untergegangen.

Ja!

Das Werk ist untergegangen, wenn eine bereits erbrachte Leistung wieder entfällt oder das Werk nicht mehr vorhanden ist.U schuldete das Tapezieren der Wände. Dadurch, dass die Tapeten allesamt wieder abfielen, ist die bereits erbrachte Werkleistung wieder entfallen.

3. Der Untergang des Werkes beruhte auf einem Mangel der Stoffe, die B bereitgestellt hat.

Genau, so ist das!

Der Begriff des Stoffes ist im Hinblick auf Sinn und Zweck der Regelung weit auszulegen und umfasst alle Gegenstände, aus denen, an denen oder mit deren Hilfe das Werk herzustellen ist. Mangelhaft ist er, wenn die Eignung des Stoffes für die Werkleistung in der Weise eingeschränkt ist, dass das Werk vom Unternehmer nicht oder nur mangelhaft hergestellt werden kann.Der von B bereitgestellte Kleister klebt aufgrund eines Produktionsfehlers nicht richtig. Er ist damit nicht geeignet für die geschuldeten Tapezierarbeiten.

4. U hat den Untergang des Werks zu vertreten.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Unternehmer hat die Zerstörung, Beeinträchtigung oder Unausführbarkeit des Werks zu vertreten, wenn diese auf einen Umstand zurückzuführen ist, den er bei gehöriger Erfüllung seiner Prüfungs-, Beratungs- oder Hinweispflicht hätte bemerken müssen. Aufgrund der überlegenen Fachkenntnis gehört es dabei insbesondere dazu, die Geeignetheit der vom Besteller gestellten Materialien zu prüfen und auf etwaige Risiken oder Bedenken hinzuweisen.Die Materialien waren grundsätzlich für die Tapezierarbeiten geeignet. Dass der Kleister an einem Produktionsfehler litt, war für U nicht zu erkennen.

5. U hat Anspruch nach § 645 Abs. 1 S. 1 BGB auf die gesamte Vergütung.

Nein!

Liegen die Voraussetzungen des § 645 Abs. 1 S. 1 BGB vor, so hat der Unternehmer lediglich einen Anspruch auf den Teil der Vergütung, der seiner geleisteten Tätigkeit entspricht. Die volle Vergütung kann er damit nur verlangen, wenn er seine Leistung komplett erbracht hatte. Us Werk ist aufgrund des fehlerhaften Kleisters untergegangen, ohne dass U dies zu vertreten hatte. U hat allerdings nur 80% des Werkes fertiggestellt. Entsprechend kann sie hierfür auch nur 80% der Vergütung verlangen.§ 645 Abs. 1 S. 1 BGB lässt Us Leistungspflicht unberührt. Tapeziert sie also erneut, so kann sie hierfür dann zusätzlich die volle Vergütung verlangen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

paulmachtexamen

paulmachtexamen

21.6.2024, 18:50:28

Liebe Jurafüche, in der Vertiefung heißt es: 645 I 1 lässt Us

Leistungspflicht

unberührt. Tapeziert sie also erneut, so kann sie hierfür dann zusätzlich die volle Vergütung verlangen. Bekommt U dann 180% des vereinbarten Entgelts (80% zzgl den neuen 100% bei Fertigstellung) oder nur insgesamt 100%. Würde sie nämlich nur 100% bekommen, müsste die ja für die restlichen 20% überproportional viel arbeiten, da sie ja für die 20% mehr Entgelt alles von neu machen müsste.

Cocos.lawstudy

Cocos.lawstudy

25.7.2024, 22:37:24

Ich verstehe den Erklärungstext auch so, dass sie dann 180 % Vergütung erhält.

ahimes

ahimes

23.8.2024, 16:30:33

Würde mich auch interessieren....bitte um Stellungnahme von Jurafuchs

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

21.9.2024, 09:33:13

Hallo @[paulmachtexamen](210803), in unserem Vertiefunghinweis steht ja, dass U für den Folgeauftrag die volle Vergütung verlangen kann. Er könnte aber natürlich genau so gut die halbe oder gar keine Vergütung verlangen. Es handelt sich ja um einen komplett neuen Vertrag, nicht um eine Mängelbeseitigung iRd alten Vertrags - und die Höhe der Vergütung können die Parteien grds frei aushandeln. Komplizierter wird es dann, wenn man den Unternehmer mit einem TdL nach Treu und Glauben in einzelnen Fällen für verpflichtet dazu hält, das Werk fertigzustellen (so Staudinger/Peters, BGB, Neubearb 2019, § 645 Rn 30 mit Verweis auf § 644 Rn 11). Auch dann soll er dafür natürlich eine Vergütung erhalten. Die Höhe dieser zusätzlichen Vergütung sei dann nach Staudinger "nach den Maßstäben des [ursprünglichen] Vertrages" zu ermitteln (Staudinger/Peters, BGB, Neubearb 2019, § 644 Rn 11). Man wird in solchen Fällen mE zwar die ursprüngliche Kalkulation als Anhaltspunkt nehmen können, wird aber auch berücksichtigen müssen, ob zB aufgrund bestimmter Umstände der Gesamtaufwand für den Unternehmer davon (nach oben oder nach unten) abweicht. Ist iRv Fassadenarbeiten beispielsweise das Gerüst schon aufgebaut und viele der Materialien schon vor Ort, wird die Vergütung für das Fertigstellen der Arbeiten, also den Folgeauftrag, typischerweise geringer ausfallen müssen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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