Schema: Rechtmäßigkeit einer Rechtsverordnung
14. Juli 2025
11 Kommentare
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Wie prüfst Du die Rechtmäßigkeit einer Rechtsverordnung, etwa im Rahmen einer Normenkontrolle (§ 47 Abs. 1 VwGO) oder inzident bei der Überprüfung von Verwaltungsakten?
Verfassungsmäßigkeit der Verordnungsermächtigung
Wegen des Gewaltenteilungs- und Rechtsstaatsprinzips darf die Exekutive die Voraussetzungen ihres Handelns nicht selbst festlegen. Dazu ist nur der unmittelbar demokratisch legitimierte Gesetzgeber ermächtigt. Der Erlass einer Rechtsverordnung durch die Exekutive darf daher nur aufgrund einer formell-gesetzlichen Verordnungsermächtigung erfolgen. Die Rechtsverordnung kann nur rechtmäßig sein, wenn die Ermächtigungsgrundlage selbst formell und materiell verfassungsmäßig ist. In der Klausur wirst Du die Verfassungsmäßigkeit der Verordnungsermächtigung regelmäßig unterstellen können, es sei denn, der Sachverhalt enthält gegenteilige Anhaltspunkte. Formelle Verfassungsmäßigkeit der Verordnungsermächtigung
Zunächst muss das Gesetz, das die Exekutive zum Erlass der Rechtsverordnung ermächtigt, selbst formell rechtmäßig sein. Dazu müssen Zuständigkeits-, Verfahrens- und Formvorschriften eingehalten worden sein. Die erlassende Stelle muss also die Gesetzgebungskompetenz haben, das (bundes- oder landesrechtliche) Gesetzgebungsverfahren muss eingehalten und das Gesetz ordnungsgemäß ausgefertigt und verkündet worden sein. Für Bundesgesetze sind die Art. 70ff. GG entscheidend. Die meisten Landesverfassungen enthalten inhaltlich gleichlaufende Regelungen.
Materielle Verfassungsmäßigkeit der Verordnungsermächtigung
Das ermächtigende Gesetz muss auch materiell verfassungsmäßig sein. Dazu gehört insbesondere die Einhaltung der Vorgaben aus Art. 80 Abs. 1 GG. Art. 80 Abs. 1 GG gilt direkt für Bundesgesetze und nach den Grundsätzen aus Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 28 Abs. 1 S 1 GG zumindest entsprechend für Landesgesetze. Besonders relevant ist der Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG, wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung genau bestimmt sein muss. Daneben ist die Wesentlichkeitsrechtsprechung des BVerfG zu beachten. Weiterhin muss das ermächtigende Gesetz auch mit sonstigem höherrangigem Recht (insbesondere den Grundrechten und allgemeinen Verfassungsprinzipien) vereinbar sein. Ist die Verfassungsmäßigkeit der Verordnungsermächtigung Klausurgegenstand, wird an dieser Stelle in der Regel der Schwerpunkt liegen!
Rechtmäßigkeit der Rechtsverordnung
Liegt eine rechtmäßige Verordnungsermächtigung vor, muss im zweiten Schritt die Rechtmäßigkeit der Rechtsverordnung überprüft werden. Als gedankliche Hilfe kannst Du Dir die Rechtmäßigkeit des Erlasses eines Verwaltungsakts vor Augen führen: Auch dieser muss aufgrund einer rechtmäßigen Ermächtigungsgrundlage selbst formell und materiell rechtmäßig ergangen sein. Die Rechtsverordnung ist lediglich eine andere Handlungsform der Exekutiven. Die Prüfungsstruktur ist übertragbar, auch wenn die Inhalte der Prüfung unterschiedlich sind. Formelle Rechtmäßigkeit der Verordnung
Die Rechtsverordnung ist formell rechtmäßig, wenn Zuständigkeits-, Verfahrens- und Formvorschriften eingehalten worden sind. Die Zuständigkeit ergibt sich aus der Verordnungsermächtigung. Im Verfahren sind zum Beispiel Zustimmungserfordernisse (Art. 80 Abs. 2 GG) zu beachten. Aus Art. 80 Abs. 1 GG, 19 Abs. 1 S. 2 GG ergeben sich spezielle Anforderungen an die Form der Verordnung. Schließlich muss diese ausgefertigt und verkündet werden, Art. 82 Abs. 1 S. 3 GG. Interessanterweise gibt es für Rechtsverordnungen - anders als für Verwaltungsakte gemäß § 39 (L)VwVfG - keine Begründungspflicht. Teilweise enthalten Verordnungsermächtigungen aber spezielle Begründungsanforderungen. Materielle Rechtmäßigkeit der Verordnung
Die Rechtsverordnung ist materiell rechtswidrig, wenn sie nicht mit der Verordnungsermächtigung vereinbar ist oder gegen sonstiges höherrangiges Recht verstößt. Auch hier hilft wieder die gedankliche Parallele zur Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts, wo Du ebenfalls zuerst prüfst, ob die Voraussetzungen (= Tatbestand) der Ermächtigungsgrundlage erfüllt sind, und, sofern dies der Fall ist, den Erlass des Verwaltungsakts auf Rechtsfolgenseite auf sonstige materielle Fehler (z.B. Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) überprüfst.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Chiara_K
13.3.2024, 20:24:14
Ist eine Verordnung auch materiell
rechtswidrig, wenn sie zwar nicht mit einer
Ermächtigungsgrundlagevereinbar ist, die materiell
rechtswidrigist, aber mit rechtswirksamem höherrangigem Recht?
P K
14.3.2024, 20:00:55
Ja, weil die Rechtsgrundlage Voraussetzung für jede Verordnung ist und höherrangiges Recht, soweit es nicht auch zur Verordnungsgebung ermächtigt, lediglich (weitere) Grenzen der Verordnungskompetenz vorsieht.

Sassun
29.10.2024, 11:27:45
Im Schema ergänzt werden könnte: Unter 2. Formelle RMK der Rechtsverordnung a) ggf. die Abgrenzung zur
Allgemeinverfügung/ Satzung unter c) Verfahren - Art. 80 I 3 GG (Angeben der Rechtsgrundlage)
Jimmy105
19.11.2024, 09:58:42
Gute Idee
okalinkk
18.4.2025, 16:24:45
ist die Abgrenzung so korrekt? 1) Gemeinsamkeiten RVO+ Satzung: beides abstrakt generelle Regelungen 2) Unterschiede zw. RVO + Satzung: RVO: regelt staatliche Angelegenheiten Satzung: Regelung in SELBSTverwaltungsangelegenheiten 3)
Allgemeinverfügung: konkret (!) generelle Regelung. Konkret= einzelner Sachverhalt

yusdix
23.4.2025, 17:08:01
RVO regelt abstrakt-generelle Sachverhalte
Niro95
9.6.2025, 23:15:06
Wie würde sich denn in einem 47er-Verfahren die Verfassungswidrigkeit der Verordnungsermächtigung auswirken? Darf das OVG dann auf dieser Grundlage die
Rechtswidrigkeit der Verordnung feststellen, oder müsste es nach 100 GG dem BVerfG vorlegen? Und wie macht man das dann in der Klausur?