Schema: Ermächtigungsgrundlage

18. Januar 2025

4,8(38.385 mal geöffnet in Jurafuchs)


Wie prüfst Du Ermächtigungsgrundlagen im Polizeirecht? Wo modifiziert die Ermächtigungsgrundlage für eine Einzelfallmaßnahme den Prüfungsinhalt?

  1. Ermächtigungsgrundlage

    An dieser Stelle muss bereits die konkrete Ermächtigungsgrundlage herausgearbeitet werden, denn die Ermächtigungsgrundlage beeinflusst ganz wesentlich die folgende Prüfung. Zumindest gedanklich, sollte man sich fragen, ob ein Spezialgesetz eine Regelung enthält, die die handelnde Behörde zu der konkreten Maßnahme ermächtigt (z.B. § 15 Abs. 3 VersG). Ist dies nicht der Fall, fragt sich, ob eine Standardmaßnahme (z.B. die §§ 15 ff. OBG Thür, Art. 12 ff. bayPAG) vorliegt. Nur wenn auch dies nicht ersichtlich ist kann - vorbehaltlich weiterer Restriktionen - auf die Generalklausel (z.B. § 5 Abs. 1 OBG Thür, Art. 11 Abs. 1 S. 1 bayPAG) zurückgegriffen werden.

  2. Formelle Rechtmäßigkeit

    1. Zuständigkeit

      Die Ermächtigungsgrundlage kann die Zuständigkeit einer Maßnahme modifizieren. Nach Art. 24 Abs. 2 S. 1 bayVersG etwa ist zuständige Behörde im Sinne des bayVersG die Kreisverwaltungsbehörde während das bayPAG grundsätzlich die Polizei im Sinne des § 1 Abs. 1 bayPAG ermächtigt.

    2. Verfahren

      Einige Ermächtigungsgrundlagen sehen ein besonderes Verfahren vor. Eine Wohnungsdurchsuchung etwa bedarf außer bei Gefahr im Verzug gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 OBG Thür oder Art. 24 Abs. 1 bayPAG der richterlichen Anordnung.

    3. Form

      Auch die Formanforderungen können modifiziert werden. Die in Hamburg besonders normierte Meldeauflage nach § 11a S. 1 SOG HH bedarf beispielsweise gemäß § 11a S. 2 SOG HH der Schriftform.

  3. Materielle Rechtmäßigkeit

    1. Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen

      Die Tatbestandsvoraussetzungen werden ganz wesentlich durch die Ermächtigungsgrundlage modifiziert. Im Vergleich zu der für die Generalklauseln geforderte konkreten Gefahr für irgendein polizeiliches Schutzgut, verlangen die Standard- und Spezialermächtigungen vielfach qualifizierte Gefahrenlagen.

    2. Verantwortlichkeit des Adressaten

      Grundsätzlich richtet sich die Verantwortlichkeit nach den allgemeinen Regeln (z.B. Art. 7, 8, 10 bayPAG, §§ 10, 11, 13 OBG Thür). Einige Standard- oder Spezialermächtigungen verdrängen jedoch die allgemeine Regelung zur polizeirechtlichen Verantwortlichkeit.

    3. Rechtsfolge: Ermessen

      Maßgeblicher Maßstab der Ermessensüberschreitung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die verschiedenen Spezial- und Standardermächtigungen greifen in unterschiedlicher Intensität in verschiedene Grundrechte ein. Ein langfristiges Aufenthaltsverbot greift etwa in Art. 11 Abs. 1 GG ein, während eine Platzverweisung lediglich in Art. 2 Abs. 1 GG eingreift. Entsprechend der je-desto-Formel müsst ihr also prüfen, ob gerade die getroffene Maßnahme angemessen ist oder ob es zur effektiven Gefahrenabwehr nicht ausreichend gewesen wäre, eine mildere Maßnahme zu treffen.

    4. Rechtsfolge: Grenzen der Befugnis

      Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ermächtigungsgrundlage vor, darf die Polizei nur diejenigen Maßnahmen ergreifen, zu denen sie durch diese Ermächtigungsgrundlage auch befugt ist. Andere Maßnahmen, zu denen die einschlägige Ermächtigungsgrundlage die Polizei nicht befugt, darf die Polizei auch nicht ergreifen. Auch inhaltliche Beschränkungen der Ausübung der Befugnis – etwa zeitliche Beschränkungen – muss die Polizei einhalten. Tut sie dies nicht, überschreitet sie die Grenzen der Befugnis, die durch die Ermächtigungsgrundlage eingeräumt wurde. In der Folge ist die ergriffene Maßnahme rechtswidrig.

Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MAT

Matschegenga

30.8.2022, 23:24:38

Ist die Störereigenschaft nicht eine Rechtsfolgenfrage (nämlich ob, bei Vorliegen der

Tatbestand

svoraussetzungen, der Adressat fehlerfrei ausgewählt wurde)?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

1.9.2022, 09:53:15

Hallo Matschegenga, die Störerauswahl kann gerade bei m

ehre

ren Störern auch einen Teil der Rechtsfolgen ausmachen in der Form, ob der Adressat fehlerfrei ermittelt wurde. Die Frage, ob die Person aber überhaupt Störer im polizei- und ordnungsrechtlichen Sinne ist, ist Teil des

Tatbestand

es. Vorbehaltlich besonderen Regelungen in Spezialgesetzen und den Ermächtigungen für

Standardmaßnahmen

richtet sich dies nach den allgemeinen Regeln, die das jeweilige Polizei- und Ordnungsrecht des Landes enthält. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuch-Team

A-MUC

A-MUC

3.7.2024, 12:18:12

Drei kleine Anmerkungen, die v.a. Bayern betreffen: Bei Verfahren steht: "Eine Wohnungsdurchsuchung etwa bedarf außer bei

Gefahr im Verzug

gemäß (...) Art. 24 Abs. 1 bayPAG der richterlichen Anordnung." Tatsächlich kann ich das der Norm aber nicht entnehmen. Stimmt das so? Außerdem könnte man - nachdem ja auf die bayerischen Normen im gesamten Schema Bezug genommen wird (Danke!) - bei der EGL auch den Art. 15 IV BayVersG nennen. Eigentlich müsste das PAG in Bayern einfach als "PAG" und nicht bayPAG bezeichnet werden, weil das die amtliche Gesetzesbezeichnung ist. Von anderen Polizeiaufgabengesetzen in anderen Ländern könnte man es z.B. als PAG (Bayern) bezeichnen. Unser Repetitor weist immer darauf hin, dass wir die Normen exakt so bezeichnen sollen, wie auch der Gesetzgeber :) Ist natürlich kleinlich und wird häufig so gehandhabt wie bei Euch, aber stimmt eigentlich nicht zu 100%.

BigLebowski

BigLebowski

12.7.2024, 13:24:19

Also deine erste Anmerkung ist nicht nachzuvollziehen, Art. 24 I PAG lautet: "(1) Durchsuchungen von Wohnungen dürfen, außer bei

Gefahr im Verzug

, nur durch den Richter angeordnet werden.". Abgerufen über https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayPAG-24, letzte Akt.: 01.08.2023. Den anderen beiden Bemerkungen stimme ich zu. Vielleicht könntet ihr, statt alle Versammlungsgesetze der Länder einzeln zu zitieren, einfach einen kleinen Hinweis einbauen, dass es neben der bundesrechtlichen EGL auch ggf. eine landesspezifische gibt? Und soweit ich das überblicken kann, gibt es auf Länderebene nur einmal die Bezeichnung "PAG", nämlich in Bayern.

A-MUC

A-MUC

12.7.2024, 14:20:32

Keine Ahnung, was bei Anmerkung 1 schief gelaufen ist, da hast du natürlich Recht, danke 😅


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen