Schema: Ermächtigungsgrundlage
Wie prüfst Du Ermächtigungsgrundlagen im Polizeirecht? Wo modifiziert die Ermächtigungsgrundlage für eine Einzelfallmaßnahme den Prüfungsinhalt?
Ermächtigungsgrundlage
An dieser Stelle muss bereits die konkrete Ermächtigungsgrundlage herausgearbeitet werden, denn die Ermächtigungsgrundlage beeinflusst ganz wesentlich die folgende Prüfung. Zumindest gedanklich, sollte man sich fragen, ob ein Spezialgesetz eine Regelung enthält, die die handelnde Behörde zu der konkreten Maßnahme ermächtigt (z.B. § 15 Abs. 3 VersG). Ist dies nicht der Fall, fragt sich, ob eine Standardmaßnahme (z.B. die §§ 15 ff. OBG Thür, Art. 12 ff. bayPAG) vorliegt. Nur wenn auch dies nicht ersichtlich ist kann - vorbehaltlich weiterer Restriktionen - auf die Generalklausel (z.B. § 5 Abs. 1 OBG Thür, Art. 11 Abs. 1 S. 1 bayPAG) zurückgegriffen werden.
Formelle Rechtmäßigkeit
Zuständigkeit
Die Ermächtigungsgrundlage kann die Zuständigkeit einer Maßnahme modifizieren. Nach Art. 24 Abs. 2 S. 1 bayVersG etwa ist zuständige Behörde im Sinne des bayVersG die Kreisverwaltungsbehörde während das bayPAG grundsätzlich die Polizei im Sinne des § 1 Abs. 1 bayPAG ermächtigt.
Verfahren
Einige Ermächtigungsgrundlagen sehen ein besonderes Verfahren vor. Eine Wohnungsdurchsuchung etwa bedarf außer bei Gefahr im Verzug gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 OBG Thür oder Art. 24 Abs. 1 bayPAG der richterlichen Anordnung.
Form
Auch die Formanforderungen können modifiziert werden. Die in Hamburg besonders normierte Meldeauflage nach § 11a S. 1 SOG HH bedarf beispielsweise gemäß § 11a S. 2 SOG HH der Schriftform.
Materielle Rechtmäßigkeit
Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen
Die Tatbestandsvoraussetzungen werden ganz wesentlich durch die Ermächtigungsgrundlage modifiziert. Im Vergleich zu der für die Generalklauseln geforderte konkreten Gefahr für irgendein polizeiliches Schutzgut, verlangen die Standard- und Spezialermächtigungen vielfach qualifizierte Gefahrenlagen.
Verantwortlichkeit des Adressaten
Grundsätzlich richtet sich die Verantwortlichkeit nach den allgemeinen Regeln (z.B. Art. 7, 8, 10 bayPAG, §§ 10, 11, 13 OBG Thür). Einige Standard- oder Spezialermächtigungen verdrängen jedoch die allgemeine Regelung zur polizeirechtlichen Verantwortlichkeit.
Rechtsfolge: Ermessen
Maßgeblicher Maßstab der Ermessensüberschreitung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die verschiedenen Spezial- und Standardermächtigungen greifen in unterschiedlicher Intensität in verschiedene Grundrechte ein. Ein langfristiges Aufenthaltsverbot greift etwa in Art. 11 Abs. 1 GG ein, während eine Platzverweisung lediglich in Art. 2 Abs. 1 GG eingreift. Entsprechend der je-desto-Formel müsst ihr also prüfen, ob gerade die getroffene Maßnahme angemessen ist oder ob es zur effektiven Gefahrenabwehr nicht ausreichend gewesen wäre, eine mildere Maßnahme zu treffen.
Rechtsfolge: Grenzen der Befugnis
Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ermächtigungsgrundlage vor, darf die Polizei nur diejenigen Maßnahmen ergreifen, zu denen sie durch diese Ermächtigungsgrundlage auch befugt ist. Andere Maßnahmen, zu denen die einschlägige Ermächtigungsgrundlage die Polizei nicht befugt, darf die Polizei auch nicht ergreifen. Auch inhaltliche Beschränkungen der Ausübung der Befugnis – etwa zeitliche Beschränkungen – muss die Polizei einhalten. Tut sie dies nicht, überschreitet sie die Grenzen der Befugnis, die durch die Ermächtigungsgrundlage eingeräumt wurde. In der Folge ist die ergriffene Maßnahme rechtswidrig.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Matschegenga
30.8.2022, 23:24:38
Ist die Störereigenschaft nicht eine Rechtsfolgenfrage (nämlich ob, bei Vorliegen der
Tatbestandsvoraussetzungen, der Adressat fehlerfrei ausgewählt wurde)?
Nora Mommsen
1.9.2022, 09:53:15
Hallo Matschegenga, die Störerauswahl kann gerade bei m
ehreren Störern auch einen Teil der Rechtsfolgen ausmachen in der Form, ob der Adressat fehlerfrei ermittelt wurde. Die Frage, ob die Person aber überhaupt Störer im polizei- und ordnungsrechtlichen Sinne ist, ist Teil des
Tatbestandes. Vorbehaltlich besonderen Regelungen in Spezialgesetzen und den Ermächtigungen für
Standardmaßnahmenrichtet sich dies nach den allgemeinen Regeln, die das jeweilige Polizei- und Ordnungsrecht des Landes enthält. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuch-Team
A-MUC
3.7.2024, 12:18:12
Drei kleine Anmerkungen, die v.a. Bayern betreffen: Bei Verfahren steht: "Eine Wohnungsdurchsuchung etwa bedarf außer bei
Gefahr im Verzuggemäß (...) Art. 24 Abs. 1 bayPAG der richterlichen Anordnung." Tatsächlich kann ich das der Norm aber nicht entnehmen. Stimmt das so? Außerdem könnte man - nachdem ja auf die bayerischen Normen im gesamten Schema Bezug genommen wird (Danke!) - bei der EGL auch den Art. 15 IV BayVersG nennen. Eigentlich müsste das PAG in Bayern einfach als "PAG" und nicht bayPAG bezeichnet werden, weil das die amtliche Gesetzesbezeichnung ist. Von anderen Polizeiaufgabengesetzen in anderen Ländern könnte man es z.B. als PAG (Bayern) bezeichnen. Unser Repetitor weist immer darauf hin, dass wir die Normen exakt so bezeichnen sollen, wie auch der Gesetzgeber :) Ist natürlich kleinlich und wird häufig so gehandhabt wie bei Euch, aber stimmt eigentlich nicht zu 100%.
BigLebowski
12.7.2024, 13:24:19
Also deine erste Anmerkung ist nicht nachzuvollziehen, Art. 24 I PAG lautet: "(1) Durchsuchungen von Wohnungen dürfen, außer bei
Gefahr im Verzug, nur durch den Richter angeordnet werden.". Abgerufen über https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayPAG-24, letzte Akt.: 01.08.2023. Den anderen beiden Bemerkungen stimme ich zu. Vielleicht könntet ihr, statt alle Versammlungsgesetze der Länder einzeln zu zitieren, einfach einen kleinen Hinweis einbauen, dass es neben der bundesrechtlichen EGL auch ggf. eine landesspezifische gibt? Und soweit ich das überblicken kann, gibt es auf Länderebene nur einmal die Bezeichnung "PAG", nämlich in Bayern.
A-MUC
12.7.2024, 14:20:32
Keine Ahnung, was bei Anmerkung 1 schief gelaufen ist, da hast du natürlich Recht, danke 😅