Schema: TKÜ (§ 100a StPO)

28. Dezember 2024

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Die TKÜ bedeutet einen schweren Grundrechtseingriff und ist daher nur unter den strengen Voraussetzungen des § 100a StPO möglich. Weißt Du, wie man die Voraussetzungen der TKÜ prüft?

  1. Ermächtigungsgrundlage (§ 100a StPO)

    Das Schema, mit dem du die Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs prüfst, kennst du bereits aus dem öffentlichen Recht. Das Strafrecht ist streng genommen Teil des öffentlichen Rechts. Auch die Zwangsmaßnahmen als klassische Grundrechtseingriffe kannst du also anhand dieses Schemas prüfen. Hier liegt etwa ein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG) und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) vor. Lerne in Zusammenhängen! So kannst du neues Wissen mit bekannten Strukturen verknüpfen und erlangst Systemverständnis.

    1. Anwendungsbereich: Telekommunikation

      Die Telekommunikation umfasst alle Formen der Nachrichtenübermittlung unter Raumüberwindung in nichtkörperlicher Weise mittels technischer Einrichtungen, auch von Maschine zu Maschine, also etwa die Kommunikation per Mail, Messenger-Dienst oder Telefon.

      1. Grundsatz: Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft (§ 100e Abs. 1 S. 1 StPO)

        Zuständig ist hier das Gericht am Sitz der Staatsanwaltschaft (§ 162 Abs. 1 StPO).

      2. Ausnahme: Staatsanwaltschaft bei Gefahr im Verzug (§ 100e Abs. 1 S. 2 StPO)

        Würde der Zweck der Maßnahme durch die zeitliche Verzögerung der Anordnung bei Anrufung des Gerichts gefährdet, so kann die Staatsanwaltschaft die TKÜ anordnen. Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft (§ 152 GVG) sind niemals zuständig. Die Anordnung der Staatsanwaltschaft muss innerhalb von drei Tagen gerichtlich bestätigt werden (§ 100e Abs. 1 S. 3 StPO).

  2. Formelle Eingriffsvoraussetzungen (§ 100e StPO)

    1. Zuständigkeit für die Anordnung

      1. Grundsatz: Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft (§ 100e Abs. 1 S. 1 StPO)

        Zuständig ist hier das Gericht am Sitz der Staatsanwaltschaft (§ 162 Abs. 1 StPO).

      2. Ausnahme: Staatsanwaltschaft bei Gefahr im Verzug (§ 100e Abs. 1 S. 2 StPO)

        Würde der Zweck der Maßnahme durch die zeitliche Verzögerung der Anordnung bei Anrufung des Gerichts gefährdet, so kann die Staatsanwaltschaft die TKÜ anordnen. Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft (§ 152 GVG) sind niemals zuständig. Die Anordnung der Staatsanwaltschaft muss innerhalb von drei Tagen gerichtlich bestätigt werden (§ 100e Abs. 1 S. 3 StPO).

    2. Verfahren der Anordnung (§ 100e Abs. 1 StPO)

      Das genaue Verfahren ist abhängig von der Zuständigkeit. Bei gerichtlicher Anordnung ist ein Antrag der Staatsanwaltschaft erforderlich (§ 100e Abs. 1 S. 1 StPO) und bei staatsanwaltschaftlicher Anordnung eine gerichtliche Bestätigung der Maßnahme innerhalb von drei Tagen (§ 100e Abs. 1 S. 3 StPO). Der Betroffene muss nicht zuvor angehört werden, da dies den Zweck der Maßnahme gefährden würde (§ 33 Abs. 4 StPO).

    3. Form der Anordnung (§ 100e Abs. 3, Abs. 4 StPO)

      Die Anordnung ergeht schriftlich (§ 100e Abs. 3 S. 1 StPO). In § 100e Abs. 3 S. 2 und Abs. 4 StPO findest Du detailliert aufgelistet, was die Entscheidungsformel und die Begründung der Anordnung der TKÜ enthalten muss.

  3. Materielle Eingriffsvoraussetzungen

    1. Anfangsverdacht einer Katalogstraftat (§ 100a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO)

      Es müssen bestimmte Tatsachen vorliegen, die es nach allgemeiner kriminalistischer Erfahrung möglich erscheinen lassen, dass eine der in § 100a Abs. 2 genannten Katalogtaten vorliegt (Anfangsverdacht). Es genügt sowohl der Verdacht der Täterschaft als auch der Teilnahme. Auch der bloße Versuch (§§ 22, 23 StGB) oder die reine Vorbereitung einer Katalogtat durch eine andere Straftat genügen.

    2. Die Tat wiegt auch im Einzelfall schwer (§ 100a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StPO)

      Die Tat muss nicht nur abstrakt (wegen ihrer Strafdrohung), sondern auch im Einzelfall schwer wiegen. Indizien für ein besonderes Gewicht können danach die Schutzwürdigkeit der verletzten Rechtsgüter, der Grad der Bedrohung der Allgemeinheit, die Art der Begehung der Straftat, die Anzahl der Geschädigten und das Ausmaß des Schadens sein.

    3. Adressat der Maßnahme (§ 100a Abs. 3 StPO)

      Die Anordnung darf sich nur gegen (1) den Beschuldigten oder (2) gegen Personen richten, die für den Beschuldigten bestimmte oder von dem Beschuldigten stammende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder (3) gegen Personen, deren Anschluss oder informationstechnische Systeme der Beschuldigte benutzt.

    4. Erlangte Informationen entstammen nicht ausschließlich dem Kernbereich privater Lebensgestaltung (§ 100d Abs. 1 StPO)

      Liegen tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass durch eine TKÜ allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt werden, ist die Maßnahme unzulässig. Im Übrigen dürfen solche Informationen nicht verwertet werden und sind unverzüglich zu löschen (§ 100d Abs. 2 StPO). Dies ist Auswuchs des Verhältnismäßigkeitsprinzips, da ein Eingriff in die Intimsphäre (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) niemals gerechtfertigt sein kann.

    5. Verhältnismäßigkeit des Eingriffs

      Hier prüfst du den legitimen Zweck, die Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Maßnahme. Insbesondere musst du den sogenannten Subsidiaritätsgrundsatz ansprechen, wonach die Maßnahme nur zulässig ist, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre (§ 100a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO). Weiterhin ist die Anordnung auf höchstens drei Monate zu befristen, eine Verlängerung ist aber möglich (§ 100e Abs. 1 S. 4, 5 StPO).

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