Strafrecht

Strafprozessrecht

Einführung

Die Strafprozessordnung - Einführungsfall

Die Strafprozessordnung - Einführungsfall

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Jurastudentin Martha (M) soll in ihrem Praktikum am Amtsgericht A eine Anklage wegen einer Körperverletzung (§ 223 StGB) bearbeiten, die im Bezirk des Amtsgerichts A begangen wurde. Der Angeklagte wohnt im Gerichtsbezirk B. M will herausfinden, ob das Gericht A örtlich zuständig ist.

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Einordnung des Falls

Die Strafprozessordnung - Einführungsfall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Es gibt Regeln, wie das materielle Strafrecht aus dem Strafgesetzbuch (StGB) durchgesetzt wird. Findet M dieses sog. formelle Strafrecht vor allem in der Strafprozessordnung (StPO)?

Genau, so ist das!

Das formelle Strafrecht regelt, wie die Durchsetzung des materiellen Strafrechts, welches vor allem im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt ist, in rechtsstaatlicher Weise erfolgt. Es beschäftigt sich mit dem Ermittlungs- und Strafverfahren, ebenso wie mit der anschließenden Vollstreckung. Die wichtigsten Regeln finden sich in der Strafprozessordnung (StPO). Ergänzt wird die StPO durch zahlreiche andere Gesetze, wie das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), das Jugendgerichtsgesetz (JGG) und die Strafvollzugsgesetze der Länder. Auch im StGB finden sich vereinzelt formelle Normen, wie etwa das Strafantragsrecht (§§ 77ff. StGB).
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2. Enthält die Strafprozessordnung auch materielle Straftatbestände?

Nein, das trifft nicht zu!

Das materielle Strafrecht regelt, was als strafbar gilt und welche Rechtsfolgen Verstöße gegen Strafnormen haben. Diese Fragen finden sich vor allem im StGB und den Gesetzen des Nebenstrafrechts (z.B. Betäubungsmittelgesetz - BtMG). Die StPO klärt dagegen, wie Verstöße gegen diese Gesetze auf rechtsstaatliche Weise verfolgt und durchgesetzt werden können. Es gibt nur vereinzelt materielle Regeln, so etwa § 127 Abs. 1 und 2 StPO als materielle Rechtfertigungsgründe. Straftatbestände, die für ein bestimmtes Verhalten eine Strafe androhen, finden sich in der StPO dagegen nicht.Merke: Das formelle Strafrecht umfasst die Vorschriften darüber, wie strafrechtliche Verfahren durchgeführt werden sollen, und nicht, welche Handlungen strafbar sind.

3. Die Frage der örtlichen Zuständigkeit eines Gerichts gehört zum formellen Strafrecht.

Ja!

Das formelle Strafrecht regelt die Durchsetzung des materiellen Strafrechts. Das materielle Strafrecht regelt, was als strafbar gilt und welche Rechtsfolgen Verstöße gegen Strafnormen haben. Die Frage der Zuständigkeit des Gerichts ist eine Verfahrensfrage („An welchem Gericht wird der Verstoß gegen die Strafnorm (§ 223 StGB) angeklagt, verhandelt und abgeurteilt?“). Sie betrifft nicht die Frage, ob ein Verhalten strafbar ist. Damit handelt es sich um formelles Strafrecht.

4. Die Frage, welches Gericht örtlich zuständig ist, gehört zum formellen Strafrecht. Enthält das StGB Regeln zur örtlichen Zuständigkeit?

Nein, das ist nicht der Fall!

Das formelle Strafrecht ist vor allem in der StPO geregelt. Bist Du Dir nicht sicher, wo Du eine formelle Regelung findest, solltest Du daher zunächst in die StPO schauen. Die örtliche Zuständigkeit ist unter „Gerichtsstand“ in den §§ 7ff. StPO geregelt. Dort sind mehrere Anknüpfungspunkte für die örtliche Zuständigkeit normiert (insbesondere der Tatort, § 7 StPO, der Wohnsitz, § 8 StPO und der Ergreifungsort, § 9 StPO), welche aber in keiner Hierarchie stehen. Sind mehrere dieser Gerichtsstände eröffnet, entscheidet die Staatsanwaltschaft, wo sie Anklage erhebt. Diese Entscheidung ist nur auf Willkür überprüfbar. Ihre Entscheidung zwischen den in Betracht kommenden Gerichtsständen darf demnach nicht auf unsachlichen, sich von den gesetzlichen Maßstäben völlig entfernenden Erwägungen beruhen. Die StPO ist „angewandtes Verfassungsrecht“. So sichern die Vorschriften zur örtlichen Zuständigkeit das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG).

5. Das Amtsgericht A ist örtlich zuständig (§§ 7ff. StPO).

Ja, in der Tat!

Der Gerichtsstand kann sowohl bei dem Gericht begründet sein, in dessen Bezirk die Straftat begangen ist (§ 7 Abs. 1 StPO), als auch bei dem Gericht, in dessen Bezirk der Angeschuldigte zur Zeit der Erhebung der Klage seinen Wohnsitz hat (§ 8 Abs. 1 StPO). Sind mehrere dieser Gerichtsstände eröffnet, entscheidet die Staatsanwaltschaft, wo sie Anklage erhebt. Diese Entscheidung ist nur auf Willkür überprüfbar. Ihre Entscheidung zwischen den nach §§ 7 ff. StPO in Betracht kommenden Gerichtsständen darf demnach nicht auf unsachlichen, sich von den gesetzlichen Maßstäben völlig entfernenden Erwägungen beruhen.Der Tatort ist nach § 7 Abs. 1 StPO legitimer Anknüpfungspunkt. Regelmäßig wird sich dieser Ort als Gerichtsstand anbieten, da etwa Zeugen kürzere Wege zum Gericht haben. Jedenfalls ist die Entscheidung nicht willkürlich. Das Amtsgericht A ist örtlich zuständig.
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