Strafrecht

Strafprozessrecht

Die Verfahrensbeteiligten

Begründung der Beschuldigtenbestellung - Vernehmung als konkludenter Willensakt

Begründung der Beschuldigtenbestellung - Vernehmung als konkludenter Willensakt

20. Mai 2025

2 Kommentare

4,5(1.370 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Bs Frau und Tochter verschwinden spurlos. Die Polizei verdächtigt B des Mordes und vernimmt ihn. Sie halten ihm „Schwachstellen” seiner Aussage vor, die ihn „nur noch verdächtiger” machten und fordern ihn auf, den Fundort der Leichen zu verraten. Erst am Tag danach leitet die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen B ein.

Diesen Fall lösen 0,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Begründung der Beschuldigtenbestellung - Vernehmung als konkludenter Willensakt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B ist Beschuldigter, wenn er Tatverdächtiger ist, gegen den die Strafverfolgungsorgane aufgrund eines Willensakts das Verfahren als Beschuldigten betreiben wollen.

Genau, so ist das!

Beschuldigter ist nach der h.M. derjenige, (1) gegen den ein Anfangsverdacht besteht und (2) den die Strafverfolgungsbehörden als Beschuldigten verfolgen wollen (subjektives Element), (3) wobei dieser Wille nach außen erkennbar hervortreten muss (objektives Element). B war hier tatverdächtig. Fraglich ist nur, ob ein Strafverfolgungswille der Behörden bereits hervorgetreten ist.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Kann die Strafverfolgungsbehörde den Strafverfolgungswillen nur ausdrücklich dadurch äußern, dass sie ein Ermittlungsverfahren einleitet?

Nein, das trifft nicht zu!

Ob ein Strafverfolgungswille nach außen hervortritt, richtet sich danach, wie sich das Verhalten des ermittelnden Beamten nach außen, insbesondere für den Betroffenen darstellt. Das Verhalten muss erkennbar darauf abzielen, gegen den Betroffenen wegen einer Straftat strafrechtlich vorzugehen.Der Strafverfolgungswille tritt regelmäßig hervor, wenn gegen eine Person durch Einleitungsverfügung der Staatsanwaltschaft ein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wird. Aber auch strafprozessuale Eingriffsmaßnahmen, die nur gegenüber dem Beschuldigten zulässig sind (z.B. U-Haft, §§ 112ff. StPO) oder an einen Anfangsverdacht anknüpfen, sind Handlungen, die auf den Verfolgungswillen schließen lassen. So kann die Beschuldigteneigenschaft auch konkludent begründet werden.

3. Hatten die Strafverfolgungsbehörden ihren Strafverfolgungswillen zum Zeitpunkt von Bs Vernehmung bereits ausdrücklich geäußert?

Nein!

Der Verfolgungswille der Strafverfolgungsbehörden wird regelmäßig dadurch ausdrücklich hervortreten, dass gegen einen Tatverdächtigen durch Einleitungsverfügung der Staatsanwaltschaft förmlich das Ermittlungsverfahren eingeleitet wird.Zwar hat die Staatsanwaltschaft hier das Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dies geschah aber erst am Tag nach der Vernehmung. Zum Zeitpunkt der Vernehmung war die Beschuldigteneigenschaft des B zumindest nicht durch ausdrücklichen Willensakt begründet.

4. Der Strafverfolgungswille könnte sich aber hier daraus ergeben, dass die Polizei B vernommen hat.

Genau, so ist das!

Ein Verfolgungswille tritt hervor, wenn das Verhalten der Beamten objektiv erkennbar darauf abzielt, gegen den Betroffenen wegen einer Straftat strafrechtlich vorzugehen. Er kann sich konkludent aus strafprozessualen Eingriffsmaßnahmen ergeben, die nur gegenüber dem Beschuldigten zulässig sind oder die an einen Anfangsverdacht anknüpfen.Die Strafverfolgungsbehörde kann den Verfolgungswillen so auch durch die Vernehmung zum Ausdruck bringen. Ein Verdächtiger kann aber auch als Zeuge vernommen werden, ohne dass er Beschuldigter ist (§§ 55, 60 Nr. 2 StPO). Die Vernehmung allein ist also kein hinreichender Beleg dafür, dass der Vernehmende den Vernommenen als Beschuldigten behandelt. Der Verfolgungswille kann sich aber aus dem Ziel, der Gestaltung und den Begleitumständen der Befragung ergeben.

5. Lässt sich hier aus der Vernehmung der Wille der Strafverfolgungsbehörden entnehmen, B als Beschuldigten zu behandeln?

Ja, in der Tat!

Eine Vernehmung allein ist nicht zwingend ein Beleg dafür, dass der Vernommene Beschuldigter ist. Der Verfolgungswille kann sich aber aus dem Ziel, der Gestaltung und den Begleitumständen der Befragung ergeben. Fraglich ist, ob die Vernehmung für den B erkennbar dazu diente, gegen ihn strafrechtlich vorzugehen.In der Vernehmung hielten die Beamten B vor allem Schwachstellen seiner Aussage vor, bezeichneten ihn als immer verdächtiger und fragten ihn nach dem Fundort der Leichen. Für B war damit erkennbar, dass die Vernehmung vornehmlich dazu diente, ihn des Mordes zu überführen. Der Verfolgungswille trat damit konkludent hervor und B war Beschuldigter.
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

lawlawland

lawlawland

8.4.2025, 14:46:15

Was genau ist dann der sog.

Inkulpationsakt

der Strafverfolgungs

behörde

n? Umfasst der Begriff diesen

erforderlich

en „Verfolgungswillen“ als Ganzes oder ist der

Inkulpationsakt

nur das objektive Element, also das nach außen erkennbare Hervortreten des Willensakts?

AR

Arno

11.4.2025, 14:25:35

Der

Inkulpationsakt

ist jedenfalls nicht "nur das objektive Element, das nach außen erkennbare Hervortreten des Willensakts". "[Dem sog. menschlichen

Inkulpationsakt

] wohnt eine erhebliche subjektive Komponente inne, sodass ein Verdacht nicht objektiv, sondern nur aus Sicht des jeweils Ermittelnden – und damit eines konkreten Menschen – bestehen kann" (NZV 2023, 145 Rn. 16, beck-online). Allerdings ist, wenn man den Ausgangsfall des BGH nimmt, wiederum der subjektiver Wille der Strafverfolgungs

behörde

keine notwendige Bedingung des die Be

schuld

igteneigenschaft begründenden

Inkulpationsakt

. "ist eine Ermittlungshandlung darauf gerichtet, den Vernommenen als Täter einer Straftat zu überführen, kommt es daher nicht mehr darauf an, wie der Ermittlungsbeamte sein Verhalten rechtlich bewertet" (BGH, Urteil vom 30.12.2014 – 2 StR 439/13, BeckRS 2015, 02134). Es genügt dann der sich in dem Führen des Ermittlungsverfahrens manifestierende Wille der Strafverfolgungs

behörde

, um einen

Inkulpationsakt

zu begründen. Man könnte demnach wohl zusammenfassen, dass a) objektive Anhaltspunkte für die Straftat alleine nicht genügen, sodass es b) für gewöhnlich einer menschlichen (subjektiven) Willensbetätigung eines Ermittelnden bedarf aber c) es auch genügt, dass aus den objektiven Umständen erkennbar ist, dass die Strafverfolgungs

behörde

einen Verdacht gegen den Betroffenen (dann: Be

schuld

igter) hegt.


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community