Prozessrecht & Klausurtypen

Die zivilrechtliche Urteilsklausur

Entscheidungsgründe

Veräußerung der streitbefangenen, abhandengekommenen Sache durch Beklagten

Veräußerung der streitbefangenen, abhandengekommenen Sache durch Beklagten

19. Juni 2025

3 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K verlangt klageweise die Herausgabe des Gartenzwergs (§ 985 BGB), den B aus seinem Garten gestohlen hat. Kurz nach Klageerhebung schenkt B den Zwerg seiner Tante T. Diese hat weder von dem Diebstahl noch von dem Prozess Kenntnis und nimmt ihn erfreut entgegen. B wird antragsgemäß verurteilt.

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Einordnung des Falls

Veräußerung der streitbefangenen, abhandengekommenen Sache durch Beklagten

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat K sein Eigentum an dem Gartenzwerg dadurch verloren, dass B diesen der T veräußerte.

Nein!

Der Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten bzw. der gutgläubige Erwerb ist in den §§ 932ff. BGB geregelt. Nach § 935 BGB ist ein gutgläubiger Erwerb jedoch ausgeschlossen, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhandengekommen war. B hat den Gartenzwerg bei K gestohlen. Der Gartenzwerg ist also abhandengekommen, sodass T trotz ihrer Gutgläubigkeit das Eigentum nicht wirksam von B erwerben konnte.
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2. Mangels Eigentumserwerb der T hat B keine streitbefangene Sache veräußert.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Sache ist streitbefangen, wenn durch ihre Veräußerung der Kläger nicht mehr aktivlegitimiert bzw. der Beklagte nicht mehr passivlegitimiert ist. B konnte T zwar kein Eigentum an dem Gartenzwerg verschaffen, hat jedoch zumindest seinen Besitz daran an T übertragen. Der Besitz des Anspruchsgegners ist jedoch Anspruchsvoraussetzung des Herausgabeanspruchs aus § 985 BGB. Durch die Besitzübertragung hat B somit an sich seine Passivlegitimation verloren.

3. Die fehlende Passivlegitimation des B wird über § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO überwunden.

Ja, in der Tat!

Die Veräußerung der streitbefangenen Sache hat auf den Prozess keinen Einfluss (§ 265 Abs. 2 S. 1 ZPO). Der Prozess wird demnach mit den bereits vorhandenen Parteien fortgesetzt. Geschieht die Veräußerung auf Beklagtenseite, wird die fehlende Passivlegitimation des Beklagten durch § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO überwunden. B hat als Beklagter eine streitbefangene Sache veräußert. Der damit einhergehende Verlust seiner Passivlegitimation wird durch § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO überwunden. Bei Veräußerung auf Klägerseite wird die fehlende Aktivlegitimation des Klägers dagegen erst dadurch überwunden, dass der Rechtsnachfolger ihm eine Einzugsermächtigung erteilt oder dass der Kläger den Klageantrag auf Leistung an den Rechtsnachfolger umstellt (§ 264 Nr. 2 ZPO).

4. Die Rechtskraft des Urteils erstreckt sich nicht auf T, da sie „doppelt gutgläubig“ war (§ 325 Abs. 2 ZPO).

Nein!

Nach § 325 Abs. 1 Alt. 1 ZPO wirkt ein Urteil grundsätzlich nicht nur für und gegen die Parteien des Rechtsstreits, sondern auch für und gegen diejenigen Personen, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit deren Rechtsnachfolger geworden sind. Hiervon bildet § 325 Abs. 2 ZPO bei gutgläubigen Rechtsnachfolgern eine Ausnahme. § 325 Abs. 2 ZPO greift jedoch nur dann ein, wenn die Gutglaubensvorschriften auf den Erwerb der streitbefangenen Sache durch den Rechtsnachfolger überhaupt anwendbar sind. Bei abhandengekommenen Sachen finden die Gutglaubensvorschriften (§§ 932ff. BGB) keine Anwendung (§ 935 BGB), sodass auch § 325 Abs. 2 ZPO unanwendbar ist. Der Gartenzwerg ist K abhandengekommen. Ein gutgläubiger Erwerb nach den §§ 932ff. BGB ist ausgeschlossen und somit findet auch § 325 Abs. 2 ZPO keine Anwendung. Vielmehr gilt die Grundregel des § 325 Abs. 1 ZPO, wonach sich die Rechtskraft des Urteils auf T als Rechtsnachfolgerin des B erstreckt.

5. Obwohl B und nicht die T verurteilt wurde, hat K die Möglichkeit, ohne neuen Prozess gegen T zu vollstrecken.

Genau, so ist das!

Eine vollstreckbare Ausfertigung kann gegen denjenigen Rechtsnachfolger des in dem Urteil bezeichneten Schuldners und denjenigen Besitzer der in Streit befangenen Sache, gegen die das Urteil nach § 325 ZPO wirksam ist, erteilt werden (§ 727 Abs. 1 ZPO). Dies bedeutet, dass der Kläger bei Veräußerung der streitbefangenen Sache durch den Beklagten und Rechtskrafterstreckung auf den Rechtsnachfolger den gegen den Beklagten erlangten Titel auf dessen Rechtsnachfolger umschreiben lassen kann. Aus dem umgeschriebenen Titel kann er anschließend gegen den Rechtsnachfolger vollstrecken. Die Rechtskraft des Urteils gegen B erstreckt sich auch auf T. K kann den gegen B erlangten Titel also auf T umschreiben lassen. Tut er dies, kann er auch gegen T vollstrecken.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MO

Moritz94

28.5.2025, 23:39:31

Die erste Teilaufgabe ist aktuell als Frage formuliert, jedoch ohne Fragezeichen und die Antwortmöglichkeiten "Stimmt" und "Stimmt nicht" passen nicht zu einer Frage. Am leichtesten wäre es, den Satzanfang zu "K hat sein..." umzustellen.


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