Strafrecht

Strafprozessrecht

Verfahrensgrundsätze (Prozessmaxime)

Legalitätsprinzip - Außerdienstliche Kenntniserlangung

Legalitätsprinzip - Außerdienstliche Kenntniserlangung

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Staatsanwältin S unterhält sich auf einer privaten Feier mit dem ihr lose bekannten T. Dieser prahlt damit, seinen Nachbarn „krankenhausreif geprügelt“ zu haben. Dieser sei seitdem dauerhaft auf den Rollstuhl angewiesen.

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Einordnung des Falls

Legalitätsprinzip - Außerdienstliche Kenntniserlangung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Während ihrer Dienstzeit wäre S nach dem Legalitätsprinzip verpflichtet, Ts Strafverfolgung einzuleiten.

Ja, in der Tat!

Besteht ein hinreichender Tatverdacht gegen den Beschuldigten, muss die Staatsanwaltschaft nach dem Legalitätsprinzip Anklage erheben (§§ 170 Abs. 1, 203 StPO). Hinreichender Tatverdacht besteht, wenn die Verurteilung in einem Prozess wahrscheinlicher erscheint als der Freispruch. Durch Ts Erzählungen erscheint es wahrscheinlicher, dass er nach § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB verurteilt wird, als dass T freigesprochen wird. Damit besteht ein hinreichender Tatverdacht. Innerhalb ihrer Dienstzeit müsste S daher grundsätzlich tätig werden.
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2. Auch Staatsanwälte müssen mal „frei“ haben. Ist S daher auch dann, wenn sie außerhalb ihres Dienstes Kenntnis von einer Straftat erhält, nach dem Legalitätsprinzip immer zur Anzeige verpflichtet?

Nein!

Die Frage, ob die nur außerdienstliche Kenntnis eines Strafverfolgungsbeamten von dem Verdacht einer Straftat die Pflicht zur Anzeige und zum Einschreiten begründet, ist wegen der Strafdrohung des § 258a StGB von besonderem Gewicht. Aufgrund der beamtenrechtlichen Stellung der Staatsanwaltschaft und der sich daraus ergebenden Treuepflicht muss diese Pflicht grundsätzlich bestehen. Sie muss aber Grenzen haben, damit Beamte nicht in eine allgemeine Spitzelrolle gedrängt und hierdurch an der unbefangenen Wahrnehmung allgemeiner sozialer Kontakte gehindert werden. Kurz: Auch Staatsanwälte haben ein Recht auf Privatleben.

3. Es handelt sich hier um eine schwere Körperverletzung (§ 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB). Muss S einschreiten, wenn man die Anzeigepflicht (nur) bei Vorliegen einer Katalogtat des § 138 StGB bejaht?

Nein, das ist nicht der Fall!

Teilweise wird die Ansicht vertreten, man müsse sich am Katalog des § 138 Abs. 1 StGB orientieren. Sei eine der dort aufgezählten Taten gegeben, sei der Beamte gehalten, die Tat zur Anzeige zu bringen und einzuschreiten. Hierfür spricht vor allem die Rechtsklarheit. Eine Gefahr der sozialen Isolation der Beamten bestehe in diesen Fällen nicht, da der Katalog des § 138 Abs. 1 StGB auf wenige schwere Taten begrenzt ist.Die schwere Körperverletzung findet sich im Katalog des § 138 Abs. 1 StGB nicht. Somit wäre S nach dieser Ansicht nicht zur Anzeige verpflichtet.

4. Vertritt man die Ansicht, dass Staatsanwälte nur beim Vorliegen eines Verbrechens nach § 12 Abs. 1 StGB einschreiten muss, so ist S hier zur Anzeige verpflichtet.

Ja, in der Tat!

Eine Literaturmeinung vertritt die Ansicht, dass eine Anzeigepflicht beim Vorliegen von Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB), nicht aber bei Vergehen (§ 12 Abs. 2 StGB) besteht. Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind. Auch diese Meinung kann sich auf das Argument der Rechtsklarheit stützen.Die schwere Körperverletzung ist mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bedroht. Damit liegt ein Verbrechen vor und S wäre nach dieser Ansicht zur Anzeige verpflichtet.

5. Nimmt man mit der h.M. eine Abwägung zwischen S Privatinteressen und und dem Interesse an der Strafverfolgung vor, so ist sie hier – vor allem aufgrund der Schwere der Tat – zur Anzeige verpflichtet.

Ja!

Ob eine Pflicht zum Einschreiten vorliegt, ist durch eine Abwägung zwischen dem Interesse des Beamten an seiner Privatheit und dem öffentlichen Strafverfolgungsinteresse zu ermitteln. Bei schweren Straftaten, die die Belange der Öffentlichkeit und der Volksgesamtheit in besonderem Maße berühren, wird das Überwiegen des Strafverfolgungsinteresse in der Regel zu bejahen sein.Es handelt sich hier um eine schwere Straftat gegen die körperliche Unversehrtheit, die dauerhafte Folgen für den Verletzten mit sich bringt und für die T offenbar keine Reue zeigt. Dies berührt die Rechtsordnung in erheblichem Maße. S ist mit dem T nur lose bekannt, ihre Privatinteressen also nur in geringem Maße gefährdet. Hier überwiegt das Strafverfolgungsinteresse und S ist zur Anzeige verpflichtet.
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