Strafrecht

Strafprozessrecht

Verfahrensgrundsätze (Prozessmaxime)

Legalitätsprinzip - Bindung der Staatsanwaltschaft an Rspr. (Teil 1)

Legalitätsprinzip - Bindung der Staatsanwaltschaft an Rspr. (Teil 1)

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Polizist P stahl im Dienst, während er seine Dienstwaffe bei sich hatte, eine Handtasche. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist in diesem Fall eine Strafbarkeit nach § 244 Abs. 1 Nr. 1a) StPO gegeben. Staatsanwältin S meint dagegen, Waffenträger müssten hier privilegiert werden.

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Einordnung des Falls

Legalitätsprinzip - Bindung der Staatsanwaltschaft an Rspr. (Teil 1)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S sieht keinen hinreichenden Tatverdacht und klagt P deshalb nicht an. Steht unstrittig fest, dass die Staatsanwaltschaft in ihrer Entscheidung über die öffentliche Klage gänzlich losgelöst von der höchstrichterlichen Rechtsprechung handeln darf?

Nein, das ist nicht der Fall!

Bieten die Ermittlungen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht (§ 170 Abs. 1 StPO). Nach wie vor sehr umstritten ist, ob die Staatsanwaltschaft an eine ständige oder gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung dahingehend gebunden ist, dass sie auch dann anklagen muss, wenn sie nach ihrer eigenen Rechtsauffassung ein nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung strafbares Verhalten für straflos hält.
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2. Verneint man eine Bindungswirkung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, muss S den P hier anklagen.

Nein, das trifft nicht zu!

Teilweise wird eine Bindungswirkung verneint. Dies hat die Konsequenz, dass die Staatsanwaltschaft nicht anklagen muss, wenn sie anders als die Rechtsprechung ein Verhalten für nicht strafbar hält. Das Legalitätsprinzip besage zwar, dass eine Verfolgungspflicht besteht, wenn ein Verhalten strafbar erscheint. Es treffe aber gerade keine Aussage darüber, wer diese Entscheidung trifft. Aus Art. 20 GG ergebe sich, dass die Staatsanwaltschaft als Wächterin des Gesetzes nur an Recht und Gesetz gebunden ist. Zudem ergebe sich aus § 150 GVG, dass sie in ihren amtlichen Verrichtungen vom Gericht unabhängig ist. Auch sei der Begriff der ständigen Rechtsprechung zu unbestimmt. Hiernach besteht keine Pflicht der S, den P anzuklagen.

3. Nach der h.M. besteht steht der Staatsanwaltschaft kein Recht zu, entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht anzuklagen. Muss S danach Anklage gegen P erheben?

Ja!

Bei rechtlichen Zweifeln an der Strafbarkeit muss die Staatsanwaltschaft laut h.M. nach dem Legalitätsprinzip anklagen, wenn insoweit eine entgegenstehende gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung besteht. Wollte man der Staatsanwaltschaft das Recht zugestehen, abweichend von der Auffassung der Obergerichte nicht anzuklagen, würde die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung zerstört (vgl. § 121 Abs. 2 StPO, § 137 GVG), die Gleichheit vor dem Gesetz beseitigt (Art. 3 Abs. 1 GG) und der gesetzliche Gang der Strafverfolgung durch Opportunitätserwägungen unzulässig gehemmt. Letztlich würde die Exekutive entscheiden, was nicht mit der Gewaltenteilung vereinbar ist (vgl. Art. 92, 20 Abs. 2 S. 2 GG).Hiernach ist S zur Anklage verpflichtet. Sie kann nur vor Gericht auf eine Änderung der Rechtsprechung hinwirken. Etwas anderes gilt, wenn die Staatsanwaltschaft ein Verhalten – entgegen der bisherigen Rechtsprechung – für strafbar hält. Dazu im nächsten Fall!
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