Was ist ein Erst-Recht-Schluss?

7. Juli 2025

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Tariq (T), Ferdinand (F) und Clara (C) sind nach der Dinnerparty bei Lawra auf dem Weg nach Hause. Weil sie müde sind, wollen sie einen E-Roller nehmen. In der Nähe gibt es aber nur noch einen einzigen. In den Nutzungsbedingungen steht: „Nicht zu zweit auf einem Roller fahren.“

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Einordnung des Falls

Was ist ein Erst-Recht-Schluss?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Tariq schlägt vor, sie könnten einfach zu dritt mit einem Roller fahren. Ist das nach dem Wortlaut der Nutzungsbedingung ausdrücklich verboten?

Nein!

Der Wortlaut der Regelung verbietet nur das Fahren zu zweit – also genau zwei Personen auf einem Roller.
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2. Clara meint, wenn man nicht zu zweit fahren darf, dann „erst recht“ nicht zu dritt. Hat Clara einen Umkehrschluss gezogen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Clara hat keinen Umkehrschluss, sondern einen Erst-Recht-Schluss (argumentum a fortiori) gezogen: Wenn schon zwei Personen verboten sind, dann ist eine Fahrt zu dritt erst recht unzulässig. Einen Erst-Recht-Schluss kann man „vom Kleineren aufs Größere“ (a minore ad maius) und „vom Größeren aufs Kleinere“ (a maiore ad minus) vornehmen. Auch hier zeigt sich wieder, dass die Grenzen zur Auslegung (hier z.B. nach dem Sinn und Zweck der Norm, hier: Vermeidung, dass mehr als eine Person auf dem Roller fährt) fließend sind und sich die Auslegungsmethoden mit den weiteren Argumentationsmethoden ergänzen. Je mehr verschiedene Methoden der Auslegung und Argumentation Du in Deiner Klausur anwenden kannst, desto „schöner“ wird Deine Lösung. Aber Vorsicht: Gehe nur dort in die Tiefe, wo es wirklich angebracht ist. Es kann sehr negativ ins Gewicht fallen, wenn Du ohne Anlass schlicht Dein „Wissen ablädst”.

3. Clara meint, wenn man nicht zu zweit fahren darf, dann „erst recht“ nicht zu dritt. Hat Clara damit einen Schluss „vom Kleineren aufs Größere“ gezogen?

Ja, in der Tat!

Der Schluss vom Kleineren aufs Größere besagt, dass eine Rechtsfolge, die für einen weniger gewichtigen Sachverhalt angeordnet ist, umso mehr (= erst recht) für einen gewichtigeren Fall gelten muss. Auch wenn dieser nicht ausdrücklich geregelt ist. Die Fahrt zu zweit auf einem E-Roller ist ein weniger gewichtiger Sachverhalt als eine Fahrt zu dritt (also letztlich zu zweit plus eins!). Clara hat hier also einen Erst-Recht-Schluss vom Kleineren aufs Größere gezogen. Der Schluss vom Größeren aufs Kleinere geht davon aus, dass eine weitreichende Regelung einen weniger weitreichenden Sachverhalt mit umfasst.
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