Strafrecht
Examensrelevante Rechtsprechung SR
Entscheidungen von 2023
Versuchsbeginn beim Einbruchsdiebstahl (BGH, Beschl. v. 12.12.2023, Az.3 StR 422/23)
Versuchsbeginn beim Einbruchsdiebstahl (BGH, Beschl. v. 12.12.2023, Az.3 StR 422/23)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
R und B beschließen in ein Haus einzubrechen und dort wertvolle Gegenstände mitzunehmen. Sie klettern über den 2 Meter hohen Gartenzaun des Grundstücks und schauen durch die Terrassentür ins Haus. Als der Bewohner L sie bemerkt und die Polizei ruft, fliehen R und B.
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Einordnung des Falls
Versuchsbeginn beim Einbruchsdiebstahl (BGH, Beschl. v. 12.12.2023, Az.3 StR 422/23)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 12 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. R und B könnten als Mittäter gehandelt haben. Bietet es sich hier an, ihre Strafbarkeit zusammen zu prüfen?
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. R und B könnten sich wegen versuchten Wohnungeinbruchsdiebstahls strafbar gemacht haben, indem sie über den Zaun kletterten und durch die Terrassentür schauten (§§ 242 Abs. 1, 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, Abs. 4, 22, 23, 25 Abs. 2 StGB).
Genau, so ist das!
3. R und B haben den Wohnungeinbruchsdiebstahl nicht vollendet.
Ja, in der Tat!
4. Ist der versuchte Wohnungeinbruchsdiebstahl strafbar (siehe § 244 StGB)?
Ja!
5. Handelten R und B mit Tatentschluss bezüglich des objektiven Tatbestandes des Wohnungeinbruchsdiebstahls?
Genau, so ist das!
6. Der Tatentschluss muss sich auch auf die Voraussetzungen der Mittäterschaft beziehen.
Ja, in der Tat!
7. R und B wussten, dass L seit mehreren Jahren mit seiner Familie in dem Haus wohnt. Hatten sie den Tatentschluss in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung einzubrechen (§ 244 Abs. 4 StGB)?
Ja!
8. Die Täter müssten zur Tat unmittelbar angesetzt haben. Ist es hierfür ohne Bedeutung, ob R und B bereits unmittelbar zur Verwirklichung des Grunddelikts (§ 242 StGB) angesetzt haben?
Nein, das ist nicht der Fall!
9. R und B haben nur dann unmittelbar zur Tat angesetzt, wenn sie bereits ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestands des § 242 StGB verwirklicht haben.
Nein, das trifft nicht zu!
10. R und B hätten die Terrassentür noch aufbrechen müssen, bevor sie Gegenstände hätten wegnehmen können. Liegt darin nach Ansicht des BGH ein wesentlicher Zwischenakt, der gegen ein unmittelbares Ansetzen spricht?
Nein!
11. Als L die Polizei rief, flohen R und B und setzten ihren Plan nicht weiter fort. Liegt darin ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch (§ 24 StGB)?
Nein, das ist nicht der Fall!
12. R und B haben sich nach §§ 242 Abs. 1, 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, Abs. 4, 22, 23, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht. Sind sie darüberhinaus straffrei?
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Trowa Barton
12.10.2024, 12:25:44
Ihr fragt, ob zum Grunddelikt (§242 StGB) unmittelbar angesetzt worden sein muss. Die hinterlegte Antwort ist nein. In der Erklärung schreibt ihr dann, dass für den Versuch der Qualifikation zum Grunddelikt unmittelbar angesetzt worden sein muss. Was denn nun?
LR
12.10.2024, 12:57:17
So wie ich es verstanden habe, war die erste Frage, ob es ohne Belang sei, ob zum Grunddelikt angesetzt wurde und daraufhin war die Antwort nein. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass es doch von Belang ist, ob schon zum Grunddelikt angesetzt wurde. Und damit deckt sich die Frage mit der Erklärung. Korrigiert mich gerne, falls ich falsch liege
Trowa Barton
12.10.2024, 14:09:58
Stimmt, hast Recht. Ich habe das ohne überlesen. Mal wieder ein Fall von vielen Worten, obwohl weniger genügt hätten.
Hausotter
15.10.2024, 22:13:16
Hi, meines Wissens hatten die Täter hier jeweils eigenständig alle Voraussetzungen erfüllt. Entsprechend wäre hier die Zurechnung im Rahmen der Mittäterschaft nach § 25 II StGB gar nicht notwendig, nachdem beide die Voraussetzungen eines Alleintäters erfüllen. Oder übersehe ich gerade etwas?
Blackiel
16.10.2024, 14:34:38
Sofern mehr als eine Person am Geschehen beteiligt ist, solltest du immer über eine Mittäterschaft nachdenken. Auch wenn beide dieselben Handlungen vornehmen und beide als Alleintäter strafbar wären, gehört mE der § 25 II trotzdem mit zitiert, da sie die Tat dennoch "gemeinschaftlich" begehen. Nach dem Täterwillen, dürften die Einbrecher sich wohl als Team verstanden haben und wollten zusammen das Opfer ausrauben. Anders wäre es, wenn die Einbrecher zeitgleich ohne das Wissen des anderen versuchen würden, in das Haus einzubrechen. Zuletzt empfiehlt es sich aus klausurtaktischer Sicht, die Täter aus Zeitgründen zusammen zu prüfen, sofern die Tatbeiträge problemlos einander zugerechnet werden können.
Hausotter
16.10.2024, 15:05:58
Meines Wissens ist die Mittäterschaft nach § 25 II StGB eine Zurechnungsnorm. Die Zurechnung ist nur erforderlich, sofern nicht bereits ein Alleintäter handelt. Insbesondere erfolgt hier gerade gar keine gegenseitige Zurechnung. Dass eine gemeinsame Prüfung eine Zeitersparnis bringen kann, bestreite ich nicht. Aber die Prüfung einer Zurechnung, obwohl keine Zurechnung notwendig ist, erscheint mir zumindest nicht notwendig. In Schönke/Schröder 30. Auflage 2019 - Heine/Weißer, StGB § 25 Rn. 61 lese ich das so auch heraus. Sofern das also tatsächlich so wäre, fände ich einen Hinweis ganz gut, dass § 25 II StGB hier gerade nicht als Zurechnungsinstitut genutzt wird, sondern nur um zeiteffizient zu prüfen. :)
hexchenm
19.10.2024, 23:54:23
Bei 3. in der Subsumtion: Sie habeN nichts weggenommen und 9. im orangenen das fettgedruckte: tatbestÄndsmässiges :)
Linne_Karlotta_
22.10.2024, 17:03:11
Hallo hexchenm, vielen Dank für Deinen Hinweis! Wir haben den Fehler auf unsere Liste gesetzt und werden ihn im nächsten Korrekturgang beheben. Deine Aufmerksamkeit hilft uns, die Qualität unserer Inhalte hochzuhalten. Wir werden diesen Thread als erledigt markieren, sobald wir den Fehler behoben haben. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team