Strafrecht
Examensrelevante Rechtsprechung SR
Entscheidungen von 2023
Versuchsbeginn beim Einbruchsdiebstahl (BGH, Beschl. v. 12.12.2023, Az.3 StR 422/23)
Versuchsbeginn beim Einbruchsdiebstahl (BGH, Beschl. v. 12.12.2023, Az.3 StR 422/23)
17. Februar 2025
17 Kommentare
4,6 ★ (19.700 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
R und B beschließen in ein Haus einzubrechen und dort wertvolle Gegenstände mitzunehmen. Sie klettern über den zwei Meter hohen Gartenzaun des Grundstücks und schauen durch die Terrassentür ins Haus. Als der Bewohner L sie bemerkt und die Polizei ruft, fliehen R und B.
Diesen Fall lösen 86,6 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Versuchsbeginn beim Einbruchsdiebstahl (BGH, Beschl. v. 12.12.2023, Az.3 StR 422/23)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 12 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. R und B könnten als Mittäter gehandelt haben. Bietet es sich hier an, ihre Strafbarkeit zusammen zu prüfen?
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. R und B könnten sich wegen versuchten Wohnungeinbruchsdiebstahls strafbar gemacht haben, indem sie über den Zaun kletterten und durch die Terrassentür schauten (§§ 242 Abs. 1, 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, Abs. 4, 22, 23 I, 12 I, 25 Abs. 2 StGB).
Genau, so ist das!
3. R und B haben den Wohnungeinbruchsdiebstahl nicht vollendet.
Ja, in der Tat!
4. Ist der versuchte Wohnungeinbruchsdiebstahl strafbar (siehe § 244 StGB)?
Ja!
5. Handelten R und B mit Tatentschluss bezüglich des objektiven Tatbestandes des Wohnungeinbruchsdiebstahls?
Genau, so ist das!
6. Der Tatentschluss muss sich auch auf die Voraussetzungen der Mittäterschaft beziehen.
Ja, in der Tat!
7. R und B wussten, dass L seit mehreren Jahren mit seiner Familie in dem Haus wohnt. Hatten sie den Tatentschluss in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung einzubrechen (§ 244 Abs. 4 StGB)?
Ja!
8. Die Täter müssten zur Tat unmittelbar angesetzt haben. Ist es hierfür ohne Bedeutung, ob R und B bereits unmittelbar zur Verwirklichung des Grunddelikts (§ 242 StGB) angesetzt haben?
Nein, das ist nicht der Fall!
9. R und B haben nur dann unmittelbar zur Tat angesetzt, wenn sie bereits ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestands des § 242 StGB verwirklicht haben.
Nein, das trifft nicht zu!
10. R und B hätten die Terrassentür noch aufbrechen müssen, bevor sie Gegenstände hätten wegnehmen können. Liegt darin nach Ansicht des BGH ein wesentlicher Zwischenakt, der gegen ein unmittelbares Ansetzen spricht?
Nein!
11. Als L die Polizei rief, flohen R und B und setzten ihren Plan nicht weiter fort. Liegt darin ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch (§ 24 StGB)?
Nein, das ist nicht der Fall!
12. R und B haben sich nach §§ 242 Abs. 1, 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, Abs. 4, 22, 23 I, 12 I, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht. Sind sie darüberhinaus straffrei?
Nein, das trifft nicht zu!
Fundstellen
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Trowa Barton
12.10.2024, 12:25:44
Ihr fragt, ob zum Grunddelikt (§
242 StGB) unmittelbar angesetzt worden sein muss. Die hinterlegte Antwort ist nein. In der Erklärung schreibt ihr dann, dass für den
Versuch der Qualifikationzum Grunddelikt unmittelbar angesetzt worden sein muss. Was denn nun?
LR
12.10.2024, 12:57:17
So wie ich es verstanden habe, war die erste Frage, ob es ohne Belang sei, ob zum Grunddelikt angesetzt wurde und daraufhin war die Antwort nein. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass es doch von Belang ist, ob schon zum Grunddelikt angesetzt wurde. Und damit deckt sich die Frage mit der Erklärung. Korrigiert mich gerne, falls ich falsch liege
Trowa Barton
12.10.2024, 14:09:58
Stimmt, hast Recht. Ich habe das ohne überlesen. Mal wieder ein Fall von vielen Worten, obwohl weniger genügt hätten.
Hausotter
15.10.2024, 22:13:16
Hi, meines Wissens hatten die Täter hier jeweils eigenständig alle Voraussetzungen erfüllt. Entsprechend wäre hier die Zurechnung im Rahmen der Mittäterschaft nach § 25 II StGB gar nicht notwendig, nachdem beide die Voraussetzungen eines Alleintäters erfüllen. Oder übersehe ich gerade etwas?
Blackiel
16.10.2024, 14:34:38
Sofern mehr als eine Person am Geschehen beteiligt ist, solltest du immer über eine Mittäterschaft nachdenken. Auch wenn beide dieselben Handlungen vornehmen und beide als Alleintäter strafbar wären, gehört mE der § 25 II trotzdem mit zitiert, da sie die Tat dennoch "gemeinschaftlich" begehen. Nach dem Täterwillen, dürften die Einbrecher sich wohl als Team verstanden haben und wollten zusammen das Opfer ausrauben. Anders wäre es, wenn die Einbrecher zeitgleich ohne das Wissen des anderen versuchen würden, in das Haus einzubrechen. Zuletzt empfiehlt es sich aus klausurtaktischer Sicht, die Täter aus Zeitgründen zusammen zu prüfen, sofern die Tatbeiträge problemlos einander zugerechnet werden können.
Hausotter
16.10.2024, 15:05:58
Meines Wissens ist die Mittäterschaft nach § 25 II StGB eine Zurechnungsnorm. Die Zurechnung ist nur erforderlich, sofern nicht bereits ein Alleintäter handelt. Insbesondere erfolgt hier gerade gar keine gegenseitige Zurechnung. Dass eine gemeinsame Prüfung eine Zeitersparnis bringen kann, bestreite ich nicht. Aber die Prüfung einer Zurechnung, obwohl keine Zurechnung notwendig ist, erscheint mir zumindest nicht notwendig. In Schönke/Schröder 30. Auflage 2019 - Heine/Weißer, StGB § 25 Rn. 61 lese ich das so auch heraus. Sofern das also tatsächlich so wäre, fände ich einen Hinweis ganz gut, dass § 25 II StGB hier gerade nicht als Zurechnungsinstitut genutzt wird, sondern nur um zeiteffizient zu prüfen. :)
Blackteachina
24.11.2024, 14:05:00
A, B und C schlagen mit Fäusten auf X ein. Hier haben alle zusammen aufgrund eines gemeinsamen Tatplans jeweils eine eigene Körper
verletzungshandlungvorgenommen, so dass eine Zurechnung gar nicht nötig ist. § 25 Abs. 2 hat hier lediglich klarstellende Funktion und ermöglicht es Ihnen in der Klausur, die Beteiligten gemeinsam in einem Obersatz zu prüfen. Die Zurechnungsbedeutung des § 25 Abs. 2 lebt wieder auf, wenn nicht genau feststeht, wer z.B. bei Verwendung eines Schlagrings welchen Schlag verpasst hat. Sofern alle Beteiligten als Mittäter angesehen werden können, ist eine genaue Zuordnung überflüssig, so dass alle gem. §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2, 25 Abs. 2. bestraft werden können.

Sebastian Schmitt
26.11.2024, 10:05:20
Hallo @[Hausotter](155713), auf einer abstrakten Ebene hast Du sicherlich Recht oder ist das zumindest gut vertretbar. Liegt bereits eine täterschaftliche Begehung durch jeden der Mittäter vor, brauchen wir § 25 II StGB nicht, er ist dann überflüssig (so Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl 2019, Vor
bemzu §§ 25 ff Rn 77 mwN). Wir haben dahingehend einen kurzen Hinweis in der Aufgabe ergänzt. Die anderen haben allerdings insoweit Recht, als Du diesem Fall in der Prüfungspraxis kaum mal begegnen wirst. Die besonderen (zB Abgrenzungs-)Fragen der Mittäterschaft stellen sich ja nur dann, wenn es darauf auch ankommt. In einer Klausur wird es dementsprechend nur selten vorkommen, dass nach der Sachverhaltsdarstellung jeder der Täter/Tatverdächtigen sämtliche
Tatbestandsmerkmaleschon vollständig selbst verwirklicht. Und selbst in der "echten" Praxis werden Täter sich idR nur deshalb zusammenschließen, weil das die Tatbegehung erleichert, man nämlich arbeitsteilig vorgehen kann. Für diejenigen im Referendariat: Ich habe kurz darüber nachgedacht, ob man die mittäterschaftliche Prüfung nicht mit Strafzumessungserwägungen begründen könnte. IE aber wohl kaum, weil das
Doppelverwertungsverbotdes § 46 III StGB gilt, wonach die mittäterschaftliche Begehung als solche nicht strafschärfend berücksichtigt werden darf. Man wird jedoch sehr wohl in rein tatsächlicher Hinsicht darauf abstellen dürfen, ob die Tat durch das Zusammenwirken mehrerer Täter gefährlicher geworden ist iSd § 46 II 2 StGB, zB zu gröberen Verletzungen des Opfers geführt hat (zum Ganzen MüKoStGB/Maier, 4. Aufl 2020, § 46 Rn 545). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Jonihier
27.12.2024, 15:20:57
Hi, ich habe eine kurze, nicht fallentscheidende Frage: müsste man im Rahmen des § 244 IV StGB für die Strafbarkeit des Versuchs nicht auf §§ 23 I, 12 I StGB abstellen, da es sich um ein Verbrechen handelt? § 244 II StGB müsste meiner Meinung nach schon aus systematischen Gründen nur auf Absatz 1 anwendbar sein.
Leo Lee
28.12.2024, 09:56:50
Hallo Jonihier, vielen Dank für den sehr wichtigen Hinweis! In der Tat hatte sich hier der Fehlerteufel eingeschlichen, weshalb wir den Text nunmehr entsprechend korrigiert haben. Ganz genau genommen muss man in der Tat auch den 12 I mit zitieren, da durch den 244 IV der gesamte
Tatbestandzum Verbrechen wird. Interssant ist auch, dass selbst der BGH in diesem Beschluss den 12 I "vergessen" hat :D! Wir möchten uns bei dir vielmals dafür bedanken, dass du uns dabei hilfst, die App zu perfektionieren und freuen uns auf weitere Feedbacks :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Juliaaaaaaaaaaaa
12.1.2025, 16:49:58
Hallo :) Ich bin mir ein wenig unsicher, wie ich das am Besten in einer Klausur zu prüfen habe: Sollte ich erstmal mit §§ 242, 243 I Nr. 1, 22, 23 I anfangen (und dort auch prüfen, ob der Versuch zum Regelbeispiel überhaupt möglich ist?) oder fange ich direkt mit § 244 an und schreibe nur, dass 243 zurücktritt?

Vanessa
22.1.2025, 10:19:56
Hey, Also bei § 244 StGB handelt es sich um eine Qualifikation des § 242, sodass es mMn fehlerhaft wäre, den
§ 243 StGBvorzuziehen. § 243 stellt ja „nur“ eine Strafzumessungsvorschrift dar. Ich habe dazu einen Übungsfall gefunden, welcher dir vlt. auch hilft :) https://www.zjs-online.com/dat/artikel/2012_6_649.pdf Der Fall heißt „der mutige Mitarbeiter“
extremwerte
29.1.2025, 09:23:53
Ist der Versuch nicht bereits fehlgeschlagen (was vor der Freiwilligkeit zu prüfen wäre), da sie nach ihrer Vorstellung den
Tatbestandnicht mehr verwirklichen konnten, nachdem L sie entdeckt hat?
P K
29.1.2025, 21:34:35
Dazu sagt uns der Sachverhalt nichts. Wenn es so gewesen wäre, dass sie davon ausgegangen sind, den Diebstahl nur ungestört begehen zu können, hättest du zweifellos recht. Hingegen scheidet ein Diebstahl nach Entdeckung nicht per se aus. Insofern kann man das mangels anderweitiger Feststellungen nicht zulasten der Täter unterstellen.