§ 107 BGB, Einwilligung eines Alleinerziehenden
19. Mai 2025
30 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der 17-jährige K möchte seinen alten Laptop seinem 12-jährigen Cousin C schenken. K fragt seinen alleinerziehenden Vater V um Erlaubnis. Dieser ist einverstanden. V hat das alleinige Sorgerecht.
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Einordnung des Falls
§ 107 BGB, Einwilligung eines Alleinerziehenden
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Sowohl für den Abschluss des Schenkungsvertrags (§ 516 BGB) mit C, als auch für die Übereignung (§ 929 BGB) an C, benötigt K die Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. C braucht weder für den Abschluss des Schenkungsvertrags noch für den Eigentumserwerb am Laptop die Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters.
Ja, in der Tat!
3. Die Einwilligung von Ks Vater allein reicht aus.
Ja!
4. Indem K den Laptop an C übereignet hat, hat er seine Verpflichtung aus dem Schenkungsvertrag erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Daniel
27.9.2021, 17:58:05
Ist der Formmangel der Grund dafür, dass es keinen Anspruch auf
Erfüllunggibt und dass daher die
Übereignungauch nicht zum Erlöschen des Anspruchs (=möglicher rechtlicher Nachteil) führen kann? Wäre der Fall dann anders zu bewerten wenn der Schenkungsvertrag notariell beurkundet wäre?

Lukas_Mengestu
8.10.2021, 18:22:11
Hallo Daniel, der Formmangel ist hier nicht der entscheidende Punkt. Vielmehr trennt die herrschende Meinung im Hinblick auf
Übereignungen an Minderjährige zwischen der dinglichen
Übereignungund der
schuldrechtlichen
Erfüllungswirkung der
Übereignung. Durch die
Übereignungdes Laptops selbst hat C erstmal keinen Nachteil. Dieser könnte nur daraus folgen, dass durch die
Übereignungdie
Erfüllungswirkung (§ 362 Abs. 1 BGB) eintritt und damit ihr Anspruch aus dem Schenkungsvertrag erlischt. Nach der Theorie von der
Empfangszuständigkeitsind die Minderjährigen aber nicht empfangszuständig im Hinblick auf die
Erfüllungund damit hat C (sofern die Eltern den Empfang nicht genehmigen) zunächst beides - den Laptop und die Forderung aus dem Schenkungsvertrag. Das zeigt, wie stark der Minderjährigenschutz ist :) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Stella2244
22.2.2025, 15:49:45
@[Lukas_Mengestu](136780) wenn der Schenkungsvertrag, trotz der
Übereignungnicht als erfüllt angesehen wird. wie verhält sich dann § 518 II "bewirken" dazu? müsste man nicht davon ausgehen, dass wenn der Schenkungsvertrag nicht erfüllt ist auch nicht bewirkt ist und somit dann formnichtig?
jomolino
7.2.2022, 14:09:12
Vielleicht könntet ihr noch eine Frage hinzufügen die deutlich macht, dass die
Erfüllungnicht eingetreten ist trotz
Übereignung? Das verarbeitet man ja immer etwas anders, als nur in einem Antworttext.

Lukas_Mengestu
8.2.2022, 15:17:14
Danke für den Hinweis, nomamo. Wir haben die entsprechende Antwort, inklusive Link zu weiteren Fällen aus dem
Schuldrecht AT ergänzt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
silasowicz
12.8.2023, 14:06:24
Wenn man noch einmal auf den Fall mit dem Danaer Geschenk eingeht, heißt das, dass eine
Übereignunggrundsätzlich für denjenigen, der das Eigentum erwirbt, vorteilhaft ist, oder? Dort war das
Verfügungsgeschäftim konkreten Fall nur deswegen nachteilhaft, weil das Objekt vermietet ist.
Blotgrim
5.4.2024, 11:55:57
Genau, bei einer vermieteten Sache treffen dich halt auch noch
Vermieterpflichtendeswegen ist die Schenkung da nicht lediglich vorteilhaft
aylin.
18.10.2023, 18:54:36
Leo Lee
21.10.2023, 16:11:27
Hallo aylin., das liegt daran, dass wir unterscheiden müssen zwischen der
schuldrechtlichen und sachenrechtlichen Ebene (Trennungsprinzip!). Zunächst mal müssen wir klarstellen, dass die
Erfüllungdadurch passiert, indem der Laptop übereignet wird (denn ein Schenkungsvertrag verpflichtet dazu, wie in diesem Fall). Und genau diese
Übereignungan den C ist möglich, denn eine „reine
Übereignung“ (wir lassen die
Erfüllungaußen vor, weil Trennungsprinzip) lediglich vorteilhaft ist für den C. Jetzt schauen wir uns die
Erfüllungan. Wir hatten vorhin gesagt, dass der Anspruch des C dadurch erfüllt wird, dass er den Laptop übereignet kriegt. Jetzt haben wir allerdings das Problem, dass diese
Erfüllungden Anspruch des C aus dem Schenkungsvertrag untergehen lässt (denn wenn man erfüllt, hat man keine Verpflichtungen mehr). Und genau diese
Erfüllung, die zur Erlöschung des Anspruchs des C gegen K führt, ist nachteilhaft (nicht vergessen, wir befinden uns auf der SR-Ebene, wo ein Erlöschen nach wie vor nachteilhaft ist). Deshalb ist die
Übereignungzunächst wirksam, weil nur vorteilhaft (Trennungsprinzip!) während die dadurch herbeigeführte
Erfüllungauf der SR-Ebene eben nachteilhaft ist. Deshalb ist nur die
Übereignungwirksam, die
Erfüllungjedoch nicht. Dieses etwas widersprüchliches Ergebnis ist dem Minderjährigenchutz ge
schuldet. Hierzu kann ich dir i.Ü. die Lektüre von MüKo-BGB 8. Auflage, Fetzer § 362 Rn. 9 ff. empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
aylin.
22.10.2023, 02:07:06
dankeschön 🫶🏽
Petrus
20.12.2023, 11:32:29
Stellt sich der Streit ob man ggü einem MJ erfüllen kann nur, wenn der MJ ein
rechtlich vorteilhaftes Geschäft(alleine) abschließt oder auch dann, wenn er mit der ausdrücklichen Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters einen Vertrag schließt welcher dann vollzogen wird?
Leo Lee
25.12.2023, 14:42:32
Hallo Petrus, da der Ausgangspunkt des Problems um die
Empfangszuständigkeitdie Frage nach der Vorteilhaftigkeit der
Erfüllungist und hierzu sowohl die Vertragstheorie als auch die
Empfangszuständigkeiteine befreiende Wirkung nur annimmt, wenn mit Einwilligung des gesetzlichen Vertreters erfüllt wird bzw. wenn direkt an den gesetzlichen Vertreter erfüllt wird, gibt es – wie du richtig sagt – diesen Streit bzw. Streitentscheid in dem Sinne nicht, wenn der ges. Vertreter von vornherein einwilligt :). Besinnliche Feiertage und einen guten Rutsch wünscht dir das Jurafuchsteam!

Paulah
22.12.2023, 06:07:47
Obwohl der Vater von K damit einverstanden war, dass K den Laptop verschenkt ist keine
Erfüllungeingetreten. Das liegt, wenn ich die Ausführungen in einem anderen Thread hier richtig verstehe daran, dass der minderjährige C dann seinen Anspruch auf
Erfüllungverlieren würde. Ganz böse - rechtlich nachteilhaft! Aha! Es ist also auch nachteilhaft, wenn ein Anspruch erfüllt wird, die zustehende Leistung also erbracht wurde? Dann könnte gegenüber einem Minderjährigen ohne elterliche Zustimmung ja nie ein
Rechtsgeschäftdurch Erlöschen des Anspruchs abgeschlossen werden. Das wäre doch dann bei jedem Kaufvertrag und jedem anderen Vertrag auch so. Die zur Aufgabe und im anderen Thread zitierte Müko-Stellen haben mich da nicht weiter gebracht. Folge wäre hier doch dann auch, dass K das Schenkungsversprechen gegenüber C immer noch erfüllen muss. Wie kommt er aus dieser Nummer raus? Muss er die Eltern von C zur Genehmigung auffordern? Kann er das überhaupt? Er ist ja auch noch minderjährig. Oder gilt die Einwilligung des Vaters auch dafür? Viele Grüße von Paula
Blotgrim
5.4.2024, 11:54:03
Ich denke das K die Eltern des C um Genehmigung fragen müsste, die
Erfüllungdes Schenkungsvertrages zu genehmigen, dass dürfte von der Einwilligung seines Vaters gedeckt sein. Zu dem Punkt dass ein
Rechtsgeschäftnicht durch Erlöschen des Anspruchs untergeht würde ich eine kleine Korrektur vornehmen. Das
Rechtsgeschäftwird mit Erlöschen des Anspruchs schon abgeschlossen, allerdings erlischt der Anspruch nicht ohne Zustimmung der Eltern. Das ist verwirrend ist aber aus Gründen des Minderjährigenschutzes so. Der Minderjährige soll nicht unüberlegt irgendwelche Rechte/Ansprüche verlieren die er besser behalten sollte. Auf dem Papier würde ich sagen ist K noch zur
Erfüllungverpflichtet, meiner Meinung nach müsste er praktisch aber nur die Eltern des C auffordern die
Erfüllungfür C anzunehmen/ zu genehmigen.
hagenhubl
3.5.2024, 10:09:47
Das verstehe ich aber auch nicht so ganz. Wie wäre es denn, wenn die Eltern des C nicht der
Erfüllungswirkung zustimmen. Müsste K dann nochmals leisten.
Barbara Salesch
18.6.2024, 14:47:17
@[hagenhubl](233869) Wenn die Eltern des C dem nicht zustimmen könnte K das Eigentum an dem Laptop nach § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 kondizieren und müsste dann gras. nochmal leisten.
Tinki
31.12.2024, 13:49:41
Dann müsste man für die Einwilligung oder Genehmigung der Eltern aber die entsprechenden Vorschriften analog anwenden, richtig? Weil
Erfüllungsetzt ja - zumindest nach hM- keine Einigung voraus. Und bzgl. des Kondiktionsanspruches wäre auch eine analoge Anwendung richtig, oder? Denn einen Rechtsgrund gibt es ja schon...man müsste die fehlende
Erfüllungdem fehlenden Rechtsgrund gleichstellen..
Stella2244
22.2.2025, 15:27:49
@[Tinki](200906) was meinst du?
Lässig aber nicht fahrlässig😎
13.7.2024, 18:48:30
Wenn die Verpflichtung aus dem Schenkungsvertrag nicht erfüllt ist, hat C den Laptop dann ohne rechtlichen Grund erlangt und er könnte nach § 812 I 1 zurückgefordert werden? Stattdessen hat C weiterhin den Anspruch aus dem Schenkungsvertrag, der ist aber von C nicht durchsetzbar weil er nicht notariell beurkundet wurde? Ist das ganze dann nicht ein faktischer Nachteil für C, weil der Laptop den er besitzt zurückgefordert werden kann und er keine Möglichkeit hat, an den ihm zustehenden Laptop ranzukommen. Bzw. wäre es nicht günstiger für C wenn die
Erfüllungnach § 362 stattgefunden hätte, sodass der Laptop in seinem Eigentum steht?
Timurso
14.7.2024, 10:29:15
Ich denke, im wesentlichen hast du Recht. Knackpunkt ist hier, dass der C den Anspruch so oder so nicht hat, ob wegen
Erfüllung, 362 BGB oder
Formnichtigkeit,
125 BGB. Insofern könnte man argumentieren, dass er durch die
Erfüllungauch keinen Nachteil erleidet und daher
Erfüllungswirkung auch ohne elterliche Zustimmung eintritt. Alternativ kann er natürlich auch einfach zu seinen Eltern gehen und die
Erfüllunggenehmigen lassen, auch nachdem K den Kondiktionsanspruch geltend gemacht hat. Insofern ist das Problem praktisch irrelevant. Und wenn C den Laptop zerstört/verliert, kann K auch aufgrund von §
818 III BGBnichts verlangen. Man könnte also durchaus sagen, dass der Minderjährige auch aktuell ausreichend bzw. gleich stark geschützt ist, er muss eben nur den extra Schritt über seine Eltern gehen.

G0d0fMischief
25.9.2024, 16:34:51
Vielleicht habe ich da auch etwas falsch verstanden, aber wegen hier scheitert die
Erfüllungnach § 362 I BGB daran, dass nicht der C, sondern dessen gesetzliche Vertreter empfangszuständig sind (sog.
Theorie der realen Leistungsbewirkung). Da die Eltern analog §
107 BGBdem C keine Einwilligung zur Entgegennahme des Laptops gegeben haben ist keine
Erfüllungeingetreten. Aber dennoch wurde der Laptop gem. § 929 S. 1 BGB wirksam an C übereignet. Die
Übereignungist für C
lediglich rechtlich vorteilhafti.S.v. §
107 BGB, sodass er für diese nicht die Einwilligung seiner gesetzlichen Vertreter braucht. In Bezug auf § 518 I BGB würde ich sagen, dass durch die Übertragung des Eigentums an C die Leistung an diesen bewirkt wurde. Es ist lediglich keine
Erfüllungswirkung eingetreten. Daher müsste gem. § 518 II BGB der Schenkungsvertrag geheilt worden sein. Ich hoffe ich habe hier jetzt keinen Denkfehler gemacht.
Stella2244
22.2.2025, 15:51:19
@Lukas_Mengestu wenn der Schenkungsvertrag, trotz der
Übereignungnicht als erfüllt angesehen wird. wie verhält sich dann § 518 II "bewirken" dazu? müsste man nicht davon ausgehen, dass wenn der Schenkungsvertrag nicht erfüllt ist auch nicht bewirkt ist und somit dann formnichtig?