Bestimmtheit des Gehilfenvorsatzes

14. Januar 2025

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

S betreibt einen Onlineshop im Darknet, in dem sie mit Drogen und Waffen handelt. A verkauft sie über die Plattform eine Pistole. Ein halbes Jahr später schießt A seinem Rivalen R mit der Pistole ins Bein.

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Einordnung des Falls

Bestimmtheit des Gehilfenvorsatzes

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S könnte sich wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung strafbar gemacht haben, indem sie A die Pistole verkauft hat (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1, 27 StGB).

Genau, so ist das!

S müsste dafür zur vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat von A - dem Schuss in Rs Bein - Hilfe geleistet haben. Sie müsste zudem mit doppeltem Gehilfenvorsatz, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben.
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2. Hat S dem A Hilfe geleistet, indem sie ihm die Waffe verkauft hat?

Ja, in der Tat!

Hilfeleisten meint jeden Tatbeitrag, der die Haupttat ermöglicht, erleichtert oder verstärkt.S hat die Pistole an A verkauft. Mit dieser Pistole hat A dem R ins Bein geschossen. Die Handlung von S hat die Tat von A erst ermöglicht.Ob A sich auch auf anderem Wege eine Waffe besorgen oder R anders hätte verletzen können, spielt keine Rolle. Alternative Geschehensabläufe bleiben nach den allgemeinen Regeln über Kausalität und objektive Zurechnung außer Betracht.

3. S hat die gefährliche Körperverletzung des A billigend in Kauf genommen.

Nein!

Der Gehilfenvorsatz muss sich auf die wesentlichen Merkmale des Unrechts und die Angriffsrichtung der Haupttat beziehen. Tut er das nicht, so kann auch von keinem billigenden in Kauf nehmen gesprochen werden.S hat möglicherweise in Kauf genommen, dass A Straftaten mit der Pistole begeht. Darunter könnten jedoch Taten wie etwa Mord, Körperverletzung, Bedrohung, Raub oder Jagdwilderei fallen. Diese Taten greifen ganz unterschiedliche Rechtsgüter an und unterscheiden sich maßgeblich in den wesentlichen Merkmalen ihres Unrechts. Die gefährliche Körperverletzung des A ist damit nicht von Ts Vorsatz umfasst.

4. S bleibt damit straflos.

Nein, das ist nicht der Fall!

Für S kommt eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 StGB) und illegalen Waffenhandels (§ 52 Abs. 1 Nr. 1 WaffG) in Betracht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JUL

juliusEchter

2.1.2024, 19:32:13

Warum kann man nicht davon ausgehen, dass ein Händler im Darknet davon ausgehen muss, dass mit seiner Waffe Straftaten begangen werden, dass er diese ermöglicht und dass er dies auch billigend in Kauf nimmt. Meiner Meinung nach muss dieser "weite, allgemeine

Vorsatz

" genügen.

marimo

marimo

30.7.2024, 11:25:36

Das war auch mein erster Gedanke. Bei der Beihilfe muss der

Hilfeleisten

de aber bezüglich der Haupttat in jedem Fall die Angriffs- und Unrechtsrichtung kennen, damit man von einem

Gehilfenvorsatz

ausgehen kann. (Rengier, BT I § 45 Rn. 115). Also in diesem Fall z.B. wissen/für möglich halten, dass der Käufer konkret eine Körperverletzung plant. Weil der Sachverhalt hier sehr dünn ist würde ich vorsichtshalber nichts reinlesen und entsprechend der Lösung davon ausgehen, dass die generelle Vorstellung über Straftaten zu ungenau ist.

TI

Tinki

18.8.2024, 17:47:00

Mich würde auch interessieren, warum erforderlich ist, dass der

Hilfeleisten

de die Angriffs- und Unrechtsrichtung kennen muss, wenn wie beim Verkauf von WAffen übers Darknet klar ist, dass diese für Straftaten gebraucht werden... @[Nora Mommsen](178057)

AG

agi

4.10.2024, 16:35:37

Bei der Beihilfe ist doppelter

Vorsatz

erforderlich, einmal bzgl der Hilfeleistung selbst, als auch

Vorsatz

bzgl der rw Haupttat, daher genügt es nicht abstrakt zu wissen, dass durch die Hilfeleistung irgendeine Tat verübt werden kann, zwar muss der

Hilfeleisten

de nicht jedes Detail der Haupttat kennen, aber wie schon oben geschrieben eine konkrete Angriffs- und Unrechtsrichtung erkennen, sodass sein Tatbeitrag als Hilfeleistung anerkannt werden kann.

Sege

Sege

19.11.2024, 14:09:44

Ich sag mir das immer so, dass der Verkäufer ja z.B. im Normalfall nicht möchte dass damit z.B. sein Kind erschossen wird. Dh er bräuchte

Vorsatz

zur konkreten Tat.

Kai

Kai

22.11.2024, 10:12:55

@[Sege](241995) An sich spannende Merkhilfe. Aber müsste man nicht sagen, dass der Verkäufer - wenn man annimmt, dass es einen General

vorsatz

hins. aller Straftaten gäbe - dann zumindest billigend in Kauf nimmt, dass der Täter damit auch Menschen tötet, die dem Verkäufer nahestehen? Ich denke, die Merkhilfe als solche hilft in den meisten Fällen weiter, ist aber am Ende nicht absolut richtig für den infragestehenden Streit, oder?

Sege

Sege

22.11.2024, 13:11:59

Ich hab das in der Uni so gelernt, dass bei neutralen Handlungen im Rahmen der Beihilfe differenziert werden kann. Einmal Handlungen die Äußerlich nicht auffällig sind. Hier braucht es Dolus Directus 1/2. Und bei Handlungen die „verdächtig“ sind reicht dolus eventualis. So eine verdächtige Handlung müsste nach meinem Verständnis offensichtlich sein. Also so maskierter Mann mit Brecheisen möchte vom Taxifahrer in eine Villengegend gefahren werden zB. Bei Bestellungen im Darknet sind finde ich im Regelfall nicht genug Anhaltspunkte ausser der Vermutung, dass er es wahrscheinlich für Straftaten verwendet. Zusätzlich wäre in so einem Fall die Frage ob nicht eher

bewusste Fahrlässigkeit

(wird schon gut gehen) vorliegt, was man warscheinlich

in dubio pro reo

annehmen müsste.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

3.12.2024, 11:47:40

Hallo @[juliusEchter](218283), Du hast hier von den anderen schon gute Hinweise bekommen, warum man das anders sehen könnte, insbesondere von @[marimo](243378) und @[agi](212798) - was nicht heißt, dass Deine Ansicht nicht grds vertretbar ist. Welche Anforderungen an den

Vorsatz

des Gehilfen genau zu stellen sind, lässt sich abstrakt kaum beantworten. Auch nach der aktuellen, ohnehin

ggü

der Vergangenheit schon etwas schärferen Rspr dürfte ein bloßer Verkauf einer Waffe im Darknet aber als Beihilfe nicht zwingend ausreichen. Das gilt jedenfalls dann, wenn S, wie hier, überhaupt keine Anhaltspunkte hinsichtlich einer eventuell geplanten Tat hat, weil es dann an einer hinreichenden

Konkretisierung

des

Vorsatz

es fehlt, am Erfassen des "wesentlichen Unrechtsgehalts der [Haupt-]Tat" (so BeckOK-StGB/Kudlich, 63. Ed, Stand 1.11.2024, § 27 Rn 21 mwN). Das pauschal anders zu sehen und hier eine Art General

vorsatz

zu unterstellen, halte ich für zumindest nicht für unbedenklich. Es mag rein praktisch so sein, dass über das Darknet verkaufte Waffen häufig für Straftaten verwendet werden. Das schließt aber zB nicht aus, dass sich ein Waffensammler eine in Deutschland verbotene Waffe allein aus Sammlergründen oder ein 17-Jähriger ein scharfes Katana zur Dekoration seiner ersten Wohnung im Darknet beschafft - ganz ohne die Absicht, damit Straftaten zu begehen. Ob vor diesem Hintergrund allein das Anbieten im Darknet ausreichend sein soll, kann man zumindest diskutieren, insbesondere angesichts des strafrechtlichen Zweifelssatzes. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

IT

itsjuju

12.1.2024, 21:35:48

Fehler im Sachverhalt “BGG”, “verkauft”

LELEE

Leo Lee

14.1.2024, 11:24:07

Hallo itsjuju, vielen Dank für den Hinweis! Wir haben den Fehler nun korrigiert :). Magst du uns vielleicht noch kurz mitteilen, wo genau sich der Fehler mit „verkauft“ befindet? Ich finde auch nach mehrfacher Lektüre den Fehler nicht und würde mich auf einen Hinweis freuen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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