Bestimmtheit des Gehilfenvorsatzes

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

S betreibt einen Onlineshop im Darknet, in dem sie mit Drogen und Waffen handelt. A verkauft sie über die Plattform eine Pistole. Ein halbes Jahr später schießt A seinem Rivalen R mit der Pistole ins Bein.

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Einordnung des Falls

Bestimmtheit des Gehilfenvorsatzes

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S könnte sich wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung strafbar gemacht haben, indem sie A die Pistole verkauft hat (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1, 27 StGB).

Genau, so ist das!

S müsste dafür zur vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat von A - dem Schuss in Rs Bein - Hilfe geleistet haben. Sie müsste zudem mit doppeltem Gehilfenvorsatz, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben.
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2. Hat S dem A Hilfe geleistet, indem sie ihm die Waffe verkauft hat?

Ja, in der Tat!

Hilfeleisten meint jeden Tatbeitrag, der die Haupttat ermöglicht, erleichtert oder verstärkt.S hat die Pistole an A verkauft. Mit dieser Pistole hat A dem R ins Bein geschossen. Die Handlung von S hat die Tat von A erst ermöglicht.Ob A sich auch auf anderem Wege eine Waffe besorgen oder R anders hätte verletzen können, spielt keine Rolle. Alternative Geschehensabläufe bleiben nach den allgemeinen Regeln über Kausalität und objektive Zurechnung außer Betracht.

3. S hat die gefährliche Körperverletzung des A billigend in Kauf genommen.

Nein!

Der Gehilfenvorsatz muss sich auf die wesentlichen Merkmale des Unrechts und die Angriffsrichtung der Haupttat beziehen. Tut er das nicht, so kann auch von keinem billigenden in Kauf nehmen gesprochen werden.S hat möglicherweise in Kauf genommen, dass A Straftaten mit der Pistole begeht. Darunter könnten jedoch Taten wie etwa Mord, Körperverletzung, Bedrohung, Raub oder Jagdwilderei fallen. Diese Taten greifen ganz unterschiedliche Rechtsgüter an und unterscheiden sich maßgeblich in den wesentlichen Merkmalen ihres Unrechts. Die gefährliche Körperverletzung des A ist damit nicht von Ts Vorsatz umfasst.

4. S bleibt damit straflos.

Nein, das ist nicht der Fall!

Für S kommt eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 StGB) und illegalen Waffenhandels (§ 52 Abs. 1 Nr. 1 WaffG) in Betracht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JUL

juliusEchter

2.1.2024, 19:32:13

Warum kann man nicht davon ausgehen, dass ein Händler im Darknet davon ausgehen muss, dass mit seiner Waffe Straftaten begangen werden, dass er diese ermöglicht und dass er dies auch billigend in Kauf nimmt. Meiner Meinung nach muss dieser "weite, allgemeine Vorsatz" genügen.

marimo

marimo

30.7.2024, 11:25:36

Das war auch mein erster Gedanke. Bei der Beihilfe muss der Hilfeleistende aber bezüglich der Haupttat in jedem Fall die Angriffs- und Unrechtsrichtung kennen, damit man von einem Gehilfenvorsatz ausgehen kann. (Rengier, BT I § 45 Rn. 115). Also in diesem Fall z.B. wissen/für möglich halten, dass der Käufer konkret eine Körperverletzung plant. Weil der Sachverhalt hier sehr dünn ist würde ich vorsichtshalber nichts reinlesen und entsprechend der Lösung davon ausgehen, dass die generelle Vorstellung über Straftaten zu ungenau ist.

TI

Tinki

18.8.2024, 17:47:00

Mich würde auch interessieren, warum erforderlich ist, dass der Hilfeleistende die Angriffs- und Unrechtsrichtung kennen muss, wenn wie beim Verkauf von WAffen übers Darknet klar ist, dass diese für Straftaten gebraucht werden... @[

Nora Mommsen

](178057)

IT

itsjuju

12.1.2024, 21:35:48

Fehler im Sachverhalt “BGG”, “verkauft”

LELEE

Leo Lee

14.1.2024, 11:24:07

Hallo itsjuju, vielen Dank für den Hinweis! Wir haben den Fehler nun korrigiert :). Magst du uns vielleicht noch kurz mitteilen, wo genau sich der Fehler mit „verkauft“ befindet? Ich finde auch nach mehrfacher Lektüre den Fehler nicht und würde mich auf einen Hinweis freuen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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