+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Bürgermeisterin B steht mit ihrem Vetter V auf dem Kriegsfuß. Bei Vs nächsten Besuch des örtlichen Schwimmbads verweigert B ihm kraft ihres öffentlich-rechtlichen Hausrechts willkürlich den Eintritt, um ihm einen Denkzettel zu verpassen. V wendet sich an das zuständige Landratsamt mit der Bitte, Bs Verhalten zu korrigieren.
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Einordnung des Falls
Welche Arten von Kommunalaufsicht gibt es 1
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Bei der Wahrnehmung örtlicher Angelegenheiten, wie dem Betrieb eines Schwimmbads, unterliegt B keiner gesetzlichen Bindung.
Nein, das trifft nicht zu!
Die Gemeinde ist Teil der Verwaltung und Träger öffentlicher Gewalt (Art. 1 Abs. 3 GG). Sie ist bei der Wahrnehmung von Aufgaben an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). Dies gilt unabhängig davon, dass die Gemeinde grundsätzlich frei darin ist, sich neuer Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG) anzunehmen.
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2. B durfte V demnach nicht willkürlich den Eintritt verwehren.
Ja!
B ist als Teil der Verwaltung bei der Ausübung des Hausrechts im örtlichen Schwimmbad gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Indem sie V willkürlich, das heißt ohne sachlich rechtfertigenden Grund, den Eintritt verwehrte, verstieß sie jedenfalls gegen Art. 3 Abs. 1 GG. B durfte V demnach den Eintritt nicht ohne sachlichen Grund verwehren.
3. Ob die Gemeinde bei der Wahrnehmung örtlichen Angelegenheiten gegen Recht und Gesetz verstoßen hat, entscheidet sie selbst.
Nein, das ist nicht der Fall!
Die kommunale Aufgabenerledigung unterliegt stets der staatlichen Aufsicht. Die Kommunalaufsicht über Gemeinden bildet ein verfassungsrechtlich durch Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips gebotenes Korrelat der kommunalen Selbstverwaltung. Die Aufsicht gewährleistet, dass die Erledigung der Aufgaben rechtmäßig und bei übertragenen Aufgaben entsprechend einer einheitlichen Verwaltungspraxis darüber hinaus auch zweckmäßig erfolgt.
Dass die kommunale Aufgabenerledigung stets der staatlichen Aufsicht unterliegt, ist unabhängig davon, welches Aufgabenmodell (monistisches oder dualistisches Modell) in Deinem Bundesland vorliegt.
4. Im Hinblick auf Art und Umfang der Kommunalaufsicht unterscheidet man zwischen Rechtsaufsicht, Fachaufsicht und Dienstaufsicht.
Nein, das trifft nicht zu!
Man unterscheidet – je nach Art der wahrgenommenen Aufgabe – zwischen einer bloßen Kontrolle der Rechtmäßigkeit (Rechtsaufsicht) einerseits, sowie der hinzutretenden Kontrolle der Zweckmäßigkeit des kommunalen Handelns andererseits (Fachaufsicht). Aufgaben im eigenen Wirkungskreis bzw. freiwillige und pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben unterliegen lediglich der Rechtsaufsicht. Auftragsangelegenheiten bzw. Pflichtaufgaben nach Weisung unterliegen hingegen der Fachaufsicht.
Die Dienstaufsicht zielt auf die Kontrolle der allgemeinen Geschäftsführung und Personalangelegenheiten einer Behörde ab. Sie dient damit zumindest nicht unmittelbar der Kontrolle der örtlichen Aufgabenerledigung und wird daher nicht zur Kommunalaufsicht gezählt.
5. Bei dem Betrieb des Schwimmbads handelt es sich um eine Aufgabe im eigenen Wirkungskreis der Gemeinde bzw. eine freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe.
Ja!
Aufgaben im eigenen Wirkungskreis bzw. freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben der Gemeinde sind Aufgaben, die eine Gemeinde kraft ihres in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG garantierten Aufgabenfindungsrechts freiwillig, d.h. ohne gesetzliche Pflicht, wahrnimmt. Hierzu zählen neben dem Betrieb von Schwimmbädern, beispielsweise auch der Betrieb von kulturellen Einrichtungen oder Stadthallen. Gegenstück der Aufgaben im eigenen Wirkungskreis bzw. der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben sind diejenigen Aufgaben, zu deren Erfüllung die Gemeinde hinsichtlich des „Ob“ und des „Wie“ der Erfüllung gesetzlich verpflichtet ist (Auftragsangelegenheiten bzw. Pflichtaufgaben nach Weisung).
Mangels einer entsprechenden gesetzlichen Pflicht stellt der Betrieb eines Schwimmbads durch Kommunen vorliegend eine Aufgabe des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde bzw. freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe dar.
Die Terminologie der Aufgaben, zu deren Durchführung die Gemeinde gesetzlich verpflichtet ist, unterscheidet sich abhängig davon, ob im jeweiligen Bundesland ein monistisches oder dualistisches Aufgabenverständnis vorliegt:
(1)Bei einem dualistischen Aufgabenverständnis bezeichnet man Aufgaben, die die Gemeinde nicht freiwillig wahrnimmt, als Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis bzw. als Auftragsangelegenheiten. Die Wahrnehmung und Ausführungsweise („ob” und „wie”) dieser Aufgaben durch die Gemeinde ist gesetzlich vorgeschrieben.
(2)Bei einem monistischen Aufgabenverständnis bezeichnet man einen großen Teil der Aufgaben, die die Gemeinde nicht freiwillig wahrnimmt, als Pflichtaufgaben nach Weisung. Die Wahrnehmung und Ausführungsweise („ob” und „wie”) dieser Aufgaben durch die Gemeinde ist gesetzlich vorgeschrieben. Daneben kennt das monistische Aufgabenverständnis auch noch pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben. Das sind Aufgaben, zu deren Wahrnehmung („ob”) die Gemeinde gesetzlich verpflichtet ist; die Art und Weise der Aufgabenerfüllung („wie”) jedoch wird der Gemeinde zur freien Ausgestaltung überlassen.
Auch in der Klausur beginnt deine gedankliche Prüfung bei kommunalaufsichtsrechtlichen Sachverhalte stets mit dem Einordnen der Aufgabenart.
6. Das Landratsamt könnte im Wege der Fachaufsicht gegen das willkürliche Verhalten der B einschreiten.
Nein, das ist nicht der Fall!
Die Fachaufsicht erfasst nur Auftragsangelegenheiten bzw. Pflichtaufgaben nach Weisung. Demgegenüber unterliegen Aufgaben im eigenen Wirkungskreis der Gemeinde bzw. freiwillige und pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben lediglich einer Rechtsaufsicht.
Der Betrieb des Schwimmbads – eine Aufgabe des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde bzw. eine freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe – unterliegt allein der Rechtsaufsicht. Das Landratsamt könnte folglich nur im Wege der Rechtsaufsicht gegen B einschreiten.
Eine willkürliche Ausübung des Hausrechts entgegen Art. 3 Abs. 1 GG wie im vorliegenden Fall ist offenkundig rechtswidrig. Sie kann im Rahmen der Rechtsaufsicht korrigiert werden.