Einstiegsfall: Fälschung beweiserheblicher Daten

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Der wachsende Versandhandel führt dazu, dass Kurierfahrerin T immer mehr Pakete pro Tag ausliefern muss. Um Zeit zu sparen, klingelt T nicht bei K, um seinen bestellten Fernseher auszuliefern, sondern unterzeichnet selbst mit dem Namen des K auf dem elektronischen Lesegerät und fährt davon.

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Einordnung des Falls

Einstiegsfall: Fälschung beweiserheblicher Daten

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine Strafbarkeit der T wegen Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 Abs. 1 StGB) setzt voraus, dass die Unterschrift auf dem elektronischen Lesegerät beweiserhebliche Daten darstellt.

Ja!

Der Tatbestand des § 269 StGB setzt als Tatobjekt beweiserhebliche Daten voraus. Daten im Sinne des § 269 StGB sind alle - noch nicht notwendigerweise gespeicherten - Informationen, die Gegenstand eines Datenverarbeitungsprozesses sein können. Beweiserheblich sind Daten, wenn sie dazu bestimmt sind im Rechtsverkehr für rechtserhebliche Tatsachen verwendet zu werden.Geschütztes Rechtsgut ist die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Beweisverkehrs mit Daten. Die Vorschrift lehnt sich an der Urkundenfälschung an und soll Lücken schließen, die sich aus der fehlenden hinreichenden Verkörperung ergeben.
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2. Bei der Unterschrift auf dem elektronischen Lesegerät handelt es sich um beweiserhebliche Daten (§ 269 StGB).

Genau, so ist das!

Daten im Sinne des § 269 StGB sind alle - noch nicht notwendigerweise gespeicherten - Informationen, die Gegenstand eines Datenverarbeitungsprozesses sein können. Beweiserheblich sind Daten, wenn sie dazu bestimmt sind im Rechtsverkehr für rechtserhebliche Tatsachen verwendet zu werden.Die digitale Erfassung einer Unterschrift auf der Sensoroberfläche eines elektronischen Lesegeräts ist eine Information, die im Rahmen eines Datenverarbeitungsvorgangs gespeichert wird und den Beweis über den Erhalt der Ware (hier: als Empfangsquittung) erbringen soll.Auch wenn die Unterschrift der elektronischen Empfangsquittung jederzeit reproduzierbar ist und ausgedruckt werden kann, handelt es sich nicht um eine Urkunde im Sinne des § 267 StGB. Das digitale Dokument existiert nur im Speicher oder auf dem Bildschirm. Bei einem Ausdruck handelt es sich ferner nur um eine Kopie des gespeicherten Dokuments.

3. Die Tathandlungen der Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 StGB) sind strukturell an die Urkundenfälschung (§ 267 StGB) angelehnt.

Ja, in der Tat!

Die Deliktsbezeichnung „Fälschung beweiserheblicher Daten“ (§ 269 Abs. 1 StGB) umfasst drei Tatbestände: (1) Speichern, so dass bei Wahrnehmung eine unechte Urkunde vorläge, (2) Verändern, so dass bei Wahrnehmung eine verfälschte Urkunde vorläge und (3) Gebrauchen falsch gespeicherter oder veränderter Daten.Bereits aus dem Wortlaut des § 269 StGB ergibt sich („…vorliegen würde“), dass bis auf die visuelle Wahrnehmbarkeit alle anderen Tatbestandsvoraussetzungen im Sinne des § 267 StGB erfüllt sein müssenMerkhilfe: In der Klausur kannst du also gedanklich prüfen, ob die Voraussetzungen des § 267 StGB erfüllt wären, wenn die Urkunde visuell wahrnehmbar verkörpert wäre.

4. Indem T auf dem Lesegerät mit dem Namen des K unterzeichnet, hat sie beweiserhebliche Daten verändert, so dass bei visueller Wahrnehmung eine verfälschte Urkunde vorläge (§ 269 Abs. 1 Var. 2 StGB).

Nein!

Beweiserhebliche Daten werden verändert, wenn auf bereits vorhandene Daten derart eingewirkt wird, dass der Inhalt einer gespeicherten Gedankenerklärung durch einen anderen ersetzt wird.Das Merkmal entspricht damit dem Verfälschen einer echten Urkunde gem. § 267 Abs 1 Var. 2 StGB. T hat vorliegend nicht auf bereits vorhandene Daten eingewirkt und diese durch einen neuen Inhalt ersetzt, sodass keine beweiserheblichen Daten verändert worden sind.

5. Indem T mit dem Namen des K auf dem Lesegerät unterzeichnet, hat sie beweiserhebliche Daten gespeichert, so dass bei visueller Wahrnehmung eine unechte Urkunde vorläge (§ 269 Abs. 1 Var. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Das Speichern beweiserheblicher Daten setzt das Hervorbringen einer Datenurkunde voraus, die den unrichtigen Anschein erweckt, von dem aus ihr erkennbaren Aussteller herzurühren. Die Handlungsmodalität des Speicherns umfasst alle Methoden mit denen Dateien erzeugt werden, die wieder abgerufen werden können. Das Merkmal entspricht damit dem Herstellen einer unechten Urkunde gem. § 267 Abs 1 Var. 1 StGB.T hat auf dem Lesegerät im Namen des K unterzeichnet. Damit hat sie eine elektronische Empfangsquittung hervorgebracht, die den unrichtigen Anschein erweckt, als rühre sie von K.Zu diesem Ergebnis kommst du auch, wenn du dir in der Klausur gedanklich vorstellst, dass T auf einem Schriftstück (zB ein Blatt Papier) eine entsprechende Empfangsquittung mit dem Namen des K unterzeichnet.
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