Actio pro socio (§ 715b Abs. 1 S. 1 BGB)

23. November 2024

4,7(6.676 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Crypto-GbR besteht aus den Schwestern S1 und S2 sowie dem Freund F der S2. Kraft Gesellschaftsvertrages ist jeder Gesellschafter zur Erbringung einer Einlage in Höhe von €5.000 verpflichtet, die jedoch F noch nicht erbracht hat. Trotz Aufforderung durch S1 weigert sich die alleingeschäftsführungs- und vertretungsbefugte S2, ihren Freund F auf Leistung der Einlage zu verklagen.

Diesen Fall lösen 87,1 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Actio pro socio (§ 715b Abs. 1 S. 1 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. F schuldet S1 und S2 jeweils €2.500.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Anspruch auf Leistung der Einlage steht nicht den Gesellschaftern der GbR, sondern der GbR selbst zu. Dies ergibt sich aus § 705 Abs. 1 BGB, der zeigt, dass die Beitragspflicht der Förderung der Gesellschaft dienen soll, und aus § 713 BGB, wonach die Beiträge zum Gesellschaftsvermögen gehören. F schuldet nicht S1 und S2 die Einlage, sondern der Gesellschaft. Umgekehrt können S1 und S2 nicht Leistung an sich selbst verlangen, sondern der Anspruch steht allein der Gesellschaft zu.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Grundsätzlich muss die alleingeschäftsführungs- und vertretungsbefugte S2 den Anspruch gegen F für die Gesellschaft geltend machen.

Ja!

Ansprüche der Gesellschaft gegen einen Gesellschafter sind Sozialansprüche. Sozialansprüche werden durch die Gesellschaftsorgane für die Gesellschaft geltend gemacht. Es handelt sich dabei um eine Geschäftsführungsmaßnahme. Im Innenverhältnis darf derjenige die Geschäftsführungsmaßnahme vornehmen, wer zur Geschäftsführung befugt ist (vgl. §§ 715 BGB); im Außenverhältnis kann derjenige wirksam tätig werden, der Vertretungsmacht hat (§ 720 BGB). S2 ist alleingeschäftsführungs- und vertretungsbefugt. Sie kann (und muss) somit gegen F vorgehen. S1 hingegen fehlt beides, sodass sie grundsätzlich nicht gegen F vorgehen, ihn also auch nicht verklagen könnte.

3. Solange S2 nicht gegen F vorgeht, kann der Anspruch der Gesellschaft von niemandem durchgesetzt werden.

Nein, das ist nicht der Fall!

Inhaber des Anspruchs von Sozialansprüchen ist zwar die Gesellschaft. Nach § 715b Abs. 1 S. 1 BGB dürfen jedoch ausnahmsweise auch die Gesellschafter im eigenen Namen das fremde Recht der Gesellschaft klageweise geltend machen (actio pro socio). Voraussetzung dafür ist, dass (1) ein Anspruch der Gesellschaft gegen einen anderen Gesellschafter besteht (Sozialanspruch) und (2) die in erster Linie zuständigen geschäftsführenden Gesellschafter die Geltendmachung pflichtwidrig unterlassen.. Die Notkompetenz der „actio pro socio“ war auch nach bislang geltender Rechtslage anerkannt. Durch § 715b Abs. 1 S. 1 BGB ist diese Gesellschafterklage nunmehr für alle Personengesellschaften explizit normiert (für OHG/KG i.V.m. §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB).

4. Die actio pro socio ist ein Fall der Prozessstandschaft.

Ja, in der Tat!

Prozessführungsbefugt ist grundsätzlich derjenige, der im eigenen Namen ein eigenes Recht geltend macht. Wird im eigenen Namen ein fremdes Recht geltend gemacht, spricht man von einer Prozessstandschaft. Bei der actio pro socio macht der Gesellschafter im eigenen Namen das fremde Recht der Gesellschaft geltend. Dabei handelt es sich nach hM um eine gesetzliche Prozessstandschaft und nicht um eine gewillkürte, weil letztere ansonsten abdingbar wäre.

5. Geht S1 im Wege der actio pro socio vor, erhält sie auch die Leistung selbst.

Nein!

Bei der actio pro socio ist der Gesellschafter zwar zur klageweisen Geltendmachung im eigenen Namen befugt, d.h. er darf selbst im eigenen Namen klagen (Zulässigkeit -> Prozessführungsbefugnis). Der Sozialanspruch selbst steht jedoch ausschließlich der Gesellschaft zu. Die Klage ist deshalb nur dann begründet, wenn der klagende Gesellschaft Leistung an die Gesellschaft und nicht an sich selbst verlangt (Begründetheit -> Aktivlegitimation). S muss im eigenen Namen klagen, aber Leistung an die Crypto-GbR beantragen.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BE

Bioshock Energy

16.10.2024, 16:43:27

Was ist die Anspruchsgrundlage der S 1 bzgl. des Beitrags gegen F? § 715b isoliert oder § 715b i.V.m. § 705 BGB? Oder der Gesellschaftsvertrag i.V.m. § 715b? Über eine Antwort würde ich mich freuen.


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen