Zivilrecht
Schadensrecht
Feststellung eines ersatzfähigen Schadens
Grundsatz: Kein Ersatz immaterieller Schäden
Grundsatz: Kein Ersatz immaterieller Schäden
19. Februar 2025
6 Kommentare
4,7 ★ (6.542 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Segelliebhaberin S mietet bei V im Vorfeld ihres Jahresurlaubs an der Nordsee eine Segelyacht. Da V die Buchung vergisst, vermietet er alle Yachten anderweitig und kann auch keinen Ersatz beschaffen. S verbringt ihren Urlaub gezwungenermaßen an Land.
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Einordnung des Falls
Grundsatz: Kein Ersatz immaterieller Schäden
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. S' Schaden Form der vertanen Urlaubszeit ist nach § 249 BGB im Wege der Naturalrestitution ersetzbar.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Unabhängig davon, ob ein Vermögens- oder Nichtvermögensschaden vorliegt, kann eine Geschädigte immer Entschädigung in Geld verlangen, wenn Naturalrestitution ausscheidet (§ 253 Abs. 1 BGB).
Nein!
3. Handelt es sich bei der vertanen Urlaubszeit um einen Nichtvermögensschaden (§ 253 Abs. 1 BGB).
Genau, so ist das!
4. S hat bei V keine Pauschalreise gebucht, sodass § 651n Abs. 2 BGB nicht direkt anwendbar ist. Kann S dennoch Entschädigung für ihre entgangene Urlaubsfreude verlangen?
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
JJO
2.5.2024, 11:24:29
Das wird teilweise anders gesehen. So z.B. Grigoleit/Riehm,
Schuldrecht IV, 3. Aufl., Rn. 585; BGH NJW 1985, 906; BGHZ 119, 152 (159).
in persona
27.8.2024, 18:38:23
über eine Ausführung würde ich mich sehr freuen :)

Nils
24.12.2024, 03:23:18
Auszug aus AG Schleswig,
Urteilvom 16.12.2022 – Az.: 2 C 62/22 ab Rn. 17: (...) "Auch eine analoge Anwendung des §
651n BGBkommt nicht (mehr) in Betracht. Zwar verweist die Klägerin zurecht auf das
Urteildes BGH vom 17.01.1985 (VII ZR 163/84), wonach eine Haftung für vertane Urlaubszeit auch bei der Vermietung von Ferienwohnungen über eine analoge Anwendung des damaligen § 651f Abs.2 BGB, welcher im Wesentlichen dem heutigen § 651n Abs.2 BGB entspricht, in Betracht kommt. Jedoch ist für eine analoge Anwendung des heutigen § 651n Abs.2 BGB seit der Reformierung des Pauschalreiserechts durch das Dritte Gesetz zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften im Jahr 2018 kein Raum mehr. Voraussetzung für die analoge Anwendbarkeit einer Gesetzesvorschrift sind das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke sowie eine vergleichbare Interessenlage. An einer planwidrigen Regelungslücke fehlt es jedoch ausweislich der Unterlagen zum Gesetzgebungsverfahren. Der Referentenentwurf sah unter § 651u BGB eine ausdrückliche Regelung über die Anwendbarkeit einzelner Vorschriften des Pauschalreiserechts, unter anderem des §
651n BGB, auf einzelne Reiseleistungen vor. In der Begründung nimmt der Referentenentwurf ausdrücklich Bezug auf das
Urteildes BGH vom 17.01.1985 über die analoge Anwendbarkeit des Pauschalreiserechts auf die Vermietung von Ferienwohnungen und verlangt insofern eine klarstellende Aufnahme in das BGB. Zudem nimmt der Referentenentwurf Bezug auf die nach Erwägungsgrund (21) der Richtlinie (EU) 2015/2302 vom 25.11.2015, deren Umsetzung die Reform diente, den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, eine entsprechende Anwendbarkeit der Vorschriften auf ähnlich gelagerte Fälle zu regeln. (...) Im Gesetzesentwurf der Regierung findet sich der Vorschlag des Referentenentwurfs dann nicht wieder. Stattdessen wurde unter § 651u die bereits zuvor unter § 651l BGB vorhandene Regelung zur Anwendbarkeit auf Gastschulaufenthalte wieder aufgenommen. Diesbezüglich wird in der Entwurfsbegründung der Regierung auf Erwägungsgrund (21) der Richtlinie Bezug genommen. Im Rahmen der Darlegung der Gesetzesfolgen heißt es unter 4. (Seite 56 unten, 57 oben des Regierungsentwurfs): „Außerdem wird die derzeitige Rechtsprechung zur analogen Anwendbarkeit des Pauschalreiserechts auf einzelne Reiseleistungen nicht in den Gesetzestext überführt; auch dies entlastet die Unternehmen beträchtlich.“ Vor diesem Hintergrund kann von einer planwidrigen Regelungslücke nicht mehr ausgegangen werden. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden, eine Anwendbarkeit auf einzelne Reiseleistungen, worunter auch die Vermietung von Ferienwohnungen fällt, nicht zu übernehmen (so auch BeckOK BGB, 63. Edition, Stand: 01.08.2022, § 651a Rn. 26)." (...) https://www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de/bssh/document/NJRE001534754 https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/RefE/RefE_Drittes_Gesetz_Pauschalreiserichtlinie.pdf?__blob=publicationFile&v=3

Juraddicted
4.9.2024, 12:15:42
Was bedeutet es, dass der BGH davon abgerückt ist? Findet im PauschalreiseR nicht auch eine „Kommerzialisierbarkeit“ nach Gesetz statt? Hat der BGH jetzt die Ansicht, dass man nach der neuen gesetzlichen Regelung keinen „analogen Bedarf“ mehr hat und gibt diesen Gedanken deswegen auf? Vielen lieben Dank :)
Nani123
21.10.2024, 17:57:27
Ich würde gerne sicher gehen, dass ich nichts falsch verstanden habe… Ich hab die letzte Aufgabe so verstanden, dass da § 651n II keine Anwendung findet, es dies bedeutet, dass es auch keinen anderen Schadensersatz (zB über §§ 280ff) für die Urlaubszeit/Urlaubsfreuden gibt. Ist das so richtig?

Sebastian Schmitt
27.10.2024, 21:20:48
Hallo @Jana, das hast Du genau richtig verstanden! §§ 651k ff BGB enthalten grds abschließende Spezialregelungen, die den allgemeinen Regeln und insbesondere § 280 I BGB vorgehen. Es bleiben für das allgemeine Schadensersatzrecht bei einer Reise nur kleine Restanwendungsbereiche, zB bei Verletzung bestimmter Informationspflichten (zum Ganzen BeckOK-BGB/Geib, 71. Ed, Stand 1.8.2024, § 651n Rn 4; BeckOGK/Kramer, BGB, Stand 1.8.2024, § 651n Rn 9 f). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team