+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Segelliebhaberin S mietet bei V im Vorfeld ihres Jahresurlaubs an der Nordsee eine Segelyacht. Da V die Buchung vergisst, vermietet er alle Yachten anderweitig und kann auch keinen Ersatz beschaffen. S verbringt ihren Urlaub gezwungenermaßen an Land.

Einordnung des Falls

Grundsatz: Kein Ersatz immaterieller Schäden

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S' Schaden Form der vertanen Urlaubszeit ist nach § 249 BGB im Wege der Naturalrestitution ersetzbar.

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Nein, das trifft nicht zu!

Die Geschädigte kann vom Schädiger verlangen, dass dieser den Zustand herstellt, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 Abs. 1 BGB, Naturalrestitution). Voraussetzung für die Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 und 2 BGB ist jedoch, dass die Wiederherstellung noch möglich ist. Dies ergibt sich aus dem Umkehrschluss zu § 251 Abs. 1 BGB, der subsidiär erst bei Unmöglichkeit der Naturalrestitution einschlägig ist (Vorrang der Naturalrestitution).Die vertane Urlaubszeit kann nicht wiederhergestellt werden, sodass S diesbezüglich nicht Naturalrestitution nach § 249 BGB verlangen kann.

2. Unabhängig davon, ob ein Vermögens- oder Nichtvermögensschaden vorliegt, kann eine Geschädigte immer Entschädigung in Geld verlangen, wenn Naturalrestitution ausscheidet (§ 253 Abs. 1 BGB).

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Nein!

Da es bei einem Nichtvermögensschaden an einer Vermögenseinbuße fehlt, ist eine Geldleistung nicht ohne Weiteres geeignet, einen Ausgleich herbeizuführen. Aus diesem Grund gilt im Grundsatz, dass solche Schäden nicht auszugleichen sind, sofern dies nicht explizit gesetzlich geregelt ist (§ 253 Abs. 1 BGB).Die Abgrenzung zwischen Vermögens-/Nichtvermögensschaden hat somit entscheidende praktische Bedeutung! Während bei unmöglicher Naturalrestitution Vermögensschäden immer nach § 251 BGB auszugleichen sind, kann dies bei Nichtvermögensschäden nur bei entsprechender gesetzlicher Regelung verlangt werden!

3. Handelt es sich bei der vertanen Urlaubszeit um einen Nichtvermögensschaden (§ 253 Abs. 1 BGB).

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Genau, so ist das!

Der Nichtvermögensschaden ist eine unfreiwillige Beeinträchtigung von Gütern und Interessen ohne Vermögenswert (=immaterieller Schaden).Die entgangenen Urlaubsfreuden stellen für sich genommen objektiv keine messbaren Vermögenswerte dar. Es handelt sich insoweit allein um einen Nichtvermögensschaden.Die frühere Rechtsprechung hatte zeitweise vertreten, dass vertaner Urlaub durchaus „kommerzialisierbar“ sei und deshalb einen Vermögensschaden darstelle. Nachdem der Gesetzgeber im Pauschalreiserecht für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit eine Sonderregelung geschaffen (heute § 651n Abs. 2 BGB) und dabei vor allem auf immaterielle Momente wie die entgangene Urlaubsfreude abgestellt hatte, ist der BGH davon später wieder abgerückt (BGH NJW 2005, 1047).

4. S hat bei V keine Pauschalreise gebucht, sodass § 651n Abs. 2 BGB nicht direkt anwendbar ist. Kann S dennoch Entschädigung für ihre entgangene Urlaubsfreude verlangen?

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Nein, das trifft nicht zu!

§ 651n Abs. 2 BGB regelt den Ersatz für vertane Urlaubszeit bei Pauschalreisen abschließend und hebt nur diesbezüglich die Sperre des § 253 Abs. 1 BGB auf. Nach h.M. ist § 651n Abs. 2 BGB mangels planwidriger Lücke auch nicht analog auf andere Verträge anwendbar.Eine gesetzliche Entschädigungsregelung für vertane Urlaubszeit besteht lediglich für Pauschalreiseverträge, nicht dagegen für den zwischen S und V geschlossenen Mietvertrag (§ 535 BGB). Eine analoge Anwendung scheidet aus. Somit fehlt es an einer gesetzlichen Ausnahmeregelung für den Ersatz von S' Nichtvermögensschaden.

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