+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Handwerkerin H möchte ein Zahlungsurteil gegen ihren Kunden K vollstrecken. Eine Vollstreckungsklausel hat sie schon und das Urteil wurde K bereits zugestellt. H weiß, dass K einen Kaufpreiszahlungsanspruch gegen D hat und möchte daher in diesen vollstrecken.
Diesen Fall lösen 74,2 % der 15.000 Nutzer:innen
unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Um in die Forderung des K gegen D zu vollstrecken, muss H einen Pfändungsbeschluss beantragen (vgl. § 828ff. ZPO).
Ja, in der Tat!
Die Pfändung einer Geldforderung erfolgt durch einen sog. Pfändungsbeschluss (vgl. § 828ff. ZPO). Ein solcher Beschluss enthält unter anderem das an den Drittschuldner gerichtete Verbot, an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen (sog. Arrestatorium, § 829 Abs. 1 S. 1 ZPO) und das an den Vollstreckungsschuldner gerichtete Gebot, keine Verfügung über die Forderung zu treffen, sie insbesondere nicht einzuziehen (sog. Inhibitorium, § 829 Abs. 1 S. 2 ZPO).
H möchte in den Kaufpreiszahlungsanspruch des K gegen D und damit in eine Geldforderung vollstrecken. Hierfür benötigt sie einen Pfändungsbeschluss.
Die Verwertung einer gepfändeten Forderung erfolgt dagegen durch einen sog. Überweisungsbeschluss (§ 835 ZPO). Erst durch ihn wird die Einziehungsberechtigung an der gepfändeten Forderung auf den Vollstreckungsgläubiger übertragen. Die Pfändung und die Verwertung einer Forderung erfolgen jedoch regelmäßig in einem gemeinsamen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfüB).
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Verwertung einer gepfändeten Forderung erfolgt durch einen Überweisungsbeschluss. Kann H hierbei wählen, ob ihr die Kaufpreisforderung „an Zahlungs statt“ oder „zur Einziehung“ überwiesen werden soll (§ 835 Abs. 1 ZPO)?
Ja!
Die gepfändete Forderung ist dem Gläubiger nach seiner Wahl zur Einziehung oder an Zahlungs statt zu überweisen (§ 835 Abs. 1 ZPO). Bei einer Überweisung „an Zahlungs statt“ geht die gepfändete Forderung wie bei einer Abtretung auf den Vollstreckungsgläubiger über und bereits hierdurch tritt Erfüllung der titulierten Forderung ein (§ 835 Abs. 2 ZPO). Der Vollstreckungsgläubiger trägt hierbei das Risiko, dass der Schuldner der gepfändeten Forderung (= Drittschuldner) zahlungsunfähig wird. Durch eine Überweisung „zur Einziehung“ geht dagegen nicht die Forderung, sondern nur das Verfügungsrecht daran auf den Vollstreckungsgläubiger über und Erfüllung tritt erst ein, wenn der Drittschuldner tatsächlich bezahlt.
Eine Überweisung „an Zahlungs statt“ ist für den Vollstreckungsgläubiger also mit einem höheren Risiko verbunden. Aus diesem Grund bildet eine Überweisung „zur Einziehung“ in der Praxis den Regelfall.
3. H muss also einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragen. Ist für den Erlass eines solchen das Prozessgericht des ersten Rechtszugs zuständig (§ 828 Abs. 1 ZPO)?
Nein, das ist nicht der Fall!
Die gerichtlichen Handlungen, welche die Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögenswerte zum Gegenstand haben, erfolgen durch das Vollstreckungsgericht (§ 828 Abs. 1 ZPO). Nach § 828 Abs. 2 ZPO ist das Vollstreckungsgericht grundsätzlich das Amtsgericht (sachliche Zuständigkeit), bei dem der Schuldner im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (örtliche Zuständigkeit).
Für den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist das Vollstreckungsgericht zuständig. Das ist dasjenige Amtsgericht, bei dem der K im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.
Innerhalb des Vollstreckungsgerichts ist für den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses der Rechtspfleger funktionell zuständig (§ 20 Abs. 1 Nr. 17a RPflG).
4. Auch die Pfändung einer Forderung hat grundsätzlich zwei Folgen: Es tritt Verstrickung ein und ein Pfändungspfandrecht entsteht.
Ja, in der Tat!
Eine Pfändung führt grundsätzlich zur Verstrickung des gepfändeten Gegenstands. Durch die Verstrickung verliert der Vollstreckungsschuldner die Verfügungsbefugnis über den gepfändeten Gegenstand. Neben der Verstrickung begründet eine Pfändung grundsätzlich auch ein Pfändungspfandrecht des Vollstreckungsgläubigers am gepfändeten Gegenstand (§ 804 Abs. 1 ZPO). Diese Rechtsfolgen gelten nicht nur bei der Pfändung eines körperlichen Gegenstands (Sachpfändung), sondern auch bei einer Forderungspfändung.
Die Verstrickung und das Pfändungspfandrecht entstehen nicht bereits mit dem Erlass, sondern erst mit der Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Drittschuldner. Denn erst dadurch ist die Pfändung als bewirkt anzusehen (§ 829 Abs. 3 ZPO).
5. Auf Antrag der H ergeht ein PfüB, durch den die Kaufpreisforderung des K gegen D gepfändet und der H zur Einziehung überwiesen wird. Kann H die gepfändete Forderung nun gegen D vollstrecken?
Nein!
Eine Forderungspfändung ist nur möglich, wenn der Vollstreckungsgläubiger über einen entsprechenden Titel verfügt (allgemeine Voraussetzung der Zwangsvollstreckung). Dieser Titel berechtigt aber nur zur Zwangsvollstreckung der titulierten Forderung, nicht dagegen zur Zwangsvollstreckung der zu diesem Zwecke gepfändeten Forderung. Zur Vollstreckung der gepfändeten Forderung bedarf es eines neuen Titels. Eine dahingehende Klage gegen den Drittschuldner wird als Einziehungsklage bezeichnet, sofern die gepfändete Forderung dem Vollstreckungsgläubiger zur Einziehung überwiesen wurde.
Das gegen K erstrittene Zahlungsurteil berechtigt H nur zur Zwangsvollstreckung des Zahlungsanspruchs gegen K, nicht jedoch zur Zwangsvollstreckung der gepfändeten Kaufpreisforderung. Hierfür benötigt H zunächst einen neuen Titel, den sie im Wege einer sog. Einziehungsklage erlangen kann.