Zivilrecht

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)

Die echte GoA – Voraussetzungen

Auch-fremdes Geschäft – Streit: Ermittlung des Fremdgeschäftsführungswillens

Auch-fremdes Geschäft – Streit: Ermittlung des Fremdgeschäftsführungswillens

19. Mai 2025

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

F sieht wie das Nachbarhaus des abwesenden N brennt und droht auf sein eigenes Haus überzugehen. Um den N vor größeren Schäden zu bewahren, aber auch um sein eigenes Haus vor dem Feuer zu retten, löscht F das Feuer. F möchte die Kosten für das Löschwasser von N ersetzt bekommen.

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Einordnung des Falls

Auch-fremdes Geschäft – Streit: Ermittlung des Fremdgeschäftsführungswillens

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen für das Brandlöschen könnte sich aus den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) ergeben. Hat F, indem er den Brand löschte, ein „Geschäft besorgt“ (§ 677 BGB)?

Ja, in der Tat!

Die Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) begründet ein gesetzliches Schuldverhältnis. Sie liegt vor, wenn jemand (der Geschäftsführer) ein Geschäft für einen anderen (den Geschäftsherrn) besorgt, ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein. Geschäftsbesorgung ist hier wie im Auftragsrecht (§ 662 BGB) weit zu verstehen und umfasst jede tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Tätigkeit, auch von kurzer Dauer. Das Löschen des Brandes ist eine tatsächliche Tätigkeit des F und somit eine Geschäftsbesorgung i.S.d. § 677 BGB.
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2. Da das Löschen des Brandes nicht nur der Verhinderung weiterer Schäden am Haus des N verhindert, sondern gleichzeitig auch das Haus des F vor einem Brand schützt, liegt ein auch-fremdes Geschäft vor.

Ja!

Ein auch-fremdes Geschäft liegt vor, wenn dieses Geschäft nach außen erkennbar sowohl in den Rechts- und Interessenkreis eines anderen, als auch in denjenigen des Geschäftsführers selbst fällt. Das Löschen des Brandes verhindert nicht nur weitere Schäden am Haus des N, sondern gleichzeitig wird dadurch das Übergreifen des Feuers auf das eigene Haus des F verhindert. Die Geschäftsbesorgung fällt demnach sowohl in den Rechts- und Interessenkreis des N als auch des F. Somit handelt es sich um ein auch-fremdes Geschäft.

3. Weiter müsste F mit Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt haben. Der BGH vermutet – wie beim objektiv fremden Geschäft – auch beim auch-fremden Geschäft aufgrund der Umstände den Fremdgeschäftsführungswillen. Läge danach ein solcher vor?

Genau, so ist das!

Nach Ansicht des BGH ergibt sich der Fremdgeschäftsführungswille – ebenso wie beim objektiv fremden Geschäft – auch beim auch-fremden Geschäft bereits aus den (objektiven) Umständen. Es wird danach widerlegbar vermutet, dass der Geschäftsführer „für einen anderen“, also mit Fremdgeschäftsführungswillen handelt. Die Bestimmung des Fremdgeschäftsführungwillen beim „auch fremden“ Geschäft ist allerdings sehr umstritten. Bereits aus den Umständen, dass das Geschäft zumindest auch in Ns Interessenkreis und nicht nur in Fs eigenen Interessenkreis fällt, folgt demnach eine widerlegbare Vermutung für Fs Fremdgeschäftsführungswillen. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass F nur seine eigenen Interessen verfolgt hat, sodass die Vermutung nicht widerlegt ist. F handelte danach – nach Ansicht des BGH – mit Fremdgeschäftsführungswillen. Folge der Rspr., ohne die Lit. Ansicht näher zu diskutieren.

4. Die Literatur hält es für wahrscheinlich, dass der Geschäftsführer bei auch-fremden Geschäften allein im eigenen Interesse handelt und lehnt eine Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens insoweit ab. Müsste danach der Fremdgeschäftsführungswille erkennbar nach außen hervortreten?

Ja, in der Tat!

Die Literatur lehnt die Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens bei auch-fremden Geschäften ab. Vielmehr fordert sie, dass der Fremdgeschäftsführungswille erkennbar nach außen hervortreten muss. Als Begründung führt diese Gegenauffassung an, dass es beim auch-fremden Geschäft wahrscheinlicher erscheine, dass der Geschäftsführer lediglich im eigenen Interesse handele. Zudem würde andernfalls der Anwendungsbereich der GoA unzulässig ausgeweitet. Der BGH wendet dagegen wiederum ein, dass eine gegebenenfalls zu weitreichende Bejahung von Ansprüchen aus GoA durch die widerlegbare Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens bei auch-fremden Geschäften durch wertende Korrekturen an anderen Stellen verhindert wird. Hierzu hat der BGH eine umfangreiche Kasuistik entwickelt. Zu den einzelnen Fallkonstellationen später mehr. Im zweiten Examen musst Du diesen Streit nicht mehr führen. Du folgst einfach der Rspr. Mehr zur Kasuistik des BGH findest Du im Kommentar!

5. Folgt man hier nun der Ansicht des BGH, so wird der Fremdgeschäftsführungswille des F vermutet. Hat F schließlich auch ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung gehandelt, sodass alle Voraussetzungen des § 677 BGB vorliegen?

Ja!

Nach § 677 BGB muss der Geschäftsführer ein Geschäft für einen anderen besorgen (fremdes Geschäft + Fremdgeschäftsführungswille), ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein, also ohne, dass zwischen den Beteiligten eine rechtliche Beziehung besteht.Zwischen F und N besteht keinerlei rechtliche Beziehung. Somit handelte F auch ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung. Folglich liegen die Voraussetzungen einer echten Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 677 BGB vor. Die fehlende „sonstige Berechtigung“ im Sinne des § 677 BGB hat nichts mit der Frage zu tun, ob es sich um eine berechtigte oder um eine unberechtigte GoA handelt. In beiden Fällen darf der Geschäftsführer nicht vom Geschäftsherrn beauftragt oder ihm gegenüber sonst zur Geschäftsführung berechtigt sein. Ob eine GoA berechtigt oder unberechtigt ist, wird anschließend ermittelt und richtet sich danach, ob die Voraussetzungen des § 683 S. 1 BGB erfüllt sind. Dazu später mehr!
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