Amtsträger-Eigenschaft - Kölner Müllskandal

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A ist Geschäftsführer der B-GmBH, einem städtisch beherrschten Müllentsorger mit privater Sperrminorität. B plant den Bau einer Verbrennungsanlage. C möchte diese errichten. A lässt sich von C Schmiergeld zahlen und manipuliert die Ausschreibung so, dass C den Zuschlag erhält.

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Einordnung des Falls

Amtsträger-Eigenschaft - Kölner Müllskandal

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat sich wegen Untreue nach § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar gemacht, indem er das Schmiergeld annahm.

Ja!

Eine Strafbarkeit nach § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB setzt tatbestandlich voraus: (1) Vermögensbetreuungspflicht (2) Verletzung dieser Pflicht (3) VermögensnachteilA hatte als Geschäftsführer der B die durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis (§§ 6, 35 GmbHG) über das Vermögen der B zu verfügen. Diese Pflicht hat er als Geschäftsführer gegenüber der B verletzt und hierdurch der B einen Vermögensnachteil in Höhe des vereinbarten Schmiergeldaufschlags zugefügt.
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2. A ist wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar.

Genau, so ist das!

Voraussetzungen für eine Strafbarkeit nach 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB sind: (1) Täter: Angestellter oder Beauftragter eines Unternehmens (2) Vorteil (3) Tathandlung: Fordern, Sich versprechen lassen, Annehmen (4) Geschäftlicher Verkehr (5) UnrechtsvereinbarungA handelt als Geschäftsführer als Angestellter des Unternehmens. Das Schmiergeld stellt einen materiellen Vorteil dar, den A von C angenommen hat. Das Tätigwerden diente der Förderung eines beliebigen Geschäftszwecks und fand damit im geschäftlichen Verkehr statt. Auch wurde das Schmiergeld gerade als Gegenleistung für die Bevorzugung gezahlt, womit eine Unrechtsvereinbarung bestand.

3. Weil es sich bei der B-GmbH um ein privat-rechtlich organisiertes Unternehmen handelt, scheidet eine Strafbarkeit des A wegen Bestechlichkeit nach § 332 Abs. 1 StGB von vorneherein aus.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Strafbarkeit nach § 332 Abs. 1 StGB kommt auch bei Akteuren von privat-rechtlich organisierten Unternehmen in Betracht, wenn das Unternehmen öffentlich beherrscht wird und sofern der Akteur (Geschäftsführer - wie hier A -, Vorstände oder anderweitige Entscheidungsträger) als Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 a)-c) StGB anzusehen ist. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist Amtsträger, wer nach deutschem Recht Beamter ist (Nr. 2 a), in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht (Nr. 2 b), oder bestellt ist, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen (Nr. 2 c).

4. Ist A Amtsträger gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 a StGB (Beamter)?

Nein!

Beamte sind Personen, die unabhängig von der Art der ihnen übertragenen Tätigkeit vom Staat förmlich in ein Beamtenverhältnis berufen worden sind. Der Begriff erfasst ausschließlich Beamte im staatsrechtlichen Sinne.A wurde nicht ins Beamtenverhältnis berufen und ist damit kein Beamter im staatsrechtlichen Sinne.

5. A ist Amtsträger gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 b StGB, weil er als Geschäftsführer eines öffentlich beherrschten Unternehmens in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein sonstiges öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis ist ein Rechtsverhältnis gegenüber dem Staat oder ihm nachgeordneten Rechtssubjekten, das einem Beamtenverhältnis hinsichtlich der Dienst- und Treuepflichten des Amtsinhabers ähnelt, ohne dass es für die Begründung der Amtsträgereigenschaft auf den Inhalt der übertragenen und ausgeübten Tätigkeit ankäme.Als Geschäftsführer des Müllentsorgers steht A in keinem solchen Rechtsverhältnis, das dem Beamtenverhältnis hinsichtlich der Dienst- und Treuepflichten des Amtsinhabers ähnelt. Er steht in keinem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis.Unter § 11 Abs. 1 Nr. 2 b StGB fallen beispielsweise Notare, Minister der Bundes- und der Landesregierung, parlamentarische Staatssekretäre und Vorstände kommunaler Zweckverbände.

6. Die Amtsträgereigenschaft gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB setzt voraus, dass der Täter dazu bestellt ist, bei einer oder für eine Behörde oder „sonstige Stelle" Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen.

Ja, in der Tat!

„Sonstige Stellen" sind nur behördenähnliche Institutionen, die befugt sind, bei der Ausführung von Gesetzen und der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitzuwirken. Zugleich sind auch als juristische Personen des Privatrechts organisierte Einrichtungen und Unternehmen der öffentlichen Hand als „sonstige Stellen“ Behörden gleichgestellt, soweit Merkmale vorliegen, die eine Gleichstellung mit einer Behörde rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen und dabei derart staatlicher Steuerung unterliegen, dass sie bei einer Gesamtbewertung als verlängerter Arm des Staates erscheinen.

7. A ist Amtsträger gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB, weil er wegen seiner Geschäftsführerstellung dazu bestellt ist, bei einer „sonstigen Stelle" Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen.

Nein!

B nimmt mit der Entsorgung von Müll grundsätzlich öffentliche Aufgaben wahr. Um das Unternehmen als „sonstige Stelle” im Sinne der Norm zu qualifizieren, muss es jedoch auch bei einer Gesamtbetrachtung als „verlängerter Arm" des Staates erscheinen. Bei B besitzen private Anteilseigner eine Sperrminorität. Sie können dadurch wesentliche unternehmerische Entscheidungen mitbestimmen. Die staatliche Steuerung auf das Unternehmen ist damit nicht groß genug, um es als einen „verlängerten Arm” ds Staates erscheinen zu lassen.

8. Ist A gemäß § 332 Abs. 1 StGB strafbar?

Nein, das ist nicht der Fall!

Mangels Amtsträgereigenschaft gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 a-c StGB ist eine Strafbarkeit des A wegen Bestechlichkeit nach § 332 Abs. 1 StGB ausgeschlossen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MK-

MK-

26.12.2023, 10:08:50

ich verstehe nicht ganz, weshalb eine Untreue angenommen wird? insbesondere der Vermögensnachteil in Höhe der Schmiergeldauszahlung leuchtet mir nicht ein, da A das Schmiergeld doch bekommt und nicht auszahlt. Allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Rückzahlungsansprüche (welche meines Wissens jedoch als Sekundäransprüche keine Berücksichtigung bei der Bestimmung des Vermögensnachteils bekommen) könnte ein Vermögensnachteil konstruiert werden, oder nicht?

AN

Ani

22.2.2024, 11:58:00

Ich glaube, die Erklärung ist dahingehend in der Aufgabe tatsächlich nicht ganz korrekt. Der Vermögensnachteil resultiert doch vielmehr daraus, dass bei (öffentlicher) Vergabe stets der günstigste Anbieter den Zuschlag bekommt und hier durch die rechtswidrige Vergabe durch A der Auftraggeber nun einen höheren Preis zahlen muss.

PAT

Patrick4219

3.8.2024, 09:00:12

Stimme @[Ani](134591) zu 100% zu. Hier müsste der Hinweistext einmal überarbeitet werden, um weitere Verwirrungen zu vermeiden :)


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