Grundfall Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung

22. November 2024

4,8(3.478 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Unternehmerin U hat den Stadtpark vertragsgemäß mit 85 neuen Parkbänken ausgestattet. Um sich das Wohlwollen von Behördenleiterin B zu sichern und zukünftige Aufträge zu erhalten, schickt U ihr einen teuren Präsentkorb als „Dank für die gute Zusammenarbeit”. B kennt zwar die Korruptionsregeln, nimmt aber trotzdem erfreut an.

Diesen Fall lösen 85,7 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Grundfall Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B könnte sich der Vorteilsannahme gem. § 331 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem sie den Präsentkorb annahm.

Ja, in der Tat!

Objektive Tatbestandsvoraussetzungen für eine Strafbarkeit nach § 331 Abs. 1 StGB sind: (1) Täter: Amtsträger etc. (2) Tatobjekt: Vorteil für sich oder einen Dritten (3) Tathandlung: Fordern, Sich versprechen lassen, Annehmen (4) Dienstausübung (5) Unrechtsvereinbarung B müsste zudem vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Handelt es sich bei dem Präsentkorb um einen Vorteil, den B angenommen hat?

Ja!

Ein Vorteil ist jede Leistung materieller oder immaterieller Art, auf die der Amtsträger keinen Anspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder auch nur persönliche Lage objektiv verbessert. Ein Vorteil wird angenommen, wenn der geforderte oder angebotene Vorteil tatsächlich entweder selbst empfangen oder an den Dritten weitergeleitet wird, für den er bestimmt ist.Der Präsentkorb ist eine Leistung materieller Art, auf die B keinen Anspruch hat und die ihre wirtschaftliche Lage tatsächlich verbessert. B hat den Präsentkorb selbst empfangen.

3. Weil U sich nur das allgemeine Wohlwollen der B sichern wollte und keine konkrete Handlung erstrebte, gibt es keinen Bezug zur Dienstausübung von B.

Nein, das ist nicht der Fall!

Dienstausübung ist die dienstliche Tätigkeit im Allgemeinen, ohne, dass es auf eine – noch nicht mal in groben Umrissen konkretisierte – Diensthandlung ankommt. Eine konkrete Zuständigkeit ist nicht erforderlich.U wollte sich das allgemeine Wohlwollen von B für die Zukunft sichern. Damit hatte sie zwar keine konkrete dienstliche Handlung von B ins Auge gefasst. Das Wohlwollen sollte aber im Rahmen der allgemeinen dienstlichen Tätigkeit der B bestehen. Ein Bezug zur Dienstausübung ist mithin gegeben.Früher war für eine Strafbarkeit stets der Bezug auf eine konkrete Diensthandlung erforderlich. Der Gesetzgeber hat 1997 mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Korruption explizit auch den Bezug auf die Dienstausübung normiert. § 331 StGB und § 333 StGB sollen insbesondere auch dann greifen können, wenn der Bezug auf eine konkrete Diensthandlung nicht nachgewiesen werden kann.

4. Besteht eine Unrechtsvereinbarung zwischen B und U?

Ja, in der Tat!

Eine Unrechtsvereinbarung verlangt, dass zwischen der Tathandlung und der Dienstausübung ein Beziehungsverhältnis dergestalt besteht, dass der Vorteil dem Amtsträger als Gegenleistung für die Dienstausübung zufließen soll. Vorteil und Dienstausübung müssen folglich inhaltlich verknüpft sein.Der Präsentkorb soll das Wohlwollen der B im Allgemeinen im Rahmen ihrer Dienstausübung sichern. Dabei handelt es sich um so genannte „Klimapflege”, bei der ein Vorteil und die Dienstausübung inhaltlich verknüpft sind. Eine Unrechtsvereinbarung besteht.Die Unrechtsvereinbarung im Rahmen von § 331 StGB wird auch „gelockerte” Unrechtsvereinbarung genannt, weil es nicht auf eine konkretisierte Handlung ankommt. Dazu später mehr.

5. Allerdings handelte B nicht vorsätzlich.

Nein!

Vorsatz ist der Wille zur Verwirklichung des Tatbestands in Kenntnis aller objektiven Tatumstände. Der Vorsatz muss sich also auch auf die Unrechtsvereinbarung beziehen. Es genügt dabei, wenn der Täter billigend in Kauf nimmt, dass es um einen Vorteil als Äquivalent für die Dienstausübung geht (Eventualvorsatz).B hat einen teuren Präsentkorb von U angenommen. Als Behördenleiterin weiß sie um die Regeln zu Korruption. Sie hat zumindest billigend in Kauf genommen, dass es sich bei dem Korb um einen Vorteil für ihre Dienstausübung handelt. B handelte vorsätzlich.

6. U wiederum hat sich der Vorteilsgewährung nach § 333 Abs. 1 StGB strafbar gemacht, als sie B den Präsentkorb schickte.

Genau, so ist das!

Objektive Tatbestandsvoraussetzungen für eine Strafbarkeit nach § 333 Abs. 1 StGB sind: (1) Täter: Jedermann (2) Vorteilsnehmer: Amtsträger etc. (3) Tatobjekt: Vorteil für diesen oder einen Dritten (4) Tathandlung: Anbieten, Versprechen oder Gewähren (5) Dienstausübung (6) Unrechtsvereinbarung B müsste zudem vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben.Bei dem Präsentkorb handelt es sich um einen materiellen Vorteil, den U der Amtsträgerin B gewährt hat. Sie wollte sich das Wohlwollen der B sichern und etwige künftige Aufträge erhalten. Ein Bezug zur Dienstausübung der B besteht mithin. Der Vorteil und die Dienstausübung sind auch inhaltlich im Sinne einer Unrechtsvereinbarung verknüpft. B handelte vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!

Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen