Zivilrecht

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)

Die echte GoA – Sonderfälle

Selbstaufopferung im Straßenverkehr – Bemessung der Anspruchshöhe

Selbstaufopferung im Straßenverkehr – Bemessung der Anspruchshöhe

2. April 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A befährt im Jahr 2021 mit seinem Auto eine übersichtliche Landstraße. Ihm kommt B entgegen. Beide fahren vorschriftsgemäß 50 km/h. Aufgrund einer nicht erkennbaren Ölspur rutscht Bs Auto auf As Fahrbahn. Um einen Unfall zu vermeiden, weicht A aus und prallt gegen einen Baum.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Selbstaufopferung im Straßenverkehr – Bemessung der Anspruchshöhe

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A könnte gegen B einen Anspruch aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB haben. Dafür müsste A ein -zumindest auch- fremdes Geschäft besorgt haben. Ist dies hier abzulehnen, weil A für den verhinderten Unfall nach § 7 Abs. 1 StVG hätte haften müssen?

Nein, das trifft nicht zu!

Wie du im vorherigen Fallbeispiel bereits gelernt hast, nimmt der BGH eine Einschränkung für die Annahme eines fremden Geschäfts bei verhinderten Kollisionen im Straßenverkehr vor. Sofern der Kfz-Halter für den verhinderten Unfall nach § 7 Abs. 1 StVG (verschuldensunabhängig) gehaftet hätte, so liegt nach Ansicht des BGH die Verhinderung des Unfalls ( = Geschäftstätigkeit) allein in seinem Interesse, sodass kein fremdes Geschäft i.S.v. § 677 BGB gegeben ist. Wären A und B zusammengestoßen, so läge der Grund für den Unfall in einem unabwendbaren Ereignis (§ 17 Abs. 3 StVG): A hielt sich an die zulässige Geschwindigkeit. A konnte die Ölspur nicht wahrnehmen. Er musste daher nicht damit rechnen, dass Bs Auto auf As Fahrbahn geraten würde. Auch ein Idealfahrer hätte sich in dieser Situation nicht besser verhalten können. A hätte damit gemäß § 17 Abs. 3 StVG nicht nach § 7 Abs. 1 StVG gehaftet. As Ausweichen erfolgte damit nicht nur in As Interesse und ist zumindest ein auch-fremdes Geschäft. Die einzelnen Merkmale von § 7 Abs. 1 StVG kannst Du Dir vertieft in unserem Kurs zum Deliktsrecht anschauen.
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2. Liegen die weiteren Voraussetzungen für den Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB vor?

Ja!

A hat ein auch-fremdes Geschäft besorgt, sodass das Vorliegen des Fremdgeschäftsführungswillens widerlegbar vermutet wird (BGH). Er handelte auch ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung. Das Ausweichmanöver bewahrte B vor Schäden, sodass es Bs Interesse und mutmaßlichen Willen entsprach (683 S. 1 BGB). Somit liegen die Voraussetzungen einer echten, berechtigten GoA vor. A kann nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen.

3. Aufwendungen sind grundsätzlich freiwillige Vermögensopfer. Trifft das auch auf Schäden zu?

Nein, das ist nicht der Fall!

Schäden sind unfreiwillige Vermögenseinbußen. Diese sind grundsätzlich nicht vom Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB erfasst. Es gibt aber einige Ausnahmen, z.B. die sog. risikotypischen Begleitschäden: Wenn sich Gefahren realisieren, die typischerweise mit der Geschäftsbesorgung einhergehen, so ist der daraus entstandene Schaden nach der h.M. ersatzfähig. Mit As Ausweichmanöver geht die Gefahr einher, dass er gegen ein Hindernis fährt und sein Auto beschädigt. Er kann daher grundsätzlich Ersatz für die Schäden an seinem Auto nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB von B verlangen.

4. A verlangt nun von B den Ersatz sämtlicher Schäden an seinem Auto. B findet das „unfair“, weil die Gefahrenlage für ihn ebenfalls völlig überraschend war. Spricht dieser Umstand dafür, As Anspruch aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB zu begrenzen?

Ja, in der Tat!

Nach h.M. gehören bei einer mit Gefahren verbundenen GoA auch Schäden des Geschäftsführers zu den zu ersetzenden Aufwendungen. Bei der Bemessung der Höhe des Anspruchs sei aber zu berücksichtigen, dass der Schaden für beide Beteiligten durch eine zufällige Gefahrenlage ausgelöst wurde. In einer solchen Situation, bei der beide Beteiligten in eine plötzliche Gefahrenlage geraten sind, die nicht zu meistern war, ohne dass einer der beiden einen Schaden erlitt, sei eine vollständige Kostenlast unbillig. Unter anderem auch deshalb, weil den Kraftfahrer grundsätzlich immer die allgemeine Betriebsgefahr trifft. Unter Berücksichtigung der allgemeinen Betriebsgefahr des A ist es hier angemessen, As Anspruch auf Ersatz der Schäden an seinem Auto auf die Hälfte zu kürzen. Zerbrich Dir nicht zu sehr den Kopf um die richtige „Quote“. Mit entsprechender Argumentation kannst Du auch etwas anderes vertreten. Wichtig ist, dass Du mit dem Sachverhalt arbeitest. Im Kommentar finden sich oft Fallbeispiele mit Quoten, die Du für Deine Argumentation verwenden kannst. Der BGH hat für diesen Sonderfall der Selbstaufopferung im Straßenverkehr festgestellt, dass die „Aufwands“entschädigung so weit zu kürzen ist, wie der ausweichende Kfz-Führer durch die vom Kfz ausgehende Gefahr eine Ursache für den Unfall gesetzt hat. Dabei hat er auch eine hälftige Kürzung unbeanstandet gelassen (vgl. BGHZ 38, 270 - https://lorenz.userweb.mwn.de/urteile/bghz38_270.htm
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