Nachträgliche Änderung der Tilgungsbestimmung

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

Hundehalter H glaubt, dass sein Hund den Nachbargarten der N verwüstet hat und zahlt €500 Schadensersatz. Tatsächlich zerstörte das Hausschwein des S den Garten. Da N mittlerweile pleite ist, will H die Zahlung als Leistung des S gelten lassen und von S das Geld zurück.

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Einordnung des Falls

Nachträgliche Änderung der Tilgungsbestimmung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Mit der Zahlung hat H eine Tilgungsbestimmung (§ 366 BGB) vorgenommen, die erklärt, eine eigene Schuld begleichen zu wollen.

Genau, so ist das!

Die Tilgungsbestimmung stellt eine einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung dar. Sie unterliegt der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB. H ging hier von einer aus § 833 S. 1 BGB folgenden eigenen Verpflichtung zum Schadensersatz aus (Tierhalterhaftung). A wollte keine fremde Schuld des S tilgen, sondern eine eigene. Eine Drittleistung (§ 267 BGB) scheidet damit aus. Es liegt eine Leistung des H an N vor. Mangels Rechtsgrund, steht H somit ein Anspruch gegen N auf Herausgabe der €500 aus Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) zu. Dieser ist aber eventuell schwierig durchzusetzen, da N „pleite“ ist. Deshalb könnte es für H vorteilhaft sein, die Zahlung als Leistung des S „umzuwidmen“.
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2. H kann die abgegebene Tilgungsbestimmung anfechten (§ 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Die Tilgung als Willenserklärung ist anfechtbar (§§ 119 ff. BGB). Voraussetzung der Anfechtung sind das Vorliegen eines Anfechtungsgrund und eine fristgemäße Anfechtungserklärung gegenüber dem Anfechtungsgegner. H hat sich hier nicht über den Inhalt der abgegeben Tilgungsbestimmung geirrt. H wollte die Tilgungsbestimmung mit dem Inhalt der Tilgung einer eigenen Schuld so abgeben. Ein Inhaltsirrtum scheidet aus. Es liegt lediglich ein unbeachtlicher Motivirrtum vor.

3. Eine nachträgliche Änderung der Tilgungsbestimmung ist nach der h.L. möglich.

Nein!

Nach der überwiegenden Auffassung in der Literatur lehnt ein nachträgliches Änderungsrecht ab. (1) Anders als zB im Erbrecht (§ 2022 Abs. 2, 3 BGB) ist ein solches hier gesetzlich nicht vorgesehen. (2) Gegen eine nachträgliche Änderung spricht auch, dass sich der vermeintliche Schuldner der Insolvenz des Zahlungsempfängers entziehen könnte. Dies liefe auf eine unbillige Überprivilegierung des Zahlenden hinaus. (3) Zudem würde der wahre Schuldner durch die Änderung benachteiligt. Ihm stünden nicht mehr die Einwendungen aus dem Verhältnis mit dem ursprünglichen Gläubiger zu. Der BGH hat die Änderungsmöglichkeit in einem besonders gelagerten Einzelfall einmal unter Verweis auf Treu und Glauben bejaht. Mehr dazu erfährst du in der nächsten Aufgabe.

4. H hat sich mit der Rückzahlung an N zu halten (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Wie bereits oben gesehen, liegen die Voraussetzungen der Leistungskondiktion vor. H kann sich nicht einfach aussuchen, von wem er das Geld zurückverlangen kann.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FL

florisi

10.8.2023, 09:47:58

Liebes Jurafuchs-Team! Ich hab eine Frage bzgl. des systematischen Arguments, dass ein nachträgliches Änderungsrecht der Tilgungsbesimmung im Erbrecht in 2022 Abs.2/3 geregelt sein soll: wie kann man das den Normen entnehmen? 2022 regelt m.E.n. nur den Aufwendungenersatzanspruch eines Erbschaftsbesitzers… Vielen Dank schonmal für die Antwort!

LEO

Leonie

30.8.2024, 17:14:22

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Tobias Krapp

Tobias Krapp

30.10.2024, 16:23:56

Hallo @[florisi](187894) @[Leonie](232117), das ist eine sehr berechtigte Nachfrage, denn explizit steht das so in der Tat nicht im Gesetz. Man muss hier etwas um die Ecke denken: Nach § 2022 II, III BGB kann der gutgläubige Erbschaftsbesitzer die Erben in Anspruch nehmen, zB für eine beglichene Verbindlichkeit. Das ist also zB der Fall, wenn A denkt, B zu beerben, die Erbschaft in Besitz nimmt und dann an den Gläubiger G, der einen Anspruch gegen B hatte, leistet. Wie ist die Leistung des gutgläubigen Erbschaftsbesitzer A aus konkret-objektiver Sicht des Empfängers G zu verstehen? Antwort: Als eigene Leistung des A, denn: A und G denken, dass A B beerbt hat und deswegen nun nach §§ 1922 I, 1967 I BGB für die Nachlassverbindlichkeiten als eigene Schuld infolge der

Universalsukzession

haftet. Wenn nun die C daher kommt und es sich herausstellt, dass C in Wirklichkeit Erbe ist, ist klar, dass die ganze Zeit eigentlich die C nach §§ 1922 I, 1967 I BGB für die Nachlassverbindlichkeiten als eigene Schuld infolge der

Universalsukzession

gehaftet hat und nicht der A! Die Forderung des G war für A also eine fremde Schuld! § 2022 II, III BGB sprechen nun von Ersatz des A gegen die C. Ersatz gegen C kann es doch aber nur geben, wenn durch die Zahlung des A die Schuld der C auch erloschen ist - denn was soll C sonst ersetzen? Wenn die Schuld der C nicht erloschen ist, müsste A schlicht von G kondizieren. Die Schuld muss also erloschen sein - aber A hat ja wie geprüft keine Fremd

tilgungsbestimmung

getroffen. Eine fremde Schuld MUSS also erlöschen können, obwohl man nicht mit der diesbezüglichen Bestimmung geleistet hat. Und das - und nun schließt sich der Kreis - geht nur, wenn A seine

Tilgungsbestimmung

nachträglich ändern kann. Daher, so das Argument, setzt § 2022 II, III BGB eine solche Änderung denknotwendig voraus. Ich hoffe, damit ist es klarer geworden! Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias


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