Lukas_Mengestu
8.12.2021, 09:50:46
Hallo fLAWless,
wie Victor schon richtig ausgeführt hat, liegt bei einer Zahlung auf eine vermeintlich eigene Schuld zunächst einmal eine Leistung des A an O vor, also eine bewusste und zweckgerichtete Mehrung von dessen Vermögen. A kann insofern zunächst nur nach § 812 Abs. 1 S. 1 1.Alt. BGB von O kondizieren. Denn wenn A nicht den Willen hatte auch die Schuld des B zu leisten (§ 267 Abs. 1 BGB), dann tritt keine Erfüllung ein (§ 362 BGB) und B hat auch nichts erlangt.
So weit so unstreitig. Alles Übrige ist dagegen etwas umstrittener.
Dies betrifft in erster Linie die Frage, ob A seine Tilgungsbestimmung nachträglich dahingehend ändern kann, dass sie als Zahlung des O gilt. Während ein großer Teil der Literatur sich dagegen ausspricht, hat der BGH sich eindeutig dafür ausgesprochen (BGH NJW 1986, 2700 – gute Übersicht auch über die Vertreter der Literatur).
In dem zugrunde Fall ging es um die Zahlung einer Unfallversicherung (A) an ein verunglücktes Kind (O). Später stellte sich heraus, dass kein Versicherungsfall vorlag. Die Versicherung forderte das Geld nun allerdings nicht von dem Kind (O), sondern von dessen unterhaltspflichtigen Vater (B). Dieser war privatversichert, weswegen nicht direkt die Krankenversicherung einsprang. Dies ließ der BGH mit dem Argument zu, dass es unbillig wäre, es der Versicherung zum Nachteil gereichen zu lassen, dass sie zunächst ohne weitere Prüfung die Behandlung des Kindes finanzierte.
Offen gelassen, hat der BGH aber, auf welche Anspruchsgrundlage kann A denn nun seinen Anspruch stützen kann (Leistung oder Nichtleistung). Der BGH hat in der Entscheidung pauschal auf § 812 Abs. 1 S. 1 BGB abgestellt, ohne zu klären, welche Variante einschlägig ist.
In der Literatur wird vertreten, dass die Zahlung auf eine fremde Schuld (§ 267 BGB) einer der seltenen Anwendungsfälle der
Rückgriffskondiktion sei (Looschelders, Schuldrecht BT, § 55 RdNr. 44; Medicus, Bürgerliches Recht, § 35 RdNr. 948). Eine solche liege vor, wenn jemand auf Kosten eines anderen von einer Verbindlichkeit befreit wird (MüKoBGB/Schwab, 8. Aufl. 2020, BGB § 812 Rn. 389). Argumentiert wird dabei, dass allein die Tatsache, dass der Dritte bewusst eine fremde Verbindlichkeit begleiche, die Leistung an den Gläubiger noch nicht zugleich zu einer Leistung an den Schuldner mache. Vielmehr erscheine die Vermögensmehrung auf Seiten des Schuldners durch Schuldbefreiung nur als ein (wenn auch gewollter) Reflex der Leistung an den Gläubiger (MüKoBGB/Schwab, 8. Aufl. 2020, BGB § 812 Rn. 391).
Wenn also keine Leistung an O vorliegt, dann kann das Geld allenfalls im Rahmen der Nichtleistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 2 BGB zurückgefordert werden. Diese ist allerdings nur einschlägig, wenn A die Zahlung mangels Fremdgeschäftsführungswillen nicht ohnehin schon über die (un-) berechtigte GoA zurückfordern kann. Denn gegenüber der GoA sei die
Rückgriffskondiktion subsidiär.
Beste Grüße
Lukas – für das Jurafuchs-Team