Sukzessive Beihilfe

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T schleicht sich heimlich in den Garten des O, um dort eine wertvolle Statue zu entwenden. Als er mit dem Kunstwerk im Arm aus dem Garten auf die Straße tritt, trifft er seinen Bekannten G. G erkennt den Diebstahl und hilft T beim Abtransport der Statue.

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Einordnung des Falls

Sukzessive Beihilfe

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T könnte sich wegen Diebstahl strafbar gemacht haben, indem er die Statue aus dem Garten des O trug (§ 242 Abs. 1 StGB).

Ja!

Objektive Voraussetzungen für die Strafbarkeit nach § 242 Abs. 1 StGB sind: (1) Fremde bewegliche Sache (2) Wegnahme T müsste zudem vorsätzlich, mit der Absicht rechtswidriger Zueignung, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben.
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2. Der Diebstahl der Statue ist vollendet, als G den T trifft.

Genau, so ist das!

Eine Straftat gilt dann als vollendet, wenn alle Merkmale des objektiven und subjektiven Deliktstatbestands verwirklicht sind.Die Statue ist eine fremde bewegliche Sache. Indem T die Statue aus dem Garten getragen hat, hat er fremden Gewahrsam gebrochen und neuen Gewahrsam bei sich begründet. Er hat die Statue folglich weggenommen. Dies hat er in der Absicht rechtswidriger Zueignung getan. Der Diebstahl ist mithin vollendet.

3. Die Tat ist auch in dem Zeitpunkt beendet, als G den T trifft.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Straftat ist beendet, wenn die Rechtsgutsverletzung materiell abgeschlossen ist, mithin das strafbare Unrecht seinen Abschluss gefunden hat. Bei einem Diebstahl tritt Beendigung erst ein, wenn der neue Gewahrsam gesichert ist und der vorherige Gewahrsamsinhaber keine Möglichkeit mehr hat, sich die Sache unmittelbar nach der Tat wieder zu verschaffen.T hat die Statue aus dem Garten des O entfernt. Er hat sie jedoch noch nicht abtransportiert. Zu diesem Zeitpunkt besteht noch kein gesicherter Gewahrsam, weswegen die Tat noch nicht beendet ist.

4. Kann zu einer vollendeten, aber noch nicht beendeten Tat unstrittig Beihilfe geleistet werden?

Nein!

Ob zwischen Vollendung und Beendigung einer Tat eine so genannte sukzessive Beihilfe möglich ist, ist umstritten: Ein Teil der Literatur lehnt das ab. Gegen eine Beteiligung zu diesem Zeitpunkt spreche, dass so die Tatbestandsphase über die eigentliche Tathandlung hinaus ausgeweitet werde. Diese Ausdehnung widerspreche der Wortlautgrenze und damit dem Art. 103 Abs. 2 GG. Zudem würden kaum lösbare Abgrenzungsprobleme zu Nachtatdelikten wie etwa der Begünstigung (§ 257 StGB) entstehen. Nach der Rspr. hingegen ist Beihilfe auch nach Vollendung der Tat möglich. Denn auch durch die Hilfe zur Sicherung der Beute werde die Haupttat gefördert.Nach Beendigung der Haupttat ist eine Beihilfe unstrittig ausgeschlossen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

LAWFU

lawfulthings

3.3.2024, 17:41:16

Wieso ist der Diebstahl nicht bereits beendet als T auf die Straße tritt und schon das Grundstück verlassen hat?

LELEE

Leo Lee

4.3.2024, 13:12:11

Hallo lawfulthings, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat könnte man meinen, der Diebstahl sei bereits beendet, als T auf die Staße tritt, da er schon das Grundstück verlassen habe. Dies ist bei entsprechender Begründung mMn vertretbar. Becahte allerdings, dass die Beendigung mit der Sicherung des Gewahrsams eintritt (also wenn die Beute in „Sicherheit“ gebracht wurde). Ob Gewahrsam gesichert wird (und damit auch der Diebstahl vollendet), richtet sich im Einzelfall auch nach der Größe des Gegenstands. Bei sperrigen Sachen (was bei der Statue zu bejahen sein dürfte) ist dies u.a. erst dann der Fall, wenn der Täter sie aus ihm ohne Gefahr der Behinderung oder Entdeckung herausschaffen kann. D.h., hier wäre Gewahrsam eher dann gesichert, wenn der T die Statute nicht nur in den Armen hält, sondern diese etwa in sein Auto legt. Aber wie erwähnt kommt es immer auf den Einzelfall an, weshalb bei guter Begründung auch das Gegenteil vertretbar sein düfte! Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom Lackner/Heger/Kühl StGB 30. Auflage, Heger § 242 Rn. 16 ff. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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