Parteivernehmung II

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K behauptet, dass er mit dem Mitarbeiter M der B-GmbH einen mündlichen Kaufvertrag über ein Sofa zu einem Preis von € 3.000 geschlossen hat. B bestreitet dies und benennt M als Zeugen. Bei dem Kaufgespräch waren nur K und M anwesend.

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Einordnung des Falls

Parteivernehmung II

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Zur streitigen Tatsache, ob und mit welchem Inhalt ein Kaufvertrag zwischen K und M geschlossen wurde, kann K keinen Zeugenbeweis anbieten.

Genau, so ist das!

Zeuge kann nur sein, wer nicht als Partei zu vernehmen ist. K ist selbst Partei und kann daher nicht Zeuge sein. M, der bei dem Gespräch anwesend war, steht auf der Gegenseite, sodass es nicht sinnvoll ist, ihn als Zeugen zu benennen. Dem K steht daher kein Zeugenbeweis zur Verfügung. Handelt es sich statt des Mitarbeiters um den Geschäftsführer der GmbH, kann dieser als gesetzlicher Vertreter nicht selbst Zeuge sein. Es kommt allerdings allein auf den Zeitpunkt der Vernehmung an. Durch eine vorhergehende Abberufung des Geschäftsführers kann er durch die GmbH also möglicherweise doch als Zeuge eingeführt werden, worauf in den Zweckmäßigkeitserwägungen eingegangen werden kann.
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2. K kann allerdings nach § 447 ZPO beantragen, dass er selbst als Partei vernommen wird. Bietet dieser Beweisantritt Aussicht auf Erfolg?

Nein, das trifft nicht zu!

Nach § 447 ZPO kann das Gericht über eine streitige Tatsache auch die beweispflichtige Partei vernehmen, wenn eine Partei (1) es beantragt und (2) die andere Partei damit einverstanden ist. Es kann nicht damit gerechnet werden, dass B der Parteivernehmung des K zustimmt. Somit bietet ein solcher Beweisantritt keine Aussicht auf Erfolg.

3. K befindet sich daher -im Gegensatz zu B, der den M als Zeugen benennen kann- in einer Beweisnot. Der Grundsatz des fairen Prozesses und der Waffengleichheit gebietet folglich die Vernehmung des beweislosen K von Amts wegen (§ 448 ZPO).

Ja!

Nach § 448 ZPO kann das Gericht von Amts wegen die Vernehmung einer Partei anordnen. Dafür ist erforderlich, dass eine gewisse Anfangswahrscheinlichkeit für die Beweistatsache besteht (sog. Anbeweis). Für den Fall eines Vier-Augen-Gesprächs zwischen einer Partei und dem Mitarbeiter der anderen Partei wird das Ermessen des Gerichts für ein Vorgehen nach § 448 ZPO reduziert. Denn in diesen Fällen steht eine Partei beweislos da, während die andere Partei ihren Mitarbeiter als Zeuge benennen kann. Aus Gründen der Waffengleichheit (Art. 20 Abs. 3 iVm. Art. 3 Abs. 1 GG, Rechtsstaatsprinzip) und des fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 EMRK) ist somit eine Vernehmung der beweislosen Partei von Amts wegen geboten. K ist von Amts wegen als Zeuge nach § 448 ZPO zu vernehmen. Darauf sollte K das Gericht hinweisen und seine Vernehmung anregen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FI

finnjh

13.8.2024, 15:45:12

Alternativ ist es für das Gericht auch möglich, die benachteiligte Partei lediglich nach § 141 ZPO anzuhören; BGH NJW 2003, 3636: "Dem Grundsatz der Waffengleichheit kann auch dadurch genügt werden, dass die durch ihre prozessuale Stellung bei der Aufklärung des Vier-Augen-Gesprächs benachteiligte Partei nach § 141 ZPO persönlich angehört wird. Das Gericht ist nicht gehindert, einer solchen Parteierklärung den Vorzug vor den Bekundungen eines Zeugen zu geben."

Sinan

Sinan

4.10.2024, 15:42:55

Ihr schreibt: "Zur streitigen Tatsache, ob und mit welchem Inhalt ein Kaufvertrag zwischen K und M geschlossen wurde, kann K keinen Zeugenbeweis anbieten." Die Antwort "Ja" verstehe ich nicht. Nur weil es nicht zweckmäßig ist, den M zu benennen ist es doch möglich. Und danach wurde gefragt. Ob die Tatsache, dass M Mitarbeiter der B-GmbH ist, es erwarten lässt, dass er entgegen seiner strafbewehrten Wahrheitspflicht aussagen würde, steht m.E. nochmal auf einem anderen Blatt. Könnt ihr mich erhellen? Danke! :)

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

27.10.2024, 21:49:49

Hallo @[Sinan](238322), Du hast völlig Recht, dass diese Formulierung aus den von Dir genannten Gründen etwas unsauber ist. Sie ist allerdings dennoch in der Praxis recht verbreitet, vermutlich weil die Frage dort deutlich mehr aus dem reinen Zweckmäßigkeitsblickwinkel betrachtet wird. Sie findet sich (in unserem Fall vergleichbaren Fällen) wortgleich zB in Unterlagen der Kaiser-Seminare (https://www.kaiserseminare.com/fileadmin/media/user_upload/Zivilprozessrecht_Die_persoenliche_Anhoerung_der_Parteien.pdf, S 1), bei BeckOGK-BGB/Buck-Heeb/Lang, Stand 1.8.2024, § 675 Rn 657 oder auch in einem Beschluss des BVerfG, wenn auch dort nur in den "Gründen I."/der Sachverhaltsdarstellung (BVerfG NJW 2008, 2170, 2170). Wir möchten die Formulierung deshalb trotz Deiner berechtigten Kritik gerne beibehalten, auch um Euch für den in der Praxis verbreiteten Sprachgebrauch zu sensibilisieren. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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