Landesrecht (im Aufbau)

Kommunalrecht NRW

Grundlagen

Aufgabenerfindungsrecht (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG) - "Weihnachtsmarkt I"

Aufgabenerfindungsrecht (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG) - "Weihnachtsmarkt I"

1. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der Gemeinderat von Zoffenhausen beschließt, erstmalig einen Weihnachtsmarkt zu veranstalten. Die Verantwortlichen wollen damit verhindern, dass die Einwohnerinnen von Zoffenhausen den Weihnachtsmarkt der größeren Nachbargemeinde Nörgeldorf besuchen.

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Einordnung des Falls

Aufgabenerfindungsrecht (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG) - "Weihnachtsmarkt I"

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Gemeinden haben das Recht, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln“ (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG).

Ja!

Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG garantiert den Gemeinden einen Aufgabenbereich, der grundsätzlich alle „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ umfasst. In diesem Aufgabenbereich dürfen die Gemeinden ihre Geschäfte eigenverantwortlich regeln. Ein Entzug von örtlichen Angelegenheiten ist nur ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn (1) besondere Gründe des Gemeinwohls den Aufgabenentzug erfordern und (2) die Maßnahme verhältnismäßig ist.
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2. Die Veranstaltung eines Weihnachtsmarkts ist eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft im Sinne des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG.

Genau, so ist das!

Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben. Dies ist der Fall, wenn sie den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der politischen Gemeinde betreffen. Dies ist speziell bei einer besonderen sozialen, kulturellen oder traditionellen Prägung einer Angelegenheit für die Gemeindeeinwohner der Fall. Der Weihnachtsmarkt ist eine Angelegenheit, die Tradition hat und einen sozialen Begegnungsraum für die Gemeinde schafft. Hier treffen die Einwohnerinnen auf vertraute und geschätzte kulturelle Angebote.

3. Darf die Gemeinde auch örtliche Angelegenheiten wahrnehmen, die ihr nicht ausdrücklich durch Gesetz zugewiesen sind?

Ja, in der Tat!

Aus dem Recht der Gemeinden, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ im Rahmen der Gesetze eigenverantwortlich zu regeln (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG), ergibt sich (1) die Regelkompetenz für örtliche Angelegenheiten und ein „Aufgabenerfindungsrecht“ für gesetzlich nicht geregelte Aufgaben. Die Gemeinde kann deshalb grundsätzlich frei entscheiden, ob (Entschließungsermessen) sie aus politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, oder ökologischen Gründen bestimmte örtliche Angelegenheiten wahrnimmt und wie (Auswahlermessen) sie das tut. Allerdings sind die Gemeinden aufgefordert, „innerhalb der Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit die für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Betreuung ihrer Einwohner erforderlichen öffentlichen Einrichtungen“ zu schaffen (§ 8 Abs. 1 GO).

4. Wäre es verfassungsgemäß, einen abschließenden Zuständigkeitskatalog der Gemeinden in der Gemeindeordnung zu normieren?

Nein!

Dadurch würde das Regel-Ausnahme-Verhältnis des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG (Regelkompetenz der Gemeinden) missachtet werden: Die Gemeinden dürften dann ja nicht mehr „alle“ Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft eigenverantwortlich regeln (sondern nur noch solche, die in dem Zuständigkeitskatalog stehen). Merke: Grundsätzlich sind die Gemeinden für die Wahrnehmung örtlicher Angelegenheiten (verbands-)zuständig.

5. Sind die Gemeinden für neu aufkommende Aufgaben mit örtlichem Bezug im Regelfall zuständig?

Genau, so ist das!

Die Regelkompetenz der Gemeinden ist zukunftsoffen: Wenn neue Aufgaben entstehen, sind zuerst die Gemeinden am Zug. Die Länder müssen die Zuständigkeit an die staatlichen Behörden übertragen, wenn sie hiervon eine Ausnahme machen wollen.

6. Zoffenhausen darf auch ohne besondere gesetzliche Ermächtigung einen Weihnachtsmarkt veranstalten.

Ja, in der Tat!

Der Zoffenhausener Weihnachtsmarkt ist eine örtliche Angelegenheit. Dafür sind grundsätzlich die Gemeinden zuständig (Regelkompetenz). Die Veranstaltung von Weihnachtsmärkten wurde nicht den staatlichen Behörden zugewiesen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

CR7

CR7

20.4.2023, 12:25:28

Wie ist das hier gemeint, dass die Länder zuvor die Zuständigkeit an staatliche

Behörde

n übertragen müssen, wenn sie hiervon eine Ausnahme machen wollen? Muss bspw. das Land NRW ihre Zuständigkeit für den Weihnachtsmarkt an eine

Behörde

übertragen? Aber das Land NRW ist gar nicht für den Weihnachtsmarkt zuständig....

Paul König

Paul König

22.4.2023, 10:07:10

Hey @[(af)](145419), leider verstehe ich Deine Frage noch nicht so richtig. Kannst Du das noch Mal konkretisieren oder umformulieren? Beste Grüße - Paul (für das Jurafuchs-Team) @

Nora Mommsen

@Lukas Mengestu

CR7

CR7

23.4.2023, 12:32:19

Die Frage in der Aufgabe lautete: Sind die Gemeinden für neu aufkommende Aufgaben mit örtlichem Bezug im Regelfall zuständig?, Die Antwort war: Die Regelkompetenz der Gemeinden ist zukunftsoffen: Wenn neue Aufgaben entstehen, sind zuerst die Gemeinden am Zug. Die Länder müssen die Zuständigkeit an die staatlichen

Behörde

n übertragen, wenn sie hiervon eine Ausnahme machen wollen. Das war darauf bezogen: Also was meint der Satz, dass die Länder die Zuständigkeit an die staatlichen

Behörde

n übertragen müssen?

F. Rosenberg 🦅

F. Rosenberg 🦅

16.1.2024, 10:57:34

Wenn bspw. die Gemeinde bisher keinen Weihnachtsmarkt hatte, dann hatte sie auch nicht die Aufgabe einen Weihnachtsmarkt zu veranstalten. Wenn jetzt aber die Einwohner danach drängen einen eigenen Weihnachtsmarkt zu haben, ergibt sich daraus eine neue Aufgabe für die Gemeinde (= nämlich den Weihnachtsmarkt zu veranstalten). Sie haben die Regelkompetenz, d.h. in der Regel sind erst einmal die Gemeinden zuständig bei neuen Aufgaben mit örtlichem Bezug. ABER: Die Länder können gesetzlich regeln, dass die Aufgabe auf die

Behörde

n des Landes übertragen werden (d.h. sie können der Gemeinde die Aufgabe entziehen), sodass die Gemeinde dann nicht mehr zuständig ist für die Aufgabe (= Ausnahme von der Regelkompetenz). So habe ich das jedenfalls verstanden.


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