Einschleichen als Schwarzfahrer (-)

3. Dezember 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A begibt sich an Bord des ICE von Hamburg nach München ohne dem Bordpersonal über den Weg zu laufen. Ihm ist dabei bewusst, dass er kein gültiges Ticket gelöst hat.

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Einordnung des Falls

Einschleichen als Schwarzfahrer (-)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Über ein gültiges Ticket zu verfügen, ist eine "Tatsache" (§ 263 Abs. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Tatsachen sind alle in der Vergangenheit oder Gegenwart liegenden äußeren sowie inneren, also psychische Vorgänge oder Zustände, die dem Beweis zugänglich sind. Ob jemand ein Ticket gelöst hat, oder nicht, ist ein äußerer Zustand, der dem Beweis zugänglich ist.
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2. A hat die Deutsche Bahn als Betreiberin des ICE darüber "getäuscht" (§ 263 Abs. 1 StGB), dass er kein gültiges Ticket hat.

Nein, das trifft nicht zu!

Täuschungshandlung ist die ausdrückliche oder konkludente intellektuelle Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen mit dem Ziel bewusster Irreführung. Vorliegend hat sich A beim Betreten des Zugs nicht ausdrücklich gegenüber dem Bordpersonal geäußert. Eine konkludente Täuschung liegt vor, wenn dem Verhalten nach der Verkehrsanschauung ein Erklärungswert innewohnt. In dem bloßen Einsteigen in ein Verkehrsmittel liegt nach der Verkehrsanschaung keinerlei kommunikativer Gehalt. Die bloße Inanspruchnahme von Leistungen ist keine taugliche Täuschungshandlung.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

juramen

juramen

27.12.2022, 23:43:19

Warum ist denn die bloße Inanspruchnahme von Leistungen keine

konkludent

e Täuschung? Ist das Einsteigen in einen Zug nicht damit vergleichbar auf einem kostenpflichtigen Parkplatz zu parken, auch wenn man im Zweifel nicht dafür zahlen möchte?

CAN

cann1311

27.12.2022, 23:55:15

Täuschen erfordert einen kommunikativen Akt. Hätte A mit einem Schaffner geredet und behauptet, er hätte einen Fahrschein, dann würde er über die Tatsache durch einen kommunikativen Akt täuschen. Hier hat A mit niemanden geredet also Täuschungshandlung (-). Aber über einen § 265a StGB nachdenken! (

Erschleichen von Leistungen

)

CR7

CR7

24.1.2023, 15:48:18

Könnt ihr, wenn der Tatbestand nicht einschlägig ist, in der Vertiefung auf sonstige TB eingehen? ☺️

Nora Mommsen

Nora Mommsen

25.1.2023, 12:50:24

Hallo Alexander F., es ist Teil unseres didaktischen Konzepts die Fälle nicht zu überfrachten, sondern kleinschrittig einzelne Aspekte zu erarbeiten. Eine umfassende Darstellung aller Aspekte findest du jeweils in den Rechtsprechungsfällen. Die Aufgaben sind dadurch natürlich deutlicher umfangreicher. Im vorliegenden Fall kommt eine Strafbarkeit nach § 265a Abs. 1 Alt. 3 StGB wegen Leistungserschleichung in Betracht. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

CR7

CR7

25.1.2023, 13:00:17

Danke Nora!

Lord Denning

Lord Denning

4.7.2024, 21:37:42

Den Teil der Definition zu inneren Vorgängen habe ich bisher so noch nie gesehen. Ist es nicht ein bisschen widersprüchlich, wenn man innere Vorgänge als mögliche Tatsachen definiert, obwohl diese gerade sehr schwer bis gar nicht dem Beweis zugänglich sind?

Lord Denning

Lord Denning

5.7.2024, 14:24:05

Bzgl. der inneren Vorgänge habe ich bei genauerem Nachlesen, nun da ich mehr mit dem Betrug beschäftige, geirrt. Dies ist eine gängige Definition. Gleichwohl bleiben meine Bedenken bzgl. der Beweiszugänglichkeit.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

23.7.2024, 16:49:40

Hallo Lord Denning, danke für deine Frage. In der Tat ist dies natürlich nicht so einfach zu beweisen. Allerdings gilt das dem Grunde nach immer für den subjektiven Tatbestand und ja beispielsweise auch für subjektive Mordmerkmale. Wir ziehen Rückschlüsse aus den äußeren Gegebenheiten, legen Äußerungen und anderes zu Grunde. Dennoch ist es eine Tatsache, ob jemand aus

Habgier

gehandelt hat oder nicht, auch wenn es oftmals nicht so schwarz auf weiß zu belegen ist wie die Frage einer krankhaften Veränderung der Stirnlappen. Von daher wage ich zu behaupten, dass die Schwere der Beweisbarkeit hier nicht signifikant von anderen Situation abweicht. Generell triffst du aber natürlich einen Nerv, der in der Praxis ausgesprochen relevant ist. Denn dort ist eben nicht die Schwierigkeit äußere Vorgänge zu beweisen, sondern immer wieder scheitert es gerade an den inneren Vorgängen. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Lord Denning

Lord Denning

23.7.2024, 16:56:14

Vielen Dank für die ausführliche und verständliche Erklärung @[Nora Mommsen](178057) 🙏🏼

TI

Tinki

15.10.2024, 15:47:23

Wenn ein Schaffner an ihm vorbei gelaufen wäre, hätte er aber

konkludent

darüber getäuscht, dass er ein Ticket hat, richtig? Dann sehe ich nämlich keinen Unterschied zu dem Fall, in dem der T sich in ein Restaurant setzt und trotz Zahlungsunwilligkeit bestellt.

TI

Timurso

15.10.2024, 18:50:38

Ja, das wäre dann ein Fall der

konkludent

en Täuschung im Umfeld des "sachgedanklichen Mitbewusstseins". Also jedenfalls, wenn der Schaffner auch denkt, dass er ein Ticket hat. Wenn der Schaffner vorbeiläuft und sich denkt: Der hat kein Ticket, aber ist mir egal, ich will eh kündigen, liegt kein Betrug vor.

TI

Tinki

15.10.2024, 18:53:57

Bei der Täuschung spielt das sachgedankliche Mitbewusstsein aber eig keine Rolle oder? Also Betrug am Ende in deinem Fall nicht, weil kein Irrtum oder verstehe ich dich falsch?

TI

Tinki

15.10.2024, 18:55:01

@[Timurso](197555) bei der Täuschung spielt das sachgedankliche Mitbewusstsein aber keine Rolle, oder? Also am Ende Betrug einfach (-), weil keine Fehlvorstellung, oder? Oder verstehe ich dich falsch?

TI

Timurso

16.10.2024, 12:21:06

@[Tinki](200906) auf der Ebene der Täuschung spielt das sachgedankliche Mitbewusstsein keine Rolle, da hast du Recht. Ich wollte damit nur ausdrücken, dass es dann ein ganz klassischer Fall des Betrugs wäre, den man in diesem Kontext des sachgedanklichen Mitbewusstseins ja oft hört. Für deinen Fall: Eine

konkludent

e Täuschung ist es auf jeden Fall, wenn diese dann auch einen Irrtum auslöst, dann liegt ein Betrug vor. Betrug +, wenn der Schaffner sich (unterbewusst) denkt, dass das alles seine Richtigkeit hat. Betrug -, wenn der Schaffner die Täuschung erkennt. Dieses zweite Problem hatte ich jetzt nur noch aufgemacht, um auszudrücken, dass sich pauschal aus dem von dir gebildeten Sachverhalt noch nicht sagen lässt, ob es jetzt Betrug ist oder nicht.

LELEE

Leo Lee

20.10.2024, 15:14:05

Hallo Tinki, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Hier muss man zwischen den Fällen unterscheiden. Vorweg: Bei einem Betrug muss man zwischen der Täuschung und dem Irrtum unterscheiden. Hinsichtlich der Täuschung kann man eine

konkludent

e Täuschung oder eine Täuschung durch Unterlassen bejahen. Allerdings besteht das größere Problem beim Irrtum. Wenn der Schaffner bloß durch den Zug läuft, weil er davon ausgeht, dass alle Fahrgäste eine Karte haben, liegt sog. ignorantia facti vor. Da sich hier Schaffner keine konkreten Gedanken gemacht hat, konnte er deshalb auch nicht getäuscht werden. Wenn er jedoch laut nachfragt, ob jemand kein Ticket hat etc., dann kann sehr wohl auch ein Irrtum vorliegen. Hierzu kann ich die Lektüre von der sehr guten und übersichtlichen Aufbereitung auf strafrecht-online empfehlen. Allgemein ist diese Seite exzellent für das Nachschlagen von Problemen und klassischen Streitständen. Den Link findest du hier: https://strafrecht-online.org/problemfelder/bt/263/obj-tb/irrtum/nichtwissen/ :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

TI

Tinki

21.10.2024, 11:33:54

Danke für die Erklärung! Und auch für die Empfehlung von strafrecht-online, die Seite ist echt super!🙂


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