Hamburger Zivildienstleistender

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der bewegungsunfähige Schwerstbehinderte P lässt sich vom Zivildienstleistenden Z zwecks sexueller Befriedigung in Müllsäcke verpacken und in einen Müllcontainer werfen. Dafür täuscht er diesen über eine spätere Rettung und seine eigentliche Selbsttötungsabsicht. Am nächsten Morgen ist P tot.

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Einordnung des Falls

Hamburger Zivildienstleistender

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Z hat den Tod des P kausal herbeigeführt.

Genau, so ist das!

Nach der Äquivalenztheorie (= conditio-sine-qua-non-Formel) ist eine Handlung kausal, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.Hätte Z des bewegungsunfähigen P nicht in einen Müllsack verpackt und in einen Müllcontainer geworfen, wäre dieser nicht erstickt bzw. erfroren.
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2. Z hat sich objektiv sorgfaltspflichtwidrig verhalten (§ 222 StGB).

Ja, in der Tat!

Einschlägig ist der allgemeine Maßstab des Durchschnittsbürgers. Danach ergibt sich das Maß der anzuwenden Sorgfalt daraus, wie sich ein gewissenhafter, besonnener Durchschnittsbürger in der konkreten Situation und sozialen Rolle des Täters verhalten würde. Es ist objektiv sorgfaltspflichtwidrig eine schwerstbehinderte, bewegungsunfähige Person in Plastik eingepackt und unter Todesgefahr über Nacht in einen Müllcontainer zu verbringen. Dies gilt umso mehr bei einem Zivildienstleistenden, dem die zu pflegenden Menschen als Schutzbefohlene anvertraut sind.

3. Der Tod des P war auch objektiv vorhersehbar.

Ja!

Die objektive Vorhersehbarkeit setzt voraus, dass der Erfolgseintritt sowie Kausalverlauf für einen Durchschnittsmenschen des jeweiligen Verkehrskreises absehbar gewesen ist. Für einen durchschnittlichen Zivildienstleistenden ist es nicht unvorhersehbar, dass das übernächtliche Verbringen einer nackten Person, deren Atemwege durch das Plastik von Mülltüten blockiert ist, in einen Müllcontainer mitunter zu ihrem Erfrieren bzw. Ersticken führen kann.

4. Nach Ansicht des BGH ist der Tod des P dem Z objektiv zurechenbar, weil P sich nicht eigenverantwortlich selbst gefährdet hat.

Genau, so ist das!

Der Zurechnungszusammenhang ist ausgeschlossen, wenn sich der gegenständliche Erfolg als Realisierung eines freiverantwortlichen Entschlusses des Opfers zur Selbstgefährdung darstellt. Dies ist etwa dann der Fall, wenn das Opfer den Täter über das zum Tode führende Geschehen täuscht und ihn so mit Hilfe des hervorgerufenen Irrtums zum Werkzeug gegen sich selbst macht. Dagegen bleibt es bei der Zurechnung, wenn die Tatherrschaft über das Geschehen bei einem Dritten liegt (Fremdgefährdung). BGH: Z wurde nicht von P als Werkzeug benutzt. P täuschte ihn lediglich über sein Motiv. Z hat die Gefährdungshandlung bewusst vorgenommen und dabei in extremer Weise im Widerspruch zu jedem medizinischen Alltagswissen gehandelt (RdNr. 18f.).

5. Nach anderer Ansicht lag die Verantwortung indes ausschließlich bei P, sodass Z nicht wegen fahrlässiger Tötung bestraft werden könne.

Ja, in der Tat!

Aufgrund der Fehlvorstellungen des Z erkennt eine Ansicht in der Literatur hier objektiv einen Fall der (straflosen) Tötung in mittelbarer Täterschaft, begangen durch P. Z sei nur Werkzeug. Daraus folge eine Tatherrschaft des P kraft Irrtumsherrschaft, aufgrund derer die Verantwortung für die Tötung ausschließlich bei ihm liegt. Aus der maßgeblichen Sicht des Z handelt es sich also um eine Fremdgefährdung mit rechtfertigender Einwilligung des Opfers. Im Hinblick darauf, dass P spätestens ab dem Zeitpunkt der Knebelung keine Möglichkeit mehr hatte, das Geschehen aufzuhalten, erscheint es jedoch zumindest fraglich, dem Z die Tatherrschaft über das zum Tode führende Geschehen abzusprechen.
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