+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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T geht spazieren. Er hat E's Regenschirm dabei. O's Rottweiler Rowdy reißt sich von der Leine los und stürmt mit gefletschten Zähnen auf T zu. T sieht keinen anderen Ausweg, als Rowdy mit dem Schirm in die Flucht zu schlagen. Dabei wird der Schirm zerstört.

Einordnung des Falls

Aggressivnotstand, Grundfall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Regenschirm des E ist eine für T fremde Sache (§ 303 StGB).

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Ja, in der Tat!

Taugliche Tatobjekte der Sachbeschädigung (§ 303 StGB) sind fremde Sachen. Darunter fallen alle körperlichen Gegenstände, beweglich oder unbeweglich. Fremd ist eine Sache, wenn sie nicht im Alleineigentum des Täters steht oder herrenlos ist. Der Regenschirm steht im Eigentum des E.

2. T hat durch den Schlag auf Rowdy den Regenschirm zerstört (§ 303 Abs. 1 StGB).

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Ja!

Eine Handlungsmodalität der Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 1 StGB) ist das zerstören. Eine Sache ist zerstört, wenn sie auf Grund der Einwirkung in ihrer Existenz vernichtet oder so wesentlich beschädigt ist, dass sie ihre bestimmungsgemäße Brauchbarkeit völlig verloren hat. Der Schlag mit dem Schirm führte zu dessen Bruch. Dieser ist mithin nicht mehr zum bestimmungsgemäßen Gebrauch nutzbar.

3. Wenn T den Regenschirm zerstört hat, um eine gegenwärtige Gefahr von sich abzuwenden, ist sein Handeln gerechtfertigt, wenn die Einwirkung zur Abwendung der Gefahr erforderlich und der drohende Schaden gegenüber dem entstehenden Schaden unverhältnismäßig groß ist (§ 904 BGB).

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Genau, so ist das!

In objektiver Hinsicht verlangt § 904 BGB eine (1) Notstandslage, eine (2) Notstandshandlung und eine (3) Interessenabwägung. Außerdem muss der Täter in subjektiver Hinsicht mit (4) Gefahrabwendungswillen (subjektives Rechtfertigungselement) handeln. § 228 BGB wird als defensiver Notstand bezeichnet, da der Täter hier in defensiver Weise eine Sache beschädigt oder zerstört, von der eine Gefahr droht. Dagegen wird § 904 BGB als aggressiver Notstand bezeichnet, da der Täter hier in aggressiver Weise auf eine Sache einwirkt, von der selbst gar keine Gefahr ausgeht.

4. Als T mit dem Schirm geschlagen hat, befand er sich in einer Notstandslage (§ 904 BGB).

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Ja, in der Tat!

Eine Notstandslage (§ 904 BGB) liegt vor, wenn eine Gefahr für ein Rechtsgut gegenwärtig ist. Eine Gefahr ist ein Zustand, der bei ungehindertem Fortgang den Eintritt eines Schadens für ein notstandsfähiges Rechtsgut ernstlich befürchten lässt, sofern nicht alsbald Abwehrmaßnahmen getroffen werden. Eine Gefahr ist dann gegenwärtig, wenn eine besondere zeitliche Nähe des drohenden Schadenseintritts vorliegt, dieser mithin unmittelbar bevorsteht.. Der Rottweiler hatte die Zähne gefletscht und war auf den T zugestürmt. Es war zu befürchten, dass der Hund nun auch zubeißen und jedenfalls die körperliche Unversehrtheit des T beschädigen würde.

5. Im Rahmen von § 904 BGB ist die Einwirkung auf eine Sache, welche erforderlich und verhältnismäßig ist, taugliche Notstandshandlung.

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Ja!

Eine Notstandshandlung (§ 904 BGB) ist die Einwirkung auf eine Sache, die zur Abwendung einer Gefahr erforderlich ist. Erforderlich ist die Handlung, wenn sie geeignet ist und das relativ mildeste Mittel darstellt. Verhältnismäßig ist sie, wenn bei der Interessenabwägung der drohende Schaden gegenüber dem beim Eigentümer entstehenden Schaden unverhältnismäßig groß ist. Zwar spricht der Wortlaut des § 904 BGB von „notwendig“. Gemeint ist gleichwohl dasselbe wie „erforderlich“ bei § 228 BGB oder § 32 StGB.

6. Das Schlagen mit dem Schirm auf den Hund ist erforderlich (§ 904 BGB).

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Genau, so ist das!

Erforderlich ist die Notstandshandlung (§ 904 BGB), wenn sie geeignet ist und das relativ mildeste Mittel darstellt. Geeignet ist eine Handlung, wenn sie dazu förderlich ist, die Gefahr abzuwehren. Das mildeste Mittel setzt voraus, dass bei gleicher Eignung ein Mittel gewählt wurde, dass per se milder ist als die anderen zur Verfügung stehenden Mittel. Das Schlagen auf den Hund mit dem Schirm hat die Gefahr durch den Hund abgewehrt. Es wäre zwar grundsätzlich ein milderes Mittel gewesen, vor dem Hund wegzulaufen. Allerdings gab es für T keinen anderen Ausweg. Ein anderes Mittel zur Abwehr der Gefahr war demnach nicht ersichtlich.

7. Das Schlagen mit dem Schirm auf den Hund ist verhältnismäßig (§ 904 BGB).

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Ja, in der Tat!

Beim aggressiven Notstand (§ 904 BGB) ist die Notstandshandlung verhältnismäßig, wenn bei der Interessenabwägung der drohende Schaden gegenüber dem beim Eigentümer entstehenden Schaden unverhältnismäßig groß ist. Die Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit des T ist gegenüber der Zerstörung des Eigentums von E unverhältnismäßig groß.

8. T handelte mit Gefahrabwendungswillen (subjektives Rechtfertigungselement).

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Ja!

Der Täter muss in Kenntnis der ihn rechtfertigenden Umstände und mit dem Willen zur Gefahrenabwendung handeln. T wollte die Gefahr durch den Hund Rowdy abwenden.

9. T trifft eine zivilrechtliche Schadensersatzpflicht für den zerstörten Regenschirm.

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Genau, so ist das!

Den Notstandstäter trifft eine Schadensersatzpflicht, da der Eigentümer unbeteiligt ist und seine Sache im Fremdinteresse aufopfern muss (§ 904 S. 2 BGB). T ist Notstandstäter und E bloß unbeteiligter Eigentümer.

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