Geisteskrankheit tritt vor Abgabe der Willenserklärung ein (§ 130 Abs. 2 BGB)
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Jurastudium und Referendariat.
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Mieterin M verfasst am 26.12. an ihren Vermieter V einen Brief, dass sie zum 31.3. kündigt. Am 31.12. wird M dauerhaft geisteskrank. Am 1.1. wirft M den Brief in den Postbriefkasten. Er wird dem V am 3.1. zugestellt.
Einordnung des Falls
Geisteskrankheit tritt vor Abgabe der Willenserklärung ein (§ 130 Abs. 2 BGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Damit eine Willenserklärung wirksam werden kann, muss der Erklärende bei der Erklärung, der Abgabe und beim Zugang geschäftsfähig sein.
Nein, das ist nicht der Fall!
2. M war im Zeitpunkt der Abgabe geschäftsunfähig (§ 104 Nr. 2 BGB). Die Kündigung ist nichtig (§ 105 Abs. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
Jurafuchs kostenlos testen
simon175
2.8.2022, 20:56:38
Ist die vorletzte Frage streng genommen nicht ungenau? So wie ich das verstanden habe muss man *bis* zur Abgabe rechts- und geschäftsfähig sein, und nicht nur *bei* der Abgabe (sonst dürfte man bei dem Abschluss des Erklärungsvorgangs rechts- und geschäftsunfähig sein und dass wäre ja problematisch).
![Nora Mommsen](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__1g4ube287wphue6xpdn8yy675.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Nora Mommsen
3.8.2022, 13:44:53
Hallo simon175, die Frage ist tatsächlich korrekt. Denn es kommt in der Tat nicht darauf an, ob der Erklärende bei Zugang einer Willenserklärung geschäftsfähig ist. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
kithorx
23.9.2023, 14:55:14
@[Nora Mommsen](178057) ich glaube, um den Zugang ging die Frage nicht 😄
![Lukas_Mengestu](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__x133cq1so0il85q8i03wkixhy.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Lukas_Mengestu
2.11.2023, 09:23:05
Hallo zusammen, spannende Frage! In den einschlägigen Kommentaren wird hier tatsächlich auf die Abgabe (="bei") als maßgeblicher Zeitpunkt für die personenbezogenen Wirksamkeitsvorrausetzungen abgestellt (zB Einsele, in: MüKo-BGB, 9. A. 2021, BGB § 130 Rn. 15). Relevant wird die Differenzierung überhaupt nur bei schriftlichen Erklärungen. Denn bei einer mündlichen Erklärung fallen Formulierung (Phase 1) und Abgabe (Phase 2) ohnehin zusammen. Fehlt es hier also bei der Formulierung an der Geschäftsfähigkeit, so gilt dies zugleich für die Abgabe. Bei schriftlichen Erklärungen wäre es (theoretisch) denkbar, dass es hier zu einem Auseinanderfallen kommt (zB ein Verkaufsangebot, das im Vollrausch erstellt wurde und am nächsten Tag, wenn man wieder nüchtern ist, zur Post gebracht wird). Auch hier dürfte aber die Abgabe der allein maßgebliche Zeitpunkt sein. Denn mit der Abgabe aktualisiert man im Zustand der Geschäftsfähigkeit, dass man sich an der zuvor formulierten Erklärung tatsächlich festhalten will. Dafür spricht letztlich auch der Gesetzeswortlaut des § 105 Abs. 2 BGB, der darauf abstellt, dass eine Willenserklärung nichtig ist, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit ABGEGEBEN wird. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team