Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Abgabe und Zugang von Willenserklärungen

Geisteskrankheit tritt vor Abgabe der Willenserklärung ein (§ 130 Abs. 2 BGB)

Geisteskrankheit tritt vor Abgabe der Willenserklärung ein (§ 130 Abs. 2 BGB)

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Mieterin M verfasst am 26.12. an ihren Vermieter V einen Brief, dass sie zum 31.3. kündigt. Am 31.12. wird M dauerhaft geisteskrank. Am 1.1. wirft M den Brief in den Postbriefkasten. Er wird dem V am 3.1. zugestellt.

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Einordnung des Falls

Geisteskrankheit tritt vor Abgabe der Willenserklärung ein (§ 130 Abs. 2 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Damit eine Willenserklärung wirksam werden kann, muss der Erklärende bei der Erklärung, der Abgabe und beim Zugang geschäftsfähig sein.

Nein, das ist nicht der Fall!

Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit, Rechtsgeschäfte selbstständig voll wirksam vorzunehmen. Das Gesetz sieht grundsätzlich alle Menschen als geschäftsfähig an, enthält jedoch in den §§ 104ff. BGB Ausnahmen. Beim Wirksamwerden einer Willenserklärung kann man vier Phasen unterscheiden: (1) Abschluss des Erklärungsvorgangs, (2) Abgabe, (3) Zugang und (4) tatsächliche Kenntnisnahme der Willenserklärung. Der Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung ist maßgeblich für die in der Person des Erklärenden liegenden (subjektiven) Wirksamkeitsvoraussetzungen: Der Erklärende muss nur bei Abgabe der Willenserklärung rechts- und geschäftsfähig sein (§ 130 Abs. 2 BGB). Hier werden verschiedene Schutzdimensionen deutlich: Schutz des Rechtsverkehrs und Schutz der Geschäftsunfähigen.
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2. M war im Zeitpunkt der Abgabe geschäftsunfähig (§ 104 Nr. 2 BGB). Die Kündigung ist nichtig (§ 105 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Der Erklärende muss nur bei Abgabe der Willenserklärung rechts- und geschäftsfähig sein (§ 130 Abs. 2 BGB). M ist nach Abschluss des Erklärungsvorgangs, aber vor Abgabe der Willenserklärung am 31.12. wegen Geisteskrankheit nach § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig geworden. Mithin ist M bei Abgabe der Willenserklärung geschäftsunfähig. Ms Willenserklärung ist nichtig (§ 105 Abs. 1 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

simon175

simon175

2.8.2022, 20:56:38

Ist die vorletzte Frage streng genommen nicht ungenau? So wie ich das verstanden habe muss man *bis* zur Abgabe rechts- und geschäftsfähig sein, und nicht nur *bei* der Abgabe (sonst dürfte man bei dem Abschluss des Erklärungsvorgangs rechts- und geschäftsunfähig sein und dass wäre ja problematisch).

Nora Mommsen

Nora Mommsen

3.8.2022, 13:44:53

Hallo simon175, die Frage ist tatsächlich korrekt. Denn es kommt in der Tat nicht darauf an, ob der Erklärende bei Zugang einer Willenserklärung geschäftsfähig ist. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

KI

kithorx

23.9.2023, 14:55:14

@[

Nora Mommsen

](178057) ich glaube, um den Zugang ging die Frage nicht 😄

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

2.11.2023, 09:23:05

Hallo zusammen, spannende Frage! In den einschlägigen Kommentaren wird hier tatsächlich auf die Abgabe (="bei") als maßgeblicher Zeitpunkt für die personenbezogenen Wirksamkeitsvorrausetzungen abgestellt (zB Einsele, in: MüKo-BGB, 9. A. 2021, BGB § 130 Rn. 15). Relevant wird die Differenzierung überhaupt nur bei schriftlichen Erklärungen. Denn bei einer mündlichen Erklärung fallen Formulierung (Phase 1) und Abgabe (Phase 2) ohnehin zusammen. Fehlt es hier also bei der Formulierung an der Geschäftsfähigkeit, so gilt dies zugleich für die Abgabe. Bei schriftlichen Erklärungen wäre es (theoretisch) denkbar, dass es hier zu einem Auseinanderfallen kommt (zB ein Verkaufsangebot, das im Vollrausch erstellt wurde und am nächsten Tag, wenn man wieder nüchtern ist, zur Post gebracht wird). Auch hier dürfte aber die Abgabe der allein maßgebliche Zeitpunkt sein. Denn mit der Abgabe aktualisiert man im Zustand der Geschäftsfähigkeit, dass man sich an der zuvor formulierten Erklärung tatsächlich festhalten will. Dafür spricht letztlich auch der Gesetzeswortlaut des § 105 Abs. 2 BGB, der darauf abstellt, dass eine Willenserklärung nichtig ist, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit ABGEGEBEN wird. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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