Vorübergehende Störung der Geistesfähigkeit (§ 105 Abs. 2 BGB) beim Empfänger


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Jurafuchs

Mieter M hat Freunde zu sich nach Hause eingeladen, um zu Grillen und sich anschließend zu betrinken. Vermieter V wirft am frühen Abend (um 17 Uhr) durch den Briefschlitz von Ms Haustür die Kündigung. M zerfetzt das Schreiben ungelesen im volltrunkenen Zustand (3,0 Promille).

Einordnung des Falls

Vorübergehende Störung der Geistesfähigkeit (§ 105 Abs. 2 BGB) beim Empfänger

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Kündigung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung und wird hier unter Abwesenden abgegeben. Werden empfangsbedürftige Willenserklärungen unter Abwesenden erst wirksam mit tatsächlicher Kenntnisnahme?

Nein, das trifft nicht zu!

Empfangsbedürftige Willenserklärungen unter Abwesenden werden wirksam mit Zugang. Dies folgt unmittelbar aus § 130 Abs. 1 S. 1 BGB. Zugang einer verkörperten Willenserklärung erfordert, dass sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass er von ihr Kenntnis nehmen kann und unter normalen Umständen mit Kenntnisnahme zu rechnen ist. Zur Wiederholung: Beim Wirksamwerden einer Willenserklärung kann man vier Phasen unterscheiden: (1) Abschluss des Erklärungsvorgangs, (2) Abgabe, (3) Zugang und (4) tatsächliche Kenntnisnahme der Willenserklärung.

2. Ist die Kündigung an dem Abend wirksam geworden, als V sie in den Briefschlitz eingeworfen hat?

Ja!

Durch Einwurf in den Briefschlitz ist die Erklärung so in den Machtbereich des M gelangt, dass M von ihr Kenntnis nehmen konnte. Unter normalen Umständen war die Kenntnisnahme noch am selben Abend zu erwarten. Mithin ist die Willenserklärung M im Zeitpunkt des Einwurfes durch den Briefschlitz zugegangen (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB). Die tatsächliche Kenntnisnahme (Phase 4) ist für den Zugang und das Wirksamwerden der Erklärung irrelevant. Kommt es in der Klausur erkennbar darauf an, erwartet Deine Korrektorin, dass Du die verschiedenen Phasen, die eine Willenserklärung durchläuft, und die möglichen Zeitpunkte für ihr Wirksamwerden sauber unterscheidest.

3. Wird Vs Kündigung erst wirksam, wenn M wieder nüchtern ist?

Nein!

Zugang einer verkörperten Willenserklärung erfordert, dass sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass er von ihr Kenntnis nehmen kann und unter normalen Umständen mit Kenntnisnahme zu rechnen ist. Für Erklärungen an Personen, die bewusstlos oder die nur vorübergehend nicht im Besitz ihrer geistigen Kräfte sind (§ 105 Abs. 2 BGB), gilt nicht § 131 BGB („Wirksamwerden gegenüber nicht voll Geschäftsfähigen“), sondern § 130 BGB. Da es auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme unter normalen Umständen ankommt, gehen Willenserklärungen unter Abwesenden auch dann wirksam zu, wenn sich der Empfänger in einem § 105 Abs. 2 BGB entsprechenden Zustand befindet. Für den Zugang ist es mithin unerheblich, dass M zum Zeitpunkt des Briefeinwurfs betrunken war.

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