Erklärung gelangt auf eine Weise in den Machtbereich des Empfängers, mit der dieser nicht rechnen muss.


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

E will das ihm vor längerer Zeit von seinem Freund A unterbreitete Kaufangebot über seine Briefmarkensammlung annehmen. E legt eine Annahmeerklärung auf den Schreibtisch des A, ohne dass dies vereinbart war oder A damit rechnen muss. Im Papiergewusel übersieht A den Brief.

Einordnung des Falls

Erklärung gelangt auf eine Weise in den Machtbereich des Empfängers, mit der dieser nicht rechnen muss.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Empfangsbedürftige WE werden wirksam mit Zugang (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB).

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Ja, in der Tat!

Zugang (Phase 3) liegt bei verkörperten WE vor, wenn die Erklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass er von ihr Kenntnis nehmen kann und wenn unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist.

2. Die Annahmeerklärung wird wirksam, wenn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge damit zu rechnen ist, dass A den Schreibtisch aufräumt und davon Kenntnis nehmen wird.

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Nein!

Ob und wann zu erwarten ist, dass der Empfänger die Erklärung zur Kenntnis nimmt, hängt davon ab, ob sie auf eine Weise in seinen Machtbereich gelangt, mit der er rechnen muss. Ist das zu verneinen, kann von ihm kein Verhalten entsprechend dem „gewöhnlichen Verlauf der Dinge“ erwartet werden.Hier musste A nicht damit rechnen, dass E die Erklärung auf dem Schreibtisch ablegt.

3. Die Annahmeerklärung wird wirksam, wenn A den Brief als an ihn gerichtet tatsächlich wahrnimmt und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge damit zu rechnen ist, dass er ihn alsbald lesen wird.

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Genau, so ist das!

Auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge kommt es erst dann an, wenn der Emfänger die Erklärung tatsächlich bemerkt und als an ihn gerichtete Erklärung wahrnimmt. Dann kann nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge erwartet werden, dass er die Erklärung alsbald zur Kenntnis nimmt.Spätestens wird die Annahmeerklärung also wirksam, wenn A den Brief liest und damit tatsächlich Kenntnis nimmt.

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Mirko

Mirko

8.4.2020, 23:09:13

„Vor längerer Zeit“ unklar definiert. Könnte das Angebot nicht schon verfallen sein, zum Schutz des Erklärenden?

GE

gelöscht

9.4.2020, 07:00:50

Hi - hier kommt es erkennbar nicht darauf an, wann das Angebot an E erging, sondern ob A damit rechnen musste, dass das Angebot angenommen auf seinem Schreibtisch landen würde. Grundsätzlich hast du natürlich Recht, dass das Zeitmoment und die Form eine wichtige Rolle spielen.

Mirko

Mirko

9.4.2020, 12:30:46

Alles klar, danke dir!


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