Hallo Christoph,
für das Wirksamwerden einer Willenserklärung bedarf es in der Tat neben dem Zugang einer wirksamen Abgabe. Ohne diese ist die Willenserklärung unwirksam. (Ausnahme:die
abhanden gekommene Willenserklärung)
Erforderlich ist für die Abgabe, dass die Willenserklärung mit Willen des Erklärenden in den Verkehr gelangt und der Erklärende damit rechnen konnte und gerechnet hat, sie werde (auf welchem Wege auch immer) den Erklärungsgegner erreichen (vgl. BGH, Urt. v. 11.5.1979 – V ZR 177/77, NJW 1979, 2032). Für eine gültige Abgabe der Willenserklärung verlangt die ganz hM dabei, dass der Erklärende sie in Richtung des richtigen Empfänger absendet (vgl. BeckOGK/Gomille, 1.4.2020, BGB § 130 RdNr. 44 mwN).
Dabei sind zwei Konstellationen zu unterscheiden:
a) Der Erklärende adressiert bewusst an einen falschen Empfänger, weil er glaubt an diesen sei die Erklärung zu richten (zB Käufer eines Grundstücks will zurücktreten und richtet den Rücktritt an den Notar, statt an den eigentlichen Empfänger: den Verkäufer). Der falsche Adressat leitet die Erklärung dann weiter (Notar an den Verkäufer).
b) Der Erklärende will subjektiv die Erklärung an den richtigen Empfänger schicken, allerdings unterläuft ihm dabei ein Fehler (zB falscher Name, falsche Adresse). Dennoch gelangt die Erklärung letztlich an den richtigen Empfänger (unser Fall hier)
Zu a): Im ersten Fall hat der Erklärende subjektiv und objektiv die Erklärung an den falschen Empfänger gerichtet. Insoweit ist durch den BGH geklärt, dass es an einer wirksamen Abgabe fehlt. Der Zugang dürfe nicht mehr oder weniger zufällig erfolgen, sondern müsse zielgerichtet vom Absender gewollt sein (vgl. BGH, Urt. v. 11.5.1979 – V ZR 177/77, NJW 1979, 2032). Wenn der Absender die Erklärung aber gar nicht an den eigentlichen Empfänger adressieren will, dann ist der tatsächliche Zugang letztlich gänzlich zufällig. Die Willenserklärung ist mangels wirksamer Abgabe also auch dann unwirksam, wenn sie letztlich den richtigen Empfänger erreicht. Anders als bei Zustellungen in einem Prozess (vgl. § 187 ZPO) könne der Abgabefehler durch den tatsächlichen Zugang nicht geheilt werden, denn es fehle dem BGB an einer § 187 ZPO entsprechenden Heilungsregelung.
Zu b): In der zweiten Konstellation hat der Erklärende subjektiv dagegen die Erklärung zielgerichtet auf den Weg gebracht, auch wenn sie objektiv an den falschen Empfänger (falscher Name, falsche Adresse) gerichtet war. Wie Fabian und Christian zurecht anmerkten, hat man hier in der Tat Schwierigkeiten damit anzunehmen, dass der Erklärende auch mit dem Zugang „rechnen konnte“ und insoweit eine wirksame Abgabe vorliegt. An einer höchstrichterlichen Entscheidung, ob in diesem Fall eine wirksame Willenserklärung vorliegt, fehlt es - soweit ich das überblickt habe - bislang. Als Mindestvoraussetzung für die Wirksamkeit der Willenserklärung müsste man hier natürlich den tatsächlichen Zugang der Erklärung beim Empfänger annehmen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 14.12.2015 – 3 Sa 467/15, wo eine Kündigung fälschlich an die Adresse eines Verwandten des Empfängers zugestellt wurde und jedenfalls deshalb unwirksam war, da der eigentliche Empfänger sie (angeblich) nie erhalten hat).
Folgt man aber der Argumentation des BGH zur „Zielgerichtetheit“, so müsste man auch im Fall der fehlerhaften Adressierung (Name bzw. Adresse) eine wirksame Abgabe verneinen. Denn auch in diesem Fall ist es ja rein zufällig, ob trotz des Fehlers die Willenserklärung ihr Ziel erreicht.
Selbst wenn B die Nachricht also tatsächlich liest, sprechen die besseren Argumente dafür, dass sie mangels wirksamer Abgabe nicht wirksam war. Wir haben das entsprechend angepasst.
Beste Grüße, Lukas – für das Jurafuchs-Team